Wüstenstädte

21.9.

Nach einem ausgiebigen Frühstück im Zeltlager holen uns Jeeps ab und bringen uns zurück in die Zivilisation. Diesmal ist der Weg durch die Wüste nicht so gemächlich wie am Tag zuvor auf den Dromedaren. Wir rasen Dünen rauf und runter, unserem Empfinden nach Vollgas in Schlangenlinien. Nicht nur einmal kreischen wir, weil wir uns seitlich dünenabwärts kippen sehen. Der Fahrer lacht natürlich nur, er fährt mit dem anderen Jeep offensichtlich entweder ein Rennen oder sie haben einfach nur Spaß daran, depperte Touris zu erschrecken. Wahrscheinlich eher letzteres.

Zurück in Merzouga wartet der Bus und die Weiterreise am Rand der Sahara. Die Straße der 1000 Kasbahs führt uns nach Tinerhir, ein malerisches Wüstenstädtchen, das heute unser Ziel ist. Unterwegs halten wir in Rissani, einem kleinen Ort, um die Souks zu besuchen. Die sind allerdings größtenteils geschlossen. Wir spazieren durch den überdachten Markt und suchen offene Geschäfte. Wir finden zwei Kosmetikläden.

Im einen kaufen wir (also die Frauen), grünen Lippenstift, der sich auf den Lippen der jeweiligen Trägerin in pink verwandelt, der Farbton variiert nach der Lippenfarbe und den Pigmenten. Im anderen erstehen wir Tontöpfchen, die mit roter Farbe bestrichen sind, auch das Lippenfarbe. Beides hält den ganzen Tag, eindeutig länger als handelsübliche Kosmetika bei uns, zu einem unschlagbaren Preis von jeweils ca. 50 Cent.

Unterwegs besuchen wir bei Khettara eine außergewöhnliche Landschaft mit hunderten Hügeln, unter denen ein unterirdisches Bewässerungssystem verläuft. Wir steigen in die Tiefe und erkunden endlose Gänge, die alle paar Meter von einem Lichtschacht durchbrochen werden, der für Belüftung sorgt. Früher floss Wasser durch alle Gänge und versorgte die Felder und Dörfer darüber. Die Hügel entstanden durch den Abraum der Leitungen und geben einen Eindruck von der unglaublichen Arbeit, die hier geleistet worden ist. Mittlerweile ist der Fluss, von dem das Wasser abgezweigt wurde, ausgetrocknet, so wie viele der Oasen in der Gegend. Der Klimawandel macht sich bemerkbar.

Danach halten wir im Dorf El Khorbat und besichtigen das Berbermuseum, das interessante und lustige Einblicke in die Geschichte und Lebensweise der Wüstenstämme in den Ksars, das sind Festungsdörfer, gibt.

Erfreulicherweise ist ein Restaurant angeschlossen. Nachdem einige von uns handbestickte bunte Tücher erstanden haben, lassen wir uns dort bei örtlichen Leckereien, also Tajine, nieder. Ruth und ich bestellen Pizza, der Abwechslung halber. Das hätten wir besser gelassen, die Pizza erinnert stark an deutsche Tiefkühlware, eine Spezialität, die ich hoffte, mit dem Auszug meiner Kinder für immer hinter mir gelassen zu haben. Die anderen hatten mehr Glück, anscheinend war das lokale Essen besser.

Ein weiterer Abstecher führt uns in die Todra Schlucht. Steile Felsen ragen links und rechts von uns auf, die Straße wird eng und enger. Ein Felssturz hat vor ein paar Jahren das Hotel in der Mitte der Schlucht zerstört, zum Glück war gerade geschlossen. Der Weg zum Gipfel ist markiert, aber ohne Klettersteigerfahrung sicher nicht zu begehen, ganz abgesehen von der Hitze. Wir schlendern durch die Schlucht und zurück und treffen uns danach mit Mulay, der uns durch die Oase von Tinerhir führt.

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Eine andere Welt. Dattelpalmen mit gelben Früchten begleiten uns auf unserem Weg durch grüne Felder, Rosmarin und Thymian säumen den Pfad. Bächlein, die die Felder bewässern, gluckern in den Kanälchen, die je nachdem, wer gerade Wasser braucht, geöffnet und geschlossen werden können, ein ausgefeiltes System. Überall zwitschern kleine und größere Vögel, Ziegen und Kühe weiden auf Wiesen, alles blüht.

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Wir erreichen Tinerhir im Abendlicht. Die Stadt fügt sich mit den Sandsteinbauten vollkommen ein in die Wüste, die untergehende Sonne überzieht die Gebäude mit Gold. Dagegen heben sich grüne Palmen ab, im Hintergrund die mächtigen Berge. Ein Anblick wie im Märchen.

Unser angekündigtes Hotel  hat offenbar die Pandemie nicht überlebt und wir checken ein im Hotel Sultan, ein paar Dörfer weiter auf einem Hügel. Mein Zimmer ist klein und primitiv, das Bad überschwemmt sofort, wenn die Dusche an ist. Ich reklamiere und bekomme am nächsten Tag ein wunderschönes Zimmer mit Panoramafenster und einer nagelneuen Nasszelle. Was uns mit dem Hotel total versöhnt ist die überwältigende Freundlichkeit der Leute. Alle bemühen sich nach Kräften, uns den Aufenthalt angenehm zu gestalten, das Essen ist lecker und wir dürfen unseren mitgebrachten Wein im Speisesaal und auf der Terrasse trinken.

Am nächsten Tag fahren wir morgens zum nahegelegenen Markt, wo ich, wie schon so oft auf Reisen, ein Taschenmesser erstehe, um Obst schälen zu können. Seit ich in Mexiko dem Flughafenzöllner mein Schweizer Messer geschenkt habe, weil ich vergessen hatte, es aus meiner Handtasche zu nehmen, fällt mir immer erst auf, dass ich keines habe, wenn ich schon unterwegs bin und Obst essen möchte. Ansonsten kaufen wir Gemüse für den nachmittäglichen Kochkurs ein und haben Spaß beim Aushandeln der Zutaten für unsere Mahlzeit.

Den Kochkurs hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht. Wir helfen beim Schnitzeln des Gemüses, schälen Kartoffeln und Zwiebeln und schauen dem Koch zu, wie er Spurenelemente von Gewürzen auf riesigen Tajines verteilt. Alles dauert Stunden, weil die Messer und Schälwerkzeuge stumpf sind und wir damit große Mengen zubereiten sollen. Überrascht sind wir über die minimalen Mengen von Kurkuma und anderem, wir, also jedenfalls die guten Hausfrauen unter uns, hätten ein Vielfaches der jeweiligen Menge über Fleisch und Gemüse verteilt. Zur Nachspeise setze ich mich an den Pool ab, ich habe einfach keine Lust mehr, bei wunderbarem Sonnenschein in der dunklen Küche rumzustehen und Sachen zuzubereiten, die ich daheim sowieso nie mehr mache. Und wenn, dann finde ich schon ein Rezept. Ich bin einfach nicht so die Küchenfee, ich mache alles andere, was ich hier tun kann, lieber. Zum Beispiel Buch lesen am Pool. Den Kurs hake ich ab unter „gut gemeint“.

 

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