Bologna

10.7.2020

Endlich wieder ins Ausland, und noch dazu ins schönste Ausland, das wir in der Nähe haben. Die erste Reise nach dem Corona-Schock und Lockdown, natürlich nach Italien, wo jeder jetzt davon erzählt, dass es so gut wie keine Touristen gibt und man in aller Ruhe alle Sehenswürdigkeiten anschauen kann, ohne zerquetscht zu werden. Ich erinnere mich gut an Venedig vor drei Jahren, als ich nicht zur Rialto-Brücke vorgedrungen bin, die Menschenmassen hatten alles blockiert.

Durch Österreich kommen wir gut durch, keiner hält uns auf, keiner kontrolliert irgendwas, es ist wie immer, nur die Brenner-Autobahn hat die Preise auf 10.- EUR erhöht. Wir fahren durch bis zur Autobahn-Raststätte Modena, auch da erscheint alles normal bis auf die Maskenpflicht im Café, aber die haben wir daheim ja auch, aus gutem Grund.

In Bologna, unserem ersten Ziel, checken wir nach etwas Irrfahrt im Hotel Internazionale ein, ein nettes Stadthotel im Zentrum, das Zimmer ist schön und groß genug. Wir laufen los zur Piazza Maggiore . An dem von Arkaden gesäumten Platz mit seinen Cafés und Palästen aus dem Mittelalter und der Renaissance findet sich das Rathaus, der Neptunbrunnen und die Basilika San Petronio, der Dom der Stadt. Mit ihren gewaltigen Dimensionen ist sie die fünftgrößte Kirche der Welt, mit einem umbauten Raum um 258.000 m³ die größte Backsteinkirche überhaupt. Sie verfügt über 22 Kapellen und dominiert den Platz, der zur Zeit in ein Freiluftkino verwandelt worden ist.

Wir laufen weiter zu den beiden markanten Türmen Garisella und Asinendi, zwei mittelalterliche schiefe Türme, die Reste der früher zahlreich vorhandenen Geschlechtertürme der Stadt.

An der Piazza Santo Stefano ruhen wir uns in einer Bar aus, bei Aperol Spritz, Chips und Oliven. Dass der Kellner noch Häppchen vorbeibringt, erfreut uns natürlich sehr. Wir bestellen noch einen Spritz und genießen den lauen Abend. Dann schlendern wir weiter durch die Stadt mit ihren roten Gebäuden und belebten Sträßchen, kehren in einem kleinen Restaurant ein und beschließen den Abend mit Spaghetti und Weißwein.

11.7.2020

Im Hotel ist das Frühstück aufgeteilt in ein Buffet, das aus verpackten Einheiten besteht, frische Croissants und Cappuccino muss man beim Kellner bestellen, es gibt nur Plastikbesteck und Teller muss man auch anfordern. Alles ein bisschen seltsam, aber geht schon.

Wir machen uns auf den Weg zum Palazzo d’Archiginnasio, dem ersten festen Sitz der bereits seit dem 11. Jahrhundert bestehenden Universität Bologna. Er ist prächtig ausgestattet, vor allem der Anatomiesaal Teatro Anatomico aus 1637 und der Stabat-Mater-Saal in der Bibliothek sind beeindruckend.

Bevor wir dort angekommen sind, hat uns ein Kleider- und Schuhemarkt eingesogen, immer auf der Suche nach Sommerklamotten. Viel haben wir nicht gefunden, es ist doch hauptsächlich billiger Schrott, der dort verkauft wird, aber ein Sommerkleid für mich und eine Handtasche für meine Schwester war dann doch dabei. Später habe ich dann auch noch ein Tascherl gefunden, allerdings nicht auf dem Markt. Immerhin, etwas Beute haben wir gemacht.

