Stille

Tag 4

„Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“. Reinhold Niebuhr, amerikanischer Theologe, Philosoph und Politikwissenschaftler

Wir beschäftigen uns weiter mit unseren Gefühlen, das Ziel ist, zu lernen, alle anzunehmen, auch die unerwünschten. Es hat keinen Sinn, Gefühle zu unterdrücken oder zu beurteilen und zu bewerten, da der Mensch keinen Einfluss auf seine Gefühle hat, die durch Verdrängung und Verleugnung ja nicht verschwinden, sondern im Unterbewusstsein weiter Schaden anrichten können. Die einzigen Elemente, die wir beeinflussen können, sind unser Denken und unsere Sichtweise, die sich dann auf unsere Gefühle auswirken.

Nach der Seminarstunde haben wir uns im großen Meditationsraum getroffen zu einer ausführlichen Body-Scan-Meditation. Dabei geht man die einzelnen Körperteile durch und konzentriert sich auf die Empfindungen, die man dort spürt (der Fuß liegt mit der Ferse auf dem Boden, die Wade ist platt…) und entspannt dann bewusst. Die meisten sind eingeschlafen oder jedenfalls fast und das ist ja ein gutes Zeichen dafür, dass die Entspannung funktioniert hat.

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Dies sollte der Vorbereitung auf die nächsten 24 Stunden dienen, für die wir uns zum Schweigen verpflichtet haben.

Seit dem Mittagessen schweigen wir. Das bedeutet: nicht sprechen, nicht lesen, nicht schreiben, nicht fernsehen, kein Handy, kein Computer, wir sind allein mit unseren Gedanken und beobachten, was kommt. Die Übung ist, Gefühle wahrzunehmen und sie zu benennen. Das dürfen wir dann auch aufschreiben, aber nur das. Zur Einleitung hat Olga noch eine geführte Meditation gegeben, dann waren wir uns selbst überlassen.

Ich bin noch eine halbe Stunde sitzengeblieben und habe für mich weiter meditiert vor der großartigen Aussicht aus dem Meditationsraum.

Dann war ich einige Stunden spazieren, bergauf zu dem Kloster Cura, von dort über kleine Pfade auf der anderen Seite des Berges hinunter. An einer Stelle mit wunderschöner Aussicht habe ich ein paar Fotos von Blumen und Insekten gemacht und, die Natur genießend, meine Gefühle beobachtet.

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Bisher nichts Dramatisches:  ich versuche, meine widersprüchlichen Gefühle zu sortieren, wie erwartet.  Wie innen, so außen? Außen – tiefer Friede in blühender Natur. Das Schweigen fällt mir leicht, ich genieße es, mich auf niemanden einstellen zu müssen und ganz bei mir sein zu können.

Alle waren abends in der Messe, die Hippolyt auf Mallorquin gelesen hat. Der Kontrast seiner sehr dunklen Haut zu seinem weißen Talar ist schon sehr dekorativ. Um die Messe für uns interessanter zum machen, hat er versucht, seine Predigt simultan vom Mallorquin ins Englische zu übersetzen, was geradezu rührend ist. Dass er die Messe auf Mallorquin hält, finde ich sensationell. Immerhin ist er erst ein Jahr hier.

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Die Tigerkatze hier hat sich in mich verliebt. Sie kommt sofort an, wenn ich auftauche und klettert auf mich rauf. Ich kann sie nicht auf dem Boden liegend fotografieren, weil sie gleich aufsteht und schmusen will. Sie lässt sich nicht abschütteln. Total süß.

Nach dem Essen hat Olga noch vorgelesen, wie jeden Abend kannte sie einige Gute-Nacht-Geschichten. Sie tut alles, damit wir uns wohlfühlen. Wir fühlen uns warm und geborgen.

 

Bleib bei Dir

Tag 2

Heute früh war das erste Seminar.

Vor dem Frühstück waren wir bei schönstem Blick über die Ebene draußen, haben Atem- und Dehnungsübungen zum Aufwachen gemacht. Die Ebene im Morgenlicht lädt dazu ein.

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Olgas Thema heute war im Wesentlichen der Zugang zu den eigenen Gefühlen: Bleib bei dir! Akzeptiere deine Gefühle, die guten und die schlechten und lerne daraus. Nimm wahr, dass du allein für deine Gefühle verantwortlich bist und niemand anders. Mach niemanden für dein Leben und deine Emotionen verantwortlich außer dir selbst. Nur du entscheidest, wie du ein Ereignis  bewertest.

Situationen sind an sich erst einmal neutral (z.B. du verlierst deinen Job oder wirst krank oder dein Partner verlässt dich). Nur durch deine emotionale Bewertung – die von deinem Charakter, deiner Erziehung, deiner Persönlichkeit abhängt – bekommen sie eine Auswirkung. Die kann positiv sein im Sinne von Erkenntnis, dass jede Krise eine Chance darstellt (so ein Glück, dass das passiert ist! Ohne dieses Ereignis hätte ich jetzt niemals diesen neuen, viel besseren Job/erkannt, dass Gesundheit wichtiger ist als alltäglicher Scheiß/diesen tollen neuen Partner kennengelernt/dieses tolle Erlebnis gehabt) oder negativ (immer passiert mir sowas! Wieso erkennt mein Arbeitgeber/Ex nicht, dass ich qualifiziert/zuverlässig/liebevoll/klug/einfach toll bin? Wieso muss ich jetzt wieder krank sein?) oder neutral (was? Ist was passiert? Ach das, dann mach ich halt was anderes/nehm‘ ich eine Pille und leg mich ins Bett/such ich mir einen neuen Partner, der mich mehr liebt).

