Nomadenleben

21.8.

Die Campmanagerin verabschiedet uns, indem sie Milch auf alle Reifen spritzt, das soll für eine gute Fahrt sorgen. Die guten Wünsche braucht man auch. Auch da, wo Straßen sind, sind mehr Schlaglöcher als befahrbare Stellen, ganz zu schweigen von den Sandpisten.

 

Der Krater des Khorgo Vulkans ist unser nördlichster Punkt.Der Berg war steil, der Krater tief und die Aussicht auf den White Lake grandios.

 

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Die Lodge unterscheidet sich nicht von den anderen, auch das Essen nicht. Heute gibt es statt Brot Hefeklößchen und abends statt Reis Graupen. Ansonsten Gulasch, wie üblich.

Auf dem Weg zum Vulkan führt uns Jargal zu einer Eishöhle ohne Eis, da Hochsommer. Schöne Höhle, sicher beeindruckend, wenn das nicht ganz so ewige Eis schimmert.

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Das nächste Ziel heute ist der White Lake, ein sehr schöner, ruhiger See, beinahe mystisch. Die Sonne glänzt auf dem Wasser, schwarze Lavasteine, aufgetürmt durch Einheimische und Touristen, säumen das Ufer einer Halbinsel und die Wasservögel schweben über der Szenerie, tauchen gelegentlich unter.

Die direkte Route zurück führt über einen Berg.

Der abendliche Reitausflug durch ein Tal inmitten hoher Berge, in dem Edelweiß und Enzian in Massen wachsen. Leider bin ich die einzige, die Reitkenntnisse hat, deshalb gehen wir nur im Schritt.

22.8.

Das war die kälteste Nacht seit Jahren, etwa 3°C Außen- und wohl auch Innentemperatur. Die Jurten sind ja nur mit Filz bespannt, so dass sich die Wärme des Nomadenleben weiterlesen

Holy Mountain: Vergänglichkeit

18.8.

Die nächste Lodge liegt spektakulär direkt am Fuß eines heiligen Berges.

Unterwegs habe ich plötzlich Netz. Die Nachrichten trudeln auf meiner mongolischen SIM-Card ein.

Ich erfahre, dass meine Cousine ganz plötzlich gestorben ist. Während der langen Autofahrt habe ich Zeit, mir über das Leben und die Endlichkeit Gedanken zu machen, auch die eigene. Das Bewusstsein, nicht mehr ewig Zeit zu haben, um alles zu erleben, was man noch möchte, wird von Jahr zu Jahr stärker. Manches wird man nicht mehr schaffen, dafür wird anderes kommen, womit man nicht rechnet, erfreulich oder unerfreulich, wer weiß es. Jedenfalls ist Aufschieben immer weniger eine Option.

Nachmittags fahren wir in die Berge zu einem kleinen buddhistischen Tempel, der  sich malerisch am Ende eines engen Tals an die Felsen schmiegt. Auch er ist ein armseliger Ersatz für ein Kloster, dass in der „religionslosen Zeit“ von den Kommunisten niedergebrannt worden ist. Die Priester der Klöster wurden zum größten Teil erschossen oder lebendig begraben, die Schätze vernichtet, bis auf wenige Reste, die einzelne Mönche oder deren Familien versteckt oder vergraben hatten. Kulturrevolution auf mongolisch, es müssen auch hier unfassbare kulturelle Werte zugrunde gegangen sein.

Wir wandern zurück zum Camp, wo wir kalt duschen, da es erst ab 20.30 Uhr warmes Wasser gibt. Falls. es. überhaupt. Zum Abendessen gibt es Buuz, mongolische Teigtaschen, fleischgefüllt, ganz lecker, falls man Fleisch mag.

 

19.8.

In der Nacht tost der Wind um die Jurte, begleitet von Wetterleuchten, die Welt scheint unterzugehen, zumindest fürchte ich, dass die Jurte wegfliegt. Die ist aber stabil und bewegt sich nicht. Irgendwann schlafe ich ein.

Das Morgenlicht über der Ebene und in den Felsen verzaubert mich. Der Moment, in dem ich die Tür öffne und herauskrabble ins taufrische Gras, gebadet in die ersten Sonnenstrahlen mitten in der Natur, entschädigt für die Unbequemlichkeiten der Nacht. Das ist der Moment, in dem ich Leute verstehe, die Campen mögen.

Wir fahren über endlose Sandpisten zum Ögii-See, begleitet von Schafen, Ziegen, Kühen und Pferden, die vor uns die Fahrbahn kreuzen oder am Rand neugierig beobachten, wer da noch so kommt. Auch die ersten Kamele stehen am Wegesrand.