Zum Mittagessen sitzen wir in einer kleinen Straße, hier sind viele Teile der Altstadt Fußgängerzone. Die Kulisse ist zauberhaft, die Straßen gesäumt von Arkaden, unter denen sich die verschiedensten Geschäfte verbergen, so dass man im Schatten einkaufen kann. Überall stehen kleine Bartische auf den Gehwegen, es ist eine Freude, dort zu sitzen und den Leuten beim Sein zuzuschauen.

Die Stadt ist erstaunlich homogen. Zwar ist auch Bologna im 2. Weltkrieg bombardiert worden, aber anscheinend wurde vieles originalgetreu wieder aufgebaut. Große Teile der Altstadt sind von der historischen Stadtmauer umgeben, mächtige Tore zeugen von der wohlhabenden Vergangenheit.

12.7.

Nach dem etwas lausigen Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Cinque Terre.

Der Berg, die Kuh, der Mensch

4. Juli 2020

Wir stehen um 5.30 Uhr auf, nicht eben meine Zeit, aber für’s seelische Wohl kann man das schon mal machen. Ziel ist eine Bergwiese mit angrenzender Kuhherde und Blick auf die Schlierseer Bergwelt. Geplant war, den Sonnenaufgang barfuss im Gras zu erleben, das Gras zu spüren und mit allen Sinnen den Morgen wahrzunehmen. Guter Plan für Juli, leider ist es eisig wie im November, der Nebel hängt in den Bergen und es schaut nach Regen aus. Michaela ist allerdings der Meinung, dass das nichts macht, eine halbe Stunde barfuß laufen hat noch keinem geschadet und das kann man auch im Schnee machen, ohne sich zu erkälten. Also gut.

Die Kühe starren uns neugierig an, als wir auf der Wiese herumlaufen und versuchen, Steine und Disteln zu umgehen und uns auf das Gefühl unter den Füßen zu konzentrieren, dabei tief die reine Bergluft zu atmen und den Blick in die Natur schweifen zu lassen. Der Sonnenaufgang findet hinter den Wolken statt, es wird langsam heller. Nach einer halben Stunde gehen wir in den Meditationsraum und sitzen dort noch eine Weile bis zum Frühstück. Weil das Wetter so schlecht ist, verlegen wir die Meditationseinheit vom Nachmittag vor, so dass die geplante Bergwanderung dann nach dem Essen stattfindet, als der Regen nachläßt.

Wir meditieren zu einer Übung, die uns dazu bringen soll, Unangenehmes loszulassen. Wir stellen uns einen Wasserfall vor, der über uns prasselt und alles abwäscht, was uns belastet. Ich bin gut dabei, aber meine Füße werden zu Klumpen und meine Hüfte schmerzt. Die Übung dauert sehr lang, es ist anstrengend, aber interessant, was so an Empfindungen und Gedanken hochkommt, wenn man sich zwingt, dabei zu bleiben.

Nachmittags wandern wir zur Bodenschneidhütte, es hat aufgehört zu regnen, wenn auch der Pfad glitschig und steil ist. Der Rückweg durch den Wald ist schwierig, die überall herausstehenden Wurzeln sind nass und es besteht die Gefahr, auszurutschen. Trotzdem genießen wir den Weg durch die Bergwelt.

 

5. Juli 2020

Heute dürfen wir bis 6 Uhr schlafen, wir gehen erst eine halbe Stunde später raus. Wir stellen uns auf die Wiese und versuchen, uns wie ein Berg zu fühlen. Jahrtausende stehen wir da und beobachten still die Geschehnisse, ohne sie zu bewerten. Das klappt ungefähr fünf Minuten. Dann kommen die Kuhglocken näher. Und näher. Wir hören die Kühe atmen. Spätestens dann drehen sich doch alle um und wir stellen fest, dass die Kühe um uns herum stehen und uns neugierig anstarren. Eine fasst sich ein Herz und schnuppert an Patricia. Die streichelt die Kuh, die Kuh freut sich und Patricia auch. Die anderen Kühe beobachten, ohne zu bewerten, die Vorgänge. Es nieselt. Der Berg steht da und ist Berg. Wir amüsieren uns, sind eher sehr menschlich am Kichern als am Berg-sein und gehen dann mal frühstücken.

