Los Gigantes

18.3.2021

Langsam komme ich auch hier an. Das merke ich daran, dass ich entspannter werde. Die ersten Urlaubstage sind ja immer eher hektisch, man rennt rum, versorgt sich mit dem Nötigsten (Kaffee, Tee, Schokolade, Obst…) und versucht, so viel wie möglich zu unternehmen. Also, jedenfalls ich bin so. Wenn ich dann langsam einschwinge auf Urlaub, lässt das alles nach. Mein Zeitplan verschiebt sich nach hinten, heißt, ich stehe später auf, komme nicht zum Morgen-Yoga, weil das Buffet sonst zumacht, danach gehe ich lieber schwimmen. Die Wanderung verschiebe ich auf den Nachmittag und hau‘ mich erst mal auf eine Liege am Pool und lese einen Thriller, der nichts zur Bildung beiträgt, aber sehr spannend ist.

Mittags denke ich, na, jetzt könnte ich ja mal losgehen so langsam. Aber ich hab eigentlich Hunger. Hm, hungrig wandern ist auch nichts. Also in die Bar und Sandwich essen. Danach muss ich natürlich erst mal auf der Liege verdauen und Buch weiterlesen. Dann nochmal schwimmen. So geht der Tag rum.

Julia hat keine Zeit heute, deshalb versorge ich mich abends selber und hole mir einen eher labbrigen Salat im Supermarkt. Dazu eine Orange und ein paar Kekse, muss reichen für heute. Auf Essengehen hab ich keine Lust.

19.3.2021

Mein Sonnenbrand von gestern verträgt eine Pause. Heute mache ich die Wanderung, zu der ich gestern nicht gekommen bin, gleich nach dem Frühstück. Ich packe also meinen Rucksack und stiefele los Richtung Bollullo-Strand im Osten. Mein Plan ist, dem Küstenweg etwa eine Stunde lang zu folgen, dann umzukehren und am Strand eine Pause einzulegen.

Links und rechts des Weges erstrecken sich Bananenfelder, Palmen und im Hintergrund die hohen Berge. Ich spaziere bergauf, bergab, bis zu der Bucht, in der der Strand liegt. Als ich runterschaue, stelle ich fest, dass vom Strand nicht viel zu sehen ist, weil Flut. Ein kleiner Streifen ist trocken, der Rest wird von Wellen überspült.

Natürlich könnte ich mich jetzt auf einen Felsen setzen, aber das ist mir eindeutig noch zu früh, ich bin erst etwa eine halbe Stunde unterwegs. Also setze ich den Weg fort, gehe um die Bucht herum und stoße an eine Absperrung. Na toll. Eine Strecke, die um die Bucht herumführt und dann wieder auf einen Wanderweg führt, ist nirgends zu sehen, jede Straße führt in eine Einfahrt oder auf einen Parkplatz. Der Umweg müsste wohl großräumiger sein, entlang der Landstraße, und wo man dann landet, ist offen. Also gehe ich wieder zurück und schwimme ein bisschen.

Am späten Nachmittag hole ich Julia ab, wir fahren über die landschaftlich schöne, aber wegen exzessiver Kurven anstrengende Straße nach Los Gigantes, eine dramatische Steilküste im äußersten Westen der Insel. Der Weg führt über hohe Berge, durch das Teno-Gebirge hindurch in die kleine Ortschaft mit Aussichtspunkt auf die Felsen. Abgesehen davon, dass es Julia auf der kurvigen Strecke schlecht ist, eine wunderschöne Fahrt.

Danach wollen wir nach El Medano, ein Urlaubsort im Süden, zum Shoppen und Abendessen. Das Städtchen ist nicht ganz so häßlich wie viele andere hier, vor allem ist reges Leben auf den Straßen und Plätzen. Wir kehren in einem netten Strandlokal ein, freuen uns am Anblick von anderen Menschen (so weit ist es gekommen!) und genießen den Blick auf’s Meer. Es wird dunkel, die Läden schließen. Shopping für heute gecancelt. Egal, wir spazieren trotzdem durch Fußgängerzone und Hafen, bevor wir sehr knapp vor der Ausgangssperre (22.00 Uhr) losfahren und schauen, dass wir noch einigermaßen rechtzeitig heimkommen. Interessanterweise ist die Autobahn voll, auch um zehn wird es keineswegs leerer. Scheint nicht so richtig ernst zu sein mit der Sperre oder vielleicht gilt eigenes Auto nicht als Ausgang, wer weiß das schon.