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Die Weite der kargen Landschaft ist grandios. Ein Spaziergang um den riesigen See führt uns zu Vogelparadiesen und einer mumifizierten Kuh , Schilf und einer mongolischen Familie auf Badeausflug.

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Duschen geht wieder nur abends, mehr Strom speichern die Solarzellen nicht. Die Jurten werden nicht luxuriöser.

20.8.

Je weiter wir uns von Ulan Bator entfernen, desto schlechter werden die Straßen. Man kann schon kaum mehr von Piste reden. Die Schlaglöcher sind mannshoch, teilweise fahren wir über ungespurte Wiesen und durch trockene Flusstäler. Es ist mir schleierhaft, wie die Fahrer immer die Orte finden, Beschilderungen existieren nicht.

Unser Ziel ist Tsetserleg, die Kreisstadt eines Aimags, d.h. Bezirks. Hübsche bunte Dächer kündigen den Ort an, der am Fuß eines Berges liegt.

Die Innenstadt ist weniger malerisch. Wir besuchen einen Markt, der nicht ansatzweise an die Vielfalt südostasiatischer Märkte herankommt. Es gibt einiges an Milchprodukten, getrockneten Quark in allen möglichen Formen, eine Fleischabteilung, ein paar wenige Stände mit Obst und Süßigkeiten und die örtlich wohl wachsenden schwarzen Johannisbeeren.

Es ist schwierig, mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Kein Mensch kann Englisch, die Schrift ist abgewandeltes Kyrillisch, außer sich anlächeln geht eigentlich gar nichts. Und das tun die wenigsten. Ich habe den Eindruck, dass die Mongolen uns bestenfalls völlig uninteressant finden. Das ist das erste Mal, dass ich in einem Land bin, in dem ich mich nicht freundlich aufgenommen fühle. Selbst die im Tourismus tätigen Leute, die in den Jurtencamps arbeiten, ignorieren uns geflissentlich. Kaum einer lächelt freundlich, der Eindruck von Unnahbarkeit entsteht.

In einem alten Kloster findet sich das Aikhangar Aimag Museum für Alltagsgegenstände, sehr hübsch aufgebaut mit vielen Exponaten und hübschen, naiven Bildern, auf denen der Gebrauch der einzelnen Gegenstände erklärt ist.

Unser heutiges Ziel ist nach einer weiteren Fahrt von 180 km ein Monolith in einem Flusstal, der Taikhar Rock, in den viele alte Schriften eingraviert sind, die aber leider zum Großteil entweder völlig verwittert sind oder von modernen Graffiti übermalt. Er steht einsam in der Landschaft, falls man die Touristen und die Ger-Camps drumrum abzieht.

Wir spazieren zu mehreren das Flusstal entlang, bis uns Millionen Mücken zum Umkehren zwingen.

Hier gibt es gute, heiße Duschen, eine Wohltat. Dafür sind die Matratzen eine Zumutung, etwa 3 cm dick auf ungleich hohen Brettern. Man kann anscheinend nicht alles haben.

 

 

 

Ulaan Bataar

15./16.8.2018

Der Flug  mit MIAT, der mongolischen Airline, war unspektakulär. Der Service hielt sich in engen Grenzen, aber wir sind sicher angekommen. Auch was wert.

In Ulan Bator wurden wir zuerst in unser Hotel Khabu gebracht, eine Absteige mit 70er-Jahre Charme, der man ansieht, dass sie seitdem nicht mehr renoviert worden ist. Interessant vor allem, dass man die Nachttischleuchten nur durch Drehen der jeweiligen Birne an- und ausschalten kann.

Dort gab es ein passables Frühstück, bevor es losging mit der Besichtigung der geradezu surreal häßlichen Stadt. Sozialistischer Realismus in Reinform, will sagen Plattenbauten überall, ohne jedes städtebauliche Konzept irgendwie in die Landschaft gestellt, dazwischen Hütten, Jurten, Einkaufszentren und – Achtung! Besonderheit!- fünf Kohlekraftwerke mitten in der Stadt mit den dazu gehörigen Schornsteinen.

Da es sich um die kälteste Hauptstadt der Welt handelt, die dazu noch eingebettet zwischen Bergen liegt, ist im Winter ein derartiger Smog, dass die Leute ihre Kinder nach Möglichkeit aus der Stadt schaffen, damit die den Winter überleben bzw. nicht dauerhaft Schaden nehmen an den Atmungsorganen. Man muss da nicht länger als einen Tag sein.