Unser Quoten-Mann stellt fest, dass Meditierende ganz anders sind, als er sich vorgestellt hat. Er dachte, man muss irgendwie ‚heilig‘ sein, also wohl  etwas weltfremd und tief spirituell. Na ja, die Vorstellung hat er abgelegt. Bei diesem Seminar sind lauter Power-Frauen, die voll im Leben stehen und keine Spur von abgehoben. Die wollen eher einem Burn-Out vorbeugen und zur Ruhe kommen als schwebende Feen sein, die fern der realen Welt existieren.

Bei unserer letzten Meditationseinheit denken wir über das Thema der am Vortag gezogenen persönlichen Karten nach. Glück. Was ist Glück? Was ist mir wirklich wichtig? Wann fühle ich mich lebendig? Was gibt dem Leben Sinn? Die alten Fragen der Menschheit.

Dann steigen wir auf den Gipfel der Bodenschneid. Der Blick von dort über den Tegernsee ist spektakulär und die Sonne kommt raus.

Der Rückweg führt über den Grat des Berges zur Unteren Firstalm. Da gibt’s Rhabarber-Kaiserschmarrn mit Kürbiskernöleis. Ein würdiger Ausklang.

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Bergmeditationen am Spitzing

3. Juli 2020

Michaela lädt ein zu einem Meditations-Seminar. Acht Frauen und ein Mann kommen, dazu noch Michaelas Mann Klaus, der aber nicht mitmeditiert, sondern uns durch die Berge führt. Am Spitzingsee führt ein Weg zur Oberen Firstalm, gemeinsam wollen wir aufsteigen und dort ein Wochenende der Meditation und des Naturgenusses verbringen.

Am Parkplatz Spitzingsattel findet der mega-unfreundliche Parkwächter, wir stehen zu weit auseinander. Alle müssen ihre Autos umparken, näher zusammen, so dass man gerade noch aussteigen kann. Bei manchen braucht es mehrere Anläufe, bis er zufrieden ist. Da hilft nur im Geist ‚OOOMMM‘ zu singen, aber das wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht, das Seminar fängt ja erst heute Abend an. Also versuchen wir erfolglos zu diskutieren und parken dann resigniert um, so dass er einen halben Parkplatz auf der Fläche gewinnt.

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Unser Gepäck, insbesondere die Yogamatten, dürfen wir in einen Container stellen, der zur Hütte hinaufgefahren wird, so dass wir nur mit einem kleinen Rucksack beladen den Aufstieg angehen. Die Bergtour dauert etwa 40 Minuten, es hält sich also in Grenzen mit der Anstrengung. Die Belohnung wartet oben: Die Alm ist frisch renoviert, wir bekommen alle moderne Zimmer mit nagelneuer Inneneinrichtung und schönen Bädern, Blick auf Wiesen, Felder und Berge und im Hintergrund läuten die Kuhglocken. Es ist ein Traum.

Bevor wir allerdings die Zimmer beziehen, gibt es rustikale Kost, riesige Portionen deftiger Hüttenküche. Meine Schwammerl mit Knödel reichen locker für den Rest des Tages, wenn nicht länger. Bergluft macht allerdings hungrig.

Nach dem Essen eine erste Einheit Meditation. Michaela unterrichtet uns vorab in der Theorie, erklärt Sinn und Zweck der Übungen und stellt uns das Seminar vor. Meditation ist eine Methode, den Alltag für eine kurze Zeit hinter sich zu lassen, sich auf das eigene Wohlbefinden zu konzentrieren und dabei zu lernen, dem Unterbewusstsein zu lauschen. Um das zu erreichen, braucht es natürlich viel Übung. Ziele, die man keinesfalls in einem Wochenendseminar erreichen kann. Sie wird uns also verschiedene Meditationstechniken zeigen, was jeder von uns dann für sich angenehm und sinnvoll findet, muss er selbst herausfinden.

