Ulaan Bataar

15./16.8.2018

Der Flug  mit MIAT, der mongolischen Airline, war unspektakulär. Der Service hielt sich in engen Grenzen, aber wir sind sicher angekommen. Auch was wert.

In Ulan Bator wurden wir zuerst in unser Hotel Khabu gebracht, eine Absteige mit 70er-Jahre Charme, der man ansieht, dass sie seitdem nicht mehr renoviert worden ist. Interessant vor allem, dass man die Nachttischleuchten nur durch Drehen der jeweiligen Birne an- und ausschalten kann.

Dort gab es ein passables Frühstück, bevor es losging mit der Besichtigung der geradezu surreal häßlichen Stadt. Sozialistischer Realismus in Reinform, will sagen Plattenbauten überall, ohne jedes städtebauliche Konzept irgendwie in die Landschaft gestellt, dazwischen Hütten, Jurten, Einkaufszentren und – Achtung! Besonderheit!- fünf Kohlekraftwerke mitten in der Stadt mit den dazu gehörigen Schornsteinen.

Da es sich um die kälteste Hauptstadt der Welt handelt, die dazu noch eingebettet zwischen Bergen liegt, ist im Winter ein derartiger Smog, dass die Leute ihre Kinder nach Möglichkeit aus der Stadt schaffen, damit die den Winter überleben bzw. nicht dauerhaft Schaden nehmen an den Atmungsorganen. Man muss da nicht länger als einen Tag sein.

Der größte Platz ist der Sukhbataar Square, ich verstehe am Anfang nur immer Zuckerbäcker-Platz, aber das ist sicher nur meinem Gehör, nicht der Aussprache von Jargal, unserer Reiseleiterin, geschuldet. Er ist riesig und hat seinen Namen von dem Reiterstandbild in der Mitte. Das zentrale Gebäude, der Regierungspalast, wird dominiert von einer Dschinghis Khan Statue, was sonst.

Wir besuchen das Nationalmuseum, das sich mit mongolischer Geschichte befasst, im Wesentlichen also mit den drei Reichen, dem Turk-Reich im 8. Jahrhundert, das Weltreich Dschingis Khans im 13. Jh. und die Yuan-Dynastie Kublai Khans ab 1271. Das Museum ist sehr interessant, leider waren wir alle vom Flug noch so übermüdet, dass wir nicht allzu viel mitbekommen haben. Vor uns war eine koreanische Gruppe, deren Guide so laut und so lange in sein Mikro geplärrt hat, dass wir schließlich überholt und einige Teile ausgelassen haben.

Das eigentlich geplante Palastmuseum haben wir dann einvernehmlich zugunsten von etwas Schlaf gestrichen.

Gegen Abend hatten wir Karten für eine Theatervorführung mongolischer Kultur. Ich habe ja schon einiges gesehen an solchen Darbietungen und habe erst überlegt, ob ich einfach weiterschlafen soll. Dann bin ich doch aufgestanden, damit ich in die Zeit reinkomme. Zu meiner grenzenlosen Überraschung war die Vorführung hervorragend. Beeindruckt hat mich vor allem der Kehlkopfgesang, eine Technik, die nur in männlichen Kehlköpfen möglich ist und bei der der Sänger Ober- und Untertöne trennen kann und jeweils in eigenen Melodien singt. Das muss wahnsinnig anstrengend sein und klingt, als ob mindestens zwei Leute gleichzeitig singen, einer mit einer Grundmelodie, der andere mit Vogelzwitschern, Bachrauschen etc. darüber. Sowas habe ich noch nie gehört. Toll.

Das Abendessen mit Lammkoteletts und Kartoffelpüree war so ähnlich wie das Mittagessen, statt Lamm gab es da Rind und dazu gebutterten Milchtee, ganz interessant, aber gewöhnungsbedürftig.

17.8.

Unser Weg führte uns zunächst ins tibetisch-buddhistische Gandan-Kloster in Ulan Bator.  Der mongolische Buddhismus ist ein Ableger des Gelbmützen Buddhismus Tibets, vermischt mit lamaistischen Traditionen und einer guten Portion Schamanismus. Der Dalai Lama wird überall hoch verehrt. Interessante Mischung, einige hinduistische Elemente sind natürlich auch enthalten, so dass eine ganz eigene Art der Verehrung des Buddha herauskommt.