Der größte Platz ist der Sukhbataar Square, ich verstehe am Anfang nur immer Zuckerbäcker-Platz, aber das ist sicher nur meinem Gehör, nicht der Aussprache von Jargal, unserer Reiseleiterin, geschuldet. Er ist riesig und hat seinen Namen von dem Reiterstandbild in der Mitte. Das zentrale Gebäude, der Regierungspalast, wird dominiert von einer Dschinghis Khan Statue, was sonst.

Wir besuchen das Nationalmuseum, das sich mit mongolischer Geschichte befasst, im Wesentlichen also mit den drei Reichen, dem Turk-Reich im 8. Jahrhundert, das Weltreich Dschingis Khans im 13. Jh. und die Yuan-Dynastie Kublai Khans ab 1271. Das Museum ist sehr interessant, leider waren wir alle vom Flug noch so übermüdet, dass wir nicht allzu viel mitbekommen haben. Vor uns war eine koreanische Gruppe, deren Guide so laut und so lange in sein Mikro geplärrt hat, dass wir schließlich überholt und einige Teile ausgelassen haben.

Das eigentlich geplante Palastmuseum haben wir dann einvernehmlich zugunsten von etwas Schlaf gestrichen.

Gegen Abend hatten wir Karten für eine Theatervorführung mongolischer Kultur. Ich habe ja schon einiges gesehen an solchen Darbietungen und habe erst überlegt, ob ich einfach weiterschlafen soll. Dann bin ich doch aufgestanden, damit ich in die Zeit reinkomme. Zu meiner grenzenlosen Überraschung war die Vorführung hervorragend. Beeindruckt hat mich vor allem der Kehlkopfgesang, eine Technik, die nur in männlichen Kehlköpfen möglich ist und bei der der Sänger Ober- und Untertöne trennen kann und jeweils in eigenen Melodien singt. Das muss wahnsinnig anstrengend sein und klingt, als ob mindestens zwei Leute gleichzeitig singen, einer mit einer Grundmelodie, der andere mit Vogelzwitschern, Bachrauschen etc. darüber. Sowas habe ich noch nie gehört. Toll.

Das Abendessen mit Lammkoteletts und Kartoffelpüree war so ähnlich wie das Mittagessen, statt Lamm gab es da Rind und dazu gebutterten Milchtee, ganz interessant, aber gewöhnungsbedürftig.

17.8.

Unser Weg führte uns zunächst ins tibetisch-buddhistische Gandan-Kloster in Ulan Bator.  Der mongolische Buddhismus ist ein Ableger des Gelbmützen Buddhismus Tibets, vermischt mit lamaistischen Traditionen und einer guten Portion Schamanismus. Der Dalai Lama wird überall hoch verehrt. Interessante Mischung, einige hinduistische Elemente sind natürlich auch enthalten, so dass eine ganz eigene Art der Verehrung des Buddha herauskommt.

Das Kloster wurde während der  „religionslosen Zeit“ , der Kulturrevolution der Mongolei in den Jahren 1924-29, auf die Grundfesten niedergebrannt. Das einzige, was davon übrig ist, ist ein Baumstamm, der heute als heiliger Wunschbaum verehrt wird. Der Rest ist ein Wiederaufbau, der nur ansatzweise wiedergibt, wie das Kloster früher ausgeschaut hat.

Wir fahren mit russischen Kleinbussen aus der Stadt heraus. Jeder Bus fasst 6 Personen, so dass die Gruppe mit 15 Leuten gut verteilt ist. Auf dem Weg zum Chustain Nuruu-Nationalpark platzt unserem Gefährt ein Reifen, was uns die Gelegenheit gibt, eine riesige Ziegenherde zu beobachten, über uns schweben Milane und peilen die Lage im Mäuseversteck.

Beim nächsten Stopp sehen wir eine buddhistische Wegmarke, der die Leute Steine hinzufügen, kleine Geldscheine oder sonstige Glücksbringer, um eine gute Weiterreise zu haben.

Im  Nationalpark beziehen wir die ersten Jurten. Es ist heiß, kein Schatten weit und breit. Die Landschaft ist weit, endlose Hügel, Wildkräuter und Gräser prägen die Vegetation. Millionen lästige Fliegen beißen und schwirren um uns herum, wohl dem, der Mückenschutzmittel dabei hat.

Nachmittags besuchen wir die Przewalski-Pferde, die 1969 zuletzt freilebend gesehen wurden, aber durch Weiterzüchtungen in europäischen Zoos wieder ins Leben gefunden haben. 1992 wurden einige Exemplare hier ausgewildert, die sich offenbar wohlfühlen und sich seither stark vermehren.

Als wir losfahren möchten, springt unser Auto nicht an. Trotz intensiver Bemühungen des Fahrers. Wir steigen um und quetschen uns in die anderen Busse, in der Hoffnung, dass der Fahrer über Nacht eine Lösung des Problems findet.