Ich habe ja viel Übung. Regelmäßiges Meditieren ist mir nichts Neues, wenn ich auch eher bescheidene Erfolge erziele. Das wiederum ist auch nicht so schlimm, es geht nicht um Leistungssport, sondern um innere Einkehr und zur Ruhe kommen. Nach einiger Zeit fühlt sich die tägliche Viertelstunde wie ein Stück Urlaub an, vor allem, wenn man den ganzen Tag einen stressigen Job oder eine hektische Familie hat. Was andere so erzählen über ihre tollen Erlebnisse während der Meditationen kann ich leider nicht nachvollziehen, aber ich mag den Zustand, der an die Minuten vor dem Einschlafen erinnert, nicht schlafend, aber auch nicht wach, und immer bemüht, Körper und Geist zur Ruhe kommen zu lassen.

Zunächst versuchen wir also, unseren Geist zu beobachten und Gedanken, die auftauchen, auf eine Wolke zu setzen und wegzuschieben. Dabei tauchen unwillkürlich ganz viele verschiedene Überlegungen und Bilder auf, deren Bedeutungslosigkeit man dem eigenen Hirn erst erklären muss: „Lieber Geist, es ist schön, dass du mir diese Gedanken schickst, um mich von der Tatenlosigkeit abzuhalten, aber jetzt gerade passt es nicht. Also lass mich jetzt mal eine halbe Stunde in Ruhe, danach darfst du gern wieder alles ansprechen, was dir einfällt. Deal?“ Tja, der Geist ist eher unwillig und hält sich allenfalls ein paar Sekunden an den Deal. Aber das wird mit der Zeit besser, nach ein paar Monaten geht es schon um mehr Sekunden. Zum Dalai Lama ist es noch ein weiter Weg.

Nach dem Kaffee die nächste  Übung:

Eine geführte Meditation, bei der Michaela uns in eine Geschichte eintauchen lässt, die uns an die Grenze des Unbewussten führt, wenn nicht darüber hinaus. Einige haben Schwierigkeiten mit dem langen Sitzen im Schneidersitz und legen sich auf die Matte. Von denen gehen ein paar über die Grenze, was man am leichten Schnarchen feststellen kann. Macht auch nichts, die sind halt richtig entspannt. Mir schlafen hauptsächlich die Füße ein, was ich allerdings auch erst merke, als sie uns wieder zurückholt in den Wachzustand. Dummerweise habe ich mein Meditationskissen daheim vergessen und so lange auf einem Handtuch zu sitzen ist doch recht anstrengend.

Zum Abschluss darf jeder eine Karte ziehen, die ein Thema vorgibt, mit dem man sich während des Wochenendes beschäftigen soll. Meine heißt: ‚Glück. Was ist dir wirklich, wirklich wichtig? Finde es heraus und wirf dich mit aller Zärtlichkeit und Leidenschaft darauf!‘ Na denn!

Dann gibt’s Abendessen, wieder sehr bodenständig und viel zu viel, das Leichteste, was zu finden ist, ist Backhendlsalat. Vegetarier haben hier wenig Chancen, man könnte vielleicht Backhendlsalat ohne Backhendl bestellen oder Kartoffelpuffer, auch nicht gerade Diätkost.

Die abendliche Lichtmeditation ist wunderschön. Jeder hat eine Kerze vor sich, die er/sie beobachtet und dabei versucht man, sich auf dieses Licht zu konzentrieren. Mit der Zeit verschwimmen die Konturen, das Gesichtsfeld engt sich ein und die Gedanken kommen zur Ruhe. Perfekt vor dem Schlafengehen.