Das Kloster wurde während der  „religionslosen Zeit“ , der Kulturrevolution der Mongolei in den Jahren 1924-29, auf die Grundfesten niedergebrannt. Das einzige, was davon übrig ist, ist ein Baumstamm, der heute als heiliger Wunschbaum verehrt wird. Der Rest ist ein Wiederaufbau, der nur ansatzweise wiedergibt, wie das Kloster früher ausgeschaut hat.

Wir fahren mit russischen Kleinbussen aus der Stadt heraus. Jeder Bus fasst 6 Personen, so dass die Gruppe mit 15 Leuten gut verteilt ist. Auf dem Weg zum Chustain Nuruu-Nationalpark platzt unserem Gefährt ein Reifen, was uns die Gelegenheit gibt, eine riesige Ziegenherde zu beobachten, über uns schweben Milane und peilen die Lage im Mäuseversteck.

Beim nächsten Stopp sehen wir eine buddhistische Wegmarke, der die Leute Steine hinzufügen, kleine Geldscheine oder sonstige Glücksbringer, um eine gute Weiterreise zu haben.

Im  Nationalpark beziehen wir die ersten Jurten. Es ist heiß, kein Schatten weit und breit. Die Landschaft ist weit, endlose Hügel, Wildkräuter und Gräser prägen die Vegetation. Millionen lästige Fliegen beißen und schwirren um uns herum, wohl dem, der Mückenschutzmittel dabei hat.

Nachmittags besuchen wir die Przewalski-Pferde, die 1969 zuletzt freilebend gesehen wurden, aber durch Weiterzüchtungen in europäischen Zoos wieder ins Leben gefunden haben. 1992 wurden einige Exemplare hier ausgewildert, die sich offenbar wohlfühlen und sich seither stark vermehren.

Als wir losfahren möchten, springt unser Auto nicht an. Trotz intensiver Bemühungen des Fahrers. Wir steigen um und quetschen uns in die anderen Busse, in der Hoffnung, dass der Fahrer über Nacht eine Lösung des Problems findet.

 

 

 

 

Zen

Ab und zu muss man mal etwas Neues ausprobieren, damit’s nicht langweilig wird. Also habe ich mich mit meiner Freundin Elke bei einem Zen-Meditations-Seminar im Bayerischen Wald angemeldet.

Das hat zum einen den Charme, dass ich noch nie im Bayerischen Wald war (Schande, ich weiß!) und schon lang mal da hinfahren wollte. Das Seminarhaus liegt mitten im Nationalpark, auf einer Lichtung im tiefen Wald, zwischen dunklen Fichten, begrenzt von einem Flüsschen, der Flanitz. Ein extrem friedlicher und ruhiger Ort. Außer Vogelzwitschern hört man nichts, beim Spaziergang über die Wiese gluckert der Bach, gelegentlich wiehert ein Pferd vom nahegelegenen Reiterhof. Die Stille ist absolut, fast wie in der Wüste, nur ist es die Stille eines der letzten Urwälder Europas, der uns umgibt.

Zen-Meditation hat mich auch schon immer interessiert, diese ganz strenge Form mit durchgehendem Schweigen wollte ich schon lang mal ausprobieren.

Das Seminar geht von Freitag nachmittag bis Sonntag mittag. Es beginnt mit dem Abendessen, da dürfen wir noch ein bisschen reden und unsere Tischnachbarn kennen lernen.  Dann gibt es eine kurze Einführung, ab da herrscht Schweigen. Am Abend haben wir schon die ersten zwei Einheiten Meditation mit je 25 Minuten, dazwischen Gehmeditation. Alles wird von vielen Verbeugungen vor dem eigenen Platz, der Gruppe, dem Meister und dem Altar begleitet. Die ritualisierten Verbeugungen geben den Meditationen einen Rahmen und strukturieren das Ganze. Gesprochen wird nicht, nur der Meister darf zwischendurch Ansagen machen oder etwas erklären.

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Ungewohnt ist vor allem das Schweigen beim Essen. Wir sitzen mit völlig Fremden am Tisch und dürfen uns nicht austauschen. Dafür konzentrieren wir uns auf die Mahlzeit, die am ersten Abend aus einer hervorragenden Gemüsesuppe und Käsebroten besteht und schmecken jeden Bissen des selbst gebackenen Brots wesentlich intensiver als sonst. Dazu gibt’s Tee aus gartenfrischer Minze.

