Auf zu neuen Ufern

15.9.22

Morgens um 3 abgeholt zu werden, ist schon ein Spaß der besonderen Art. Ich schlafe ein paar Stunden, dann schleppe ich mich zur Tür, Erich holt uns ab. Wir sammeln unsere Freunde ein und fahren zum Flughafen. Der erste Flug geht um 6.00 Uhr nach Lissabon. Die Airline hat uns empfohlen, vier Stunden vor Abflug am Airport zu sein, was ein Witz ist. Die Schalter sind alle geschlossen, der ganze Flughafen leer. Ein paar einsame Gestalten lungern vor den Check-in Schaltern rum und warten auf irgendein Lebenszeichen der Abfertigung. Márti nimmt uns in Empfang, sie ist schon eine halbe Stunde da. Um vier Uhr zehn kommen dann ein paar Uniformierte zu den Gepäckaufgabe-Automaten und lassen uns das Zeug loswerden. Dann dürfen wir durch die Sicherheit, auch das eine Sache von fünf Minuten. Gut, dass wir den Ratschlägen nicht gefolgt sind, so ist es schon anstrengend genug.

In Lissabon beschließen wir, die fünfstündige Wartezeit nicht auf dem Flughafen zu verbringen, sondern in die Stadt zu fahren. Die U-Bahn bringt uns unkompliziert hinein. Es folgen Diskussionen, was wir jetzt anschauen wollen: Mit der berühmten Trambahn fahren oder lieber ans Meer gehen oder gleich frühstücken in einem Café oder in der Stadt rumlaufen…Mit sechs Leuten ist es irgendwie schon schwieriger als allein, aber auch lustig. Wir einigen uns auf zuerst das Meer anschauen, dann ein wenig durch die Stadt schlendern, dann Trambahn und dann frühstücken. Das klappt nicht, weil die Tram total überfüllt ist und Teile von uns weder Zeit noch Lust haben, auf eine leere zu warten. Also müssen sich die anderen (also die Männer) fügen.  Wir gehen  die Gleise entlang bis zur Kathedrale, dort genießen wir die Aussicht auf die Stadt und finden ein Café mit leckeren Avocadotoasts und sonstigen feinen Sachen, die uns über die nächsten Stunden bringen. Dann machen wir uns auf den Rückweg zum Flugplatz.

Dort lernen wir Andrea und Andreas kennen, die die gleiche Reise gebucht haben wie wir und uns also die nächsten zwei Wochen begleiten werden. 

Afrika empfängt uns mit bester Sicht aus dem Flugzeug, wir landen sanft in Casablanca.

Hamou, unser Reiseleiter, holt uns ab und bringt uns ins Hotel Odysee, ein nettes ordentliches Hotel mitten in der Stadt. Wir spazieren noch etwas durch die Stadt auf der Suche nach dem uns empfohlenen Restaurant „Bodyguard“. Auch die Nachfrage bei Einheimischen ergibt, dass dieses Restaurant zwei Häuser weiter sein muss. Wir suchen und finden nicht.  Bis mir ein Namensschild ins Auge fällt. „Bodega“, spanisches Restaurant mit Alkohollizenz.  Da wir aber lieber marokkanisch als spanisch essen wollen, besuchen wir das sehr nette Lokal daneben und erfreuen uns an Tajine mit Zitrone und Oliven respektive Mandeln. Und Mineralwasser. 

Zum Glück gibt’s später noch eine Hotelbar, wo sie wenigstens Bier verkaufen. Die Stimmung ist gerettet.

Allem Anfang wohnt ein Zauber inne

Ich mache mich in Rekordzeit fertig und wir fahren zum Swiss-Club, wo die Hochzeit von Alice und Essam stattfinden soll. Wir steigen in ein „Hotel-Taxi“. Nach ein paar hundert Metern stellt Laca fest, dass der Taxameter abmontiert ist. Er weist den Fahrer darauf hin, der behauptet, der sei in der Reparatur und die Fahrt koste 200 EGP. Ein Witz, das darf höchstens 50 kosten. Nach einer heftigen Auseinandersetzung fährt uns der Taxifahrer zum Hotel zurück und schmeißt uns raus.

Das nächste Taxi bestellt der Concierge. Wir fahren los, der Taxameter läuft nicht. Darauf hingewiesen, bekommen wir die Auskunft, es sei ein Hoteltaxi mit Fixpreis 50 EGP. Ok. Das geht. 2,50 EUR sind ok. Das Problem ist nur, dass der Fahrer total anders fährt als Google Maps das vorschlägt und dass mein lieber Ehegatte Google mehr glaubt als den Einheimischen. Er beginnt zu diskutieren, was angesichts der minimalen Sprachkenntnisse beider Parteien in der jeweils anderen Sprache (arabisch-englisch) nicht so einfach ist. Der arme Fahrer landet in Seitenstraßen mit Blockaden, kommt wegen Einbahnstraßen nicht voran und so weiter. Am Ende verpasst er die Abzweigung in die richtige Straße und muss einen riesigen Umweg fahren, um wieder dahin zu kommen, wo wir die Zufahrt zum Swiss Club vermuten. Kurz bevor wir da sind, baut er vor lauter Aufregung einen Unfall, als er, ohne zu schauen, die Spur wechselt. Lautstarke Streiterei mit dem anderen Fahrer, dann fahren beide weiter. Das ist hier nicht Deutschland, ganz klar. Die haben nicht einmal Adressen ausgetauscht. Der Typ konnte weder lesen noch schreiben noch Englisch und ausgekannt hat er sich schon gar nicht. Wieso der Taxifahrer sein darf, ein Rätsel. Das scheint hier aber allgemein so zu sein.