 

 

Küstentour

17.3.21

Zu meiner Freude ist der Himmel wolkenlos, als ich früh aufwache. Ich suche mir eine Tour entlang der Küste, um das Meer in seiner tiefen Bläue zu genießen.

Dazu fahre ich zunächst zum Hotel Maritim, wo die Tour startet. Wieder so ein Beispiel der totalen Verschandelung dieser Insel. Zwei Wolkenkratzer direkt an der Steilküste, der Blick von innen ist sicher toll, aber die Ansicht von außen eine Katastrophe.

Die Tour führt zunächst ein kleines Stück an der Küste entlang, dann durch eine Siedlung am oberen Rand auf einen wunderschönen Wanderweg bis zur Casa Hamilton, der ersten Wasserstation auf diesem Teil der Insel. Das Haus ist verfallen, aber malerisch. Der ehemalige Eigentümer hat von da aus die nahen Quellen gesammelt und die Wasserverteilung in der Gegend eingerichtet.

Der Weg führt weiter über einen Palmenwald zum Mirador San Pedro, einem Aussichtspunkt mit – tadaa!- einem Café-Restaurant.  Ich lasse mich nieder, genieße Cafè con leche und freue mich an dem Blick über die Nordküste der Insel.

Dann breche ich wieder auf und folge der Tour, die aber etwas seltsam wird. Anstatt über weitere landschaftliche Schönheiten führt sie nun entlang einer gut befahrenen Straße ohne Gehsteig. Ich denke, wird schon wieder werden, bis ich an der Autobahn Norte stehe und Komoot mich allen Ernstes an dieser entlang leiten möchte. Das halte ich dann doch für etwas zu abenteuerlich. Ich überquere die Straße unterirdisch durch einen passenderweise vorhandenen Tunnel und hoffe, nun wieder auf einen schöneren Weg zu kommen.

Als die Tour dann aber nur durch Ausläufer der Stadt führt, breche ich ab und gehe zu dem Küstenweg zurück. Über einen verbotenen Weg, dessen Absperrung aber von früheren Wanderern zur Seite gedrückt ist, gelange ich zum Auto zurück.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Abends besucht mich Julia und wir gehen erst einen Zaperoco (Kaffe mit Süß und Alkohol) trinken und dann in Titos sehr netter Bodeguita essen.

Wolkenmelker

16.3.21

Der Blick aus dem Fenster verheißt mäßiges Wetter. Es ist bedeckt, die Wolken hängen tief über den Bergen. Baden ist wohl eher nicht, also wandern. Ich suche mir eine Wanderung bei „komoot“, einer Wander- und Radfahr-App, die sehr hilfreich ist, wenn man sich nicht auskennt oder mal etwas Neues ausprobieren möchte. Auf Empfehlung von Julia schaue ich im Gebiet von Aguamansa, das ist nicht weit weg und der dortige Nebelwald soll ganz besonders sein.

Die Straße schlängelt sich den Berg hinauf, das Navi schlägt ein paar sonderbare Abkürzungen über steile Wege vor, die ich aber ignoriere. Die Erfahrung zeigt, dass Navis oft veraltete Karten verwenden oder ein paar Sekunden einsparen zu Lasten einer vernünftigen Route. Angekommen am Parkplatz „La Caldera“ stiefele ich los in den dichten Nebel. Passend zu Nebelwald.

Der Wald ist gespenstisch. Von den Bäumen hängen Flechten herab, es ist absolut still, kein Vogel singt, kein Mensch ist in der Nähe, kein Motorengeräusch, sogar der Wind ist still. Ich komme mir vor wie im Zauberland respektive Horrorfilm. Da ich kein ängstlicher Mensch bin, entscheide ich für Zauberland und gehe weiter. Die Routenplanungs-Ansage führt mich auf verschlungenen Wegen durch den einsamen Wald, bergauf, bergab, was mich am meisten beeindruckt, ist die totale Stille, die mich umgibt. Kein Mensch kreuzt meinen Weg. Auch kein Bär oder so. Nur Vogelzwitschern und Rauschen der Wälder.