Die Meditationsrunden finden in einem recht stimmungsvollen Raum mit sehr schönem Parkett statt. Der Altar besteht aus einer verzweigten Wurzel, an der ein Holzkreuz aus zwei Ästen angebracht ist, auf einem Ast steht ein Bodhisattva, auf einem anderen ein tanzender Shiva. Darüber hängt ein Davidstern und eine islamische Kalligraphie. An der Wand dominiert eine große japanische Schriftrolle. Die dunkelblauen Sitzmatten aus Schaumgummi sind für uns vorbereitet, wir dürfen Meditationskissen und Decken darauf ausbreiten, um bequem zu sitzen.  Ich bin überrascht, wie leicht es mir fällt, komplett abzuschalten und über gar nichts mehr nachzudenken. Um halb zehn gehe ich schlafen, bin total platt.

Der Samstag beginnt um 6.15 Uhr mit dem Weck-Gong. Mein Zimmer hat einen schönen Blick nach Osten auf den Garten, eine Blumenwiese. In die Gräser sind Bahnen geschnitten, so dass verschiedene Wege begangen werden können. Das ist wichtig für die Geh-Meditation, die immer zwischen den Sitzungen stattfindet,  entweder streng geregelt im Raum  oder eben freier draußen. Es ist auch einfach schön, auf dem feuchten Gras barfuß zu laufen und jeden Schritt zu spüren. Die Wiese ist recht nass von den Regenfällen der letzten Tage und von dem Feuchtgebiet, das der Bach mit sich bringt. Wir bekommen kalte Füße und fühlen uns der Natur verbunden.

Macht nichts, erst kommt ja die Aufwach-Gymnastik mit einigen Yoga und Chi Gong Übungen. Dann zwei Runden Meditation, dann Frühstück mit heißem, frischgebackenem Brot und selbstgemachtem Frischkornmüsli.

Der Tag läuft gut. Es ist sehr interessant, dass wir ja eigentlich den ganzen Tag mit kurzen Unterbrechungen nur mit halbgeschlossenen Augen dasitzen, in den Pausen im Garten auf und abgehen und nicht reden und trotzdem ist es nicht langweilig. Anstrengend, ja, das Sitzen im gekreuzten Sitz ist sehr fordernd für den Rücken, man soll ja immer gerade sitzen. Manche holen einen Stuhl, geht auch, andere sitzen im Kniesitz auf einem Bänkchen, das ist aber alles nichts für mich. Ich sitze am liebsten im gewohnten Schneidersitz mit ein paar Decken unter den Knien auf einem Meditationskissen.  Ich weiß gar nicht, was ich alles so zusammengedacht habe in der Zeit, da ist irgendwie ein großes Loch. Scheint so, als hätte ich wirklich zeitweise völlig abgeschaltet. Jedenfalls konnte ich das Parkett ausführlich kennenlernen und bewundern.

Während der Vormittagseinheit lernen wir Kelsaku kennen, gezielte Schläge auf die Schultern mit einem Holzstock. Sie dienen dazu, den Meditierenden wieder aufzuwecken, wenn er abdriftet und seine Energie anzukurbeln. Interessant. Man bittet den Meister per Handzeichen, dass man auch einen Schlag möchte, er kommt und man bietet ihm  erst die eine Schulter dar, dann die andere. Es tut nicht weh und energetisiert sofort. Die Nackenmuskeln lassen sofort nach, Entspannung folgt.

Nachmittags ein Highlight: Das Doxan, ein Einzelgespräch mit dem Meister. Das ist auch stark ritualisiert, man verbeugt sich andauernd und er muss das Gespräch beginnen. Ich frage ihn, ob ich was falsch mache, weil ich seit Jahren regelmäßig mit und ohne Gruppe meditiere und nicht die Spur von gefühlsmäßigen Höhen und Tiefen durchlaufe wie anscheinend viele andere. Ich finde es erholsam, morgens macht es mich wach, bei so einem Seminar genieße ich die Gemeinschaft und die Stille, aber das war’s dann auch schon. Keine Tränen, keine Gefühlsausbrüche, keine überraschenden Botschaften aus dem Unterbewusstsein, nix. Ich sitze halt da und fühle mich wohl oder langweile mich oder denke irgendwas zusammen oder beobachte meinen Atem, Körper und versuche, präsent zu sein. Mehr passiert da nicht. Er ist ein bisschen ratlos und meint, ich soll weiter üben oder vielleicht sei Meditation nicht mein Weg. Oder ich habe so starke Barrieren zwischen Kopf und Bauch, dass irgendwann alles auf einmal aufgeht. Tja. Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor. Abends gehe ich eine Runde spazieren und entdecke die Tierwelt im Urwald.