Angekommen im Swiss Club gehören wir zu den ersten Gästen, die anderen stecken auch alle noch im Stau und machen ähnliche Erfahrungen wie wir.

Dann allerdings erwartet uns eine tolle Party. Die Location ist bezaubernd, ein großer Garten vor einer hochherrschaftlichen Villa, alles ausgeleuchtet mit kleinen Lämpchen, zauberhaft.

 

Der DJ ist ein Meister seines Fachs, er bekommt die Leute jeglicher Herkunft schon vor dem Essen und den Reden auf die Tanzfläche. Alle fühlen sich großartig, Europäer und Ägypter, die Gesellschaft mischt sich schnell, wenn auch bei den ägyptischen Hits doch eher die Einheimischen tanzen und wir uns mehr blamieren. Eine Freundin von Alice hat einen Flashmob organisiert, ein Teil der Leute bekommt Alice- und Essam-Masken aufgesetzt und nach einer über eine Video-Gruppe einstudierten Choreographie tanzen alle zu „You’re the one that I love“. Großer Erfolg!

 

Der Brautvater hält eine kurze Rede, teilweise auf Arabisch, was für allgemeine Begeisterung sorgt. Sowohl das Arabisch als auch das kurz. Der Brautmutter steht das Glück ins Gesicht geschrieben. Der Mutter des Bräutigams ebenso.

Das Buffet ist ausgezeichnet, internationale Küche, für jeden etwas. Die Aufteilung der Gäste an Tischen mit und ohne Alkohol funktioniert nur bedingt, sehr schnell stellt sich heraus, dass Nationalität und Religionszugehörigkeit in dieser Beziehung keine Rolle spielen. Die Gäste verteilen sich auf dem Rasen, holen sich Häppchen, Hauptgerichte und Nachspeisen, um dann zwanglos zu Chips und Haribo überzugehen. Das Gästebuch füllt sich mit begeisterten Kommentaren zu Hochzeit, Location und natürlich dem jungen Paar.

 

Wir lernen Mohamed kennen, der offenbar einer der besten Guides ist, die man hier so bekommen kann. Einige Leute haben Erfahrung mit seinen Führungen, alle sind begeistert. Er ist lustig, nett und kennt sich aus. Anscheinend führt er einen nicht nur zu den touristischen, allseits bekannten Highlights, sondern auch zu etwas abgelegeneren Orten, die aber auch zu einem umfassenderen Einblick in Leben und Kultur des Landes gehören. Er macht sich die Mühe, mit den Leuten in die Pyramiden zu steigen, damit die verstehen, was sie dort sehen und führt sie zu den schönsten Aussichtspunkten, auch wenn die ein bisschen abgelegen von der touristischen Route liegen. Und sein Englisch ist gut. Nächstes Mal buche ich ihn auf jeden Fall.

Alice und Essam wirken vollständig glücklich und verliebt. Die Familien mögen sich, die Freunde auch, die Zeichen stehen gut. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagt Hermann Hesse. Das trifft auf den heutigen Abend auf jeden Fall zu. Wir wünschen den beiden alles Glück der Welt, eine gelingende, fröhliche und liebevolle Ehe, in der sich all ihre Wünsche an das Leben erfüllen.

 

 

 

National Chaos

Nach einem weiteren Frühstück in der Chocolate Lounge (ja, genau! Chocolate Lounge!!) laufen wir los zum Nationalmuseum.

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Eine riesige Schlange Menschen erwartet uns vor der Tür. Nach der Sicherheitskontrolle stehen wir in einem Raum, von dem mehrere Flügel abgehen. Eine Tafel mit Beschriftungen weist den Weg durch Altes, Mittleres und Neues Reich. Leider nur im Parterre, das Obergeschoß ist irgendwie dazwischen gepfriemelt, sehr unübersichtlich. Wir gehen los, Laca erinnert sich, dass  Tut-Euch-Amun oben war.

Vorbei an den ältesten, jedenfalls uralten Schätzen der Menschheit, gestapelt wie in einer Lagerhalle.

Erklärungen gibt es so gut wie gar nicht. Ein paar uralte Schilder (aus der Pharaonenzeit? Kann ja nicht sein, die schauen zwar so aus, sind aber arabisch und/oder englisch, jedenfalls nur teilweise lesbar).

Zum Grab des großen Königs läuft man auf gut Glück. Beschildert ist hier nichts. Fotografieren verboten. Die weltberühmte Totenmaske steht in der Mitte des Raums, drum herum irgendwelche Schaukästen mit Schmuck und sonstigen Grabbeigaben. Ich National Chaos weiterlesen