Ich komme an einem Gedenkhäuschen und drei Gräbern vorbei.

An einer Kreuzung biege ich offensichtlich falsch ab und lande außerhalb der geplanten Tour, worauf mich die App nach etwa 200 m bergauf hinweist. Ich suche mir einen Pfad in Richtung des angegebenen Weges und stolpere über steile Waldstücke zurück. Ein Stück weiter weist mich die App schon wieder darauf hin, dass ich die „Tour verlassen“ habe. Ich gehe zurück und sehe keine Alternative. Nachdem ich das ein, zwei Mal gemacht habe, fällt mir ein Pfad in einem trockenen Bachbett auf, der mit dem Richtungspfeil der Tourbeschreibung übereinstimmt. Also reingekraxelt und über die Steine geklettert. Nach ein paar hundert Metern – diesmal bergab- ist Schluss. Da geht es definitiv nicht weiter.

Ich kehre um und klettere wieder auf den Wanderweg zurück. Das Navi flippt aus und teilt mir alle 20 m mit, dass ich falsch bin. Na ja, vielleicht falsch, aber dafür sicher.

Nach einiger Zeit bekomme ich die Ansage, dass die Tour nun doch wieder vor mir liegt. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass ich einfach ein Stück abgeschnitten habe. Auch recht. Ich erreiche die Schutzhütte Chosa de Pedro Gil, wo ich Mittagspause mache. Eigentlich ist es bloß ein Unterstand, nichts Spektakuläres, aber überall beschrieben.

Dann laufe ich durch den Wald Richtung Parkplatz. Irgendwann stehe ich vor einer Absperrung. Na toll. Ein Auto nähert sich in dem Moment, in dem ich über den Zaun geklettert bin. War ja klar. Der Mensch scheucht mich raus aus dem Sperrgebiet und zeigt mir einen Pfad nach unten, wo ich wieder auf einen freigegebenen Weg treffe und dann den Parkplatz erreiche.

Danach fahre ich weiter, Richtung Teide Seilbahn. Ich denke mir, wenn ich schon mal in der Richtung unterwegs bin, kann ich das auch gleich mitnehmen. Der Weg ist allerdings wesentlich länger als ich dachte. Dafür ist die Landschaft spektakulär. Nach einiger Zeit komme ich aus dem Nebel heraus, die Wolken liegen unter mir, links und rechts der Straße Felsbrocken und einsame Pfade durch eine lebensfeindliche Landschaft. Über mir der mächtige Teide. Zwischendurch bemerke ich Reste von Schnee am Straßenrand, der Winter ist noch nicht lang vorbei und in der Höhe wird es richtig kalt.

Mehrere Klimazonen liegen hinter mir, von Palmenstrand über Nebel- und Kiefernwald dringe ich vor in schwarze und rote Steinwüsten. Nach einer langen Autofahrt komme ich an der Talstation der Seilbahn an, die aber leider schon zu hat und zudem nur mit einem vorgebuchten Ticket benutzt werden kann.

Ich stelle fest, dass ich brutal hungrig bin, so dass ich trotz der wenig romantischen Location sofort in die Caféteria stürze und zwei Stück Kuchen verschlinge. Offenbar waren der Nussriegel, die Banane und die zwei Mandarinen, die ich für den Tag dabei hatte, nicht so ganz genug. Wie meine Oma schon immer wusste: Bergluft macht hungrig. Sie war eine sehr kluge Frau, anscheinend klüger als ihre Enkelin, die völlig unzureichend versorgt mehrstündige Bergtouren unternimmt und dann noch Roadtrips ohne Pause anhängt. Und sich dann wundert, dass sie frischem Apfelkuchen und Vanillebrezen nicht widerstehen kann.

Gesättigt und zufrieden mit dem schönen Tag fahre ich wieder zurück und mache es mir gemütlich, nachdem ich im nahegelegenen Supermarkt für genügend Proviant gesorgt habe.