Wir meditieren weiter. Alles läuft prima, bis zum nächsten Vormittag. Da bekomme ich eine email, über die ich mich maßlos ärgere. Ich Depp hab natürlich wieder zwischendurch auf’s Handy geschaut. Da hat man schon kaum Netz und miserablen Internetzugang und kann sich immer noch nicht beherrschen. Ab da war es dann aus mit der beschaulichen Kontemplation. Der Ärger kreist den ganzen Vormittag in meinem Kopf rum, Konzentration auf den Augenblick unmöglich. Also doch Zugang zu den Gefühlen, nichts mit Gelassenheit.

Beim Mittagessen dürfen wir dann endlich reden und die anderen kennen lernen. Es ist interessant: man sitzt zwei Tage mit 10 Leuten in einem Raum und starrt den Fußboden an, ohne einen Satz mit denen zu sprechen und hinterher fühlt man sich verbunden, als wäre man seit Jahren befreundet. Absolut spannend. Alle sind sich einig, dass das eine extreme Erfahrung war, körperlich und geistig. Manche sind an ihre Grenzen gekommen, vor allem das lange Sitzen hat die Leute erschöpft.

Ob ich das nochmal machen würde? Na klar! In Zeiten totaler Anspannung oder beruflichen Overkills ist das die ideale Übung, um runterzukommen. Allerdings würde ich mein Handy ganz ausschalten, um wirklich weg von allem zu sein. Ich denke aber, länger als 1,2 Tage wäre mir dann doch etwas fad. Wer weiß.

Recoleta

16.3.

Zum Abschluss der Reise möchte ich mir noch den Friedhof Recoleta anschauen, auf dem Evita Peron begraben liegt. Inzwischen bin ich ja Profi in Sachen öffentliche Verkehrsmittel, also werfe ich mich in die U-bahn und fahre dort hin. Der Friedhof besteht aus lauter monumentalen Grabmalen, eines beeidruckender als das andere, Straßenschluchten voller Gräber mit den abenteuerlichsten Skulpturen, von Engeln bis hin zu lebensgroßen Abbildern der Toten, die in den Gruften liegen.

Evitas Grab liegt etwas versteckt, ein netter Mitarbeiter zeigt mir den Weg. An sie, die das Land zu ihrer Zeit massiv verändert hat und nach wie vor ebensoviele Anhänger wie entschiedene Gegner hat, erinnert nur eine kleine Grabplatte auf der Gruft der Duartes. Und, natürlich, die Blumen, die ihre Anhänger an die Tür des Monuments gesteckt haben.

Der Transport zum Flughafen ist für 13.00 Uhr organisiert, ein Wagen der Firma Tienda Leon holt mich im Hotel ab und bringt mich zum Retiro. Dort steige ich in den Bus zum Flughafen, der mich pünktlich abliefert. Der Service kostet insgesamt 355 ARP, das sind, wie bei der Hinfahrt, etwa 15.- EUR. Der Preis für ein Taxi wäre ein Vielfaches.

Argentinien hat mich wesentlich mehr beeindruckt, als ich erwartet habe. Großartige Landschaften, viele sehr freundliche Leute, alles funktioniert perfekt. Ein wunderbarer Einstieg für Südamerika, das Land ist deutlich beeinflusst von den vielen europäischen Einwanderern, wenn auch die Armut in Buenos Aires unübersehbar ist. In keinem europäischen Land habe ich so viele Obdachlose  gesehen wie hier, dabei habe ich natürlich die Problemviertel in der Hauptstadt vermieden. Auf dem Land scheint es besser zu sein, vielleicht erkennt man die Probleme als Tourist aber auch nicht. Da jeder versucht, einem den Aufenthalt angenehm zu machen, wird man natürlich auch nicht darauf hingewiesen.

Hasta luego, Argentina, wir sehen uns wieder.