Na ja, klar ist das nicht so einfach. Wenn man mitten in der Krise versinkt, fällt es extrem schwer, das Positive zu sehen, auch wenn man  theoretisch weiß, dass es wieder besser wird. Und in letzter Konsequenz die volle Verantwortung für alle Gefühle zu übernehmen, die in einem hochkommen (vor allem, wenn man sich schlecht behandelt oder nicht respektiert fühlt), ist wahrscheinlich übermenschlich. Sowas kann nur Jesus oder Buddha oder solche Leute. Wenn alle das könnten, wäre die Welt ein friedlicher Ort.

Um zumindest einmal ansatzweise zu versuchen, bei sich zu bleiben und eine Situation nur als Auslöser für den eigenen Lernprozess zu sehen, ist es zunächst einmal notwendig,  Gefühle zu erkennen und zu benennen. Man glaubt ja nicht, wie schwierig schon das sein kann.

Macht mal Folgendes: Hört jetzt sofort auf  zu lesen  und überlegt eine Minute lang, was ihr gerade fühlt. Die meisten werden wohl sagen: Nichts. So war es jedenfalls in unserer Gruppe. Das stimmt aber nicht, wir fühlen immer etwas. Das kann sein: Traurigkeit, Fröhlichkeit, Gelassenheit, Ruhe, Aufgeregtheit, Hunger, Durst, Langeweile… Es gibt unendlich viele Schattierungen, aber eines gibt es nie: Dass wir gar nichts fühlen. Und wenn es nur wohlwollende Gleichgültigkeit ist. Oft ist es ein Konglomerat aus ganz vielen verschiedenen Zuständen, zum Teil natürlich auch widersprüchlichen. So viele Menschen und Situationen, so viele Möglichkeiten.

Unsere Aufgabe für heute war, mehrmals innezuhalten und unsere Gefühle zu benennen. Nichts weiter. Das führt natürlich zu mehr Achtsamkeit, was wiederum dazu beiträgt, dass man sich selber besser kennenlernt (Selbsterkenntnis! ha!) und erfährt (nicht nur weiß), dass Gefühle flüchtig sind und sich laufend ändern. Das ist etwas, worauf man sich verlassen kann und trägt dazu bei, sich in negativen Gefühlen nicht zu verlieren, sondern sie als vorübergehenden Zustand wahrzunehmen. Und schon ändern sie sich.

Nachmittags waren wir – ganz unspirituell – in Palma shoppen, mäßig erfolgreich (natürlich nur hinsichtlich der Einkäufe, nicht der Selbsterkenntnis: Geile Schuhe. Innehalten. Gefühl beobachten. Begeisterung, Fröhlichkeit, Sehnsucht, schlechtes Gewissen ob des Preises, Befriedigung nach dem Kauf 😉 ). Es ist halt ein bisschen zäh, mit 7 Frauen durch die Shops zu ziehen, aber dafür ist’s lustig. Zum Glück sind wir unter uns, ein Mann würde verzweifeln.

Palma ist eine sehr schöne Stadt mit vielen netten Läden, Cafés und Restaurants und schattigen Plätzen, auf denen man wunderbar sitzen und Leute anschauen kann, wenn man total erschöpft vom Besichtigen der Kirchen und (Konsum-)Tempel dringend einen Drink oder Eisbecher braucht.

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Meanwhile in Baldham

„Es muss im Leben mehr als alles geben.“ Maurice Sendak

Also ihr seid selber schuld. Nachdem ihr mir so viele Rückmeldungen über den Australien-Blog gegeben habt und offenbar gern die Zeit damit vertrödelt, mein Reise- und Seelenleben zu verfolgen, geht’s jetzt weiter.

Meanwhile in Baldham…:

Ich war also ganze 19 Tage zu Hause, in denen ich versucht habe, nicht sofort wieder weg zu wollen. Den ganzen Tag hab ich mir vorgesagt, es ist doch schön, wieder da zu sein, Arbeit zu haben, deine Katzen im Arm zu halten, im eigenen Bett zu schlafen usw. Ist es ja auch. Ja wirklich. Aber 19 Tage waren dann auch wieder genug. Dann fand ich, es ist dringend an der Zeit, mal endlich Urlaub zu machen. Burn out drohte.

Dabei kam ziemlich gut, dass mir Olga ein Einkehrseminar in Mallorca angeboten hat, bei dem noch ein Platz frei war. In einer Einsiedelei bei Randa, auf einem Berg, zwischen zwei anderen Klöstern. Wow, sagte ich mir, das kommt ja gut in Sachen Selbstfindung, da fahr ich mit.

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Na ja, wenn man mir sowas sagt, also wenn ich mir sowas sage, dann mach ich das halt auch. Bin ja doch eher ein Mensch der Tat. Vom Träumen allein ist noch keiner glücklich geworden.

So eine Einkehr mit Schweigezeiten und geführten Meditationen und spiritueller Unterweisung und das alles in angenehmer Gesellschaft und schöner Umgebung habe ich sowieso noch nie gemacht. Aber ich bin ja flexibel. Und man kann ja  alles mal ausprobieren, ob’s was taugt, merkt man dann schon. Solange es nicht gefährlich ist oder langweilig…

Zum Einstimmen ein paar Fotos, damit ihr beurteilen könnt, ob es euch gefällt.

Das ist das Kloster, Ermitage San Honorat und der Blick über die Insel. Dort haben wir eine wunderbare Woche verbracht, die ich euch gern erzählen möchte.

Wenn euch das jetzt interessiert, dann lest weiter. Wenn nicht: Es gibt immer eine sinnvolle Beschäftigung, man muss keine Blogs lesen, die einen nicht interessieren.

Dann also viel Spaß, entscheidet selbst, bei was. Freut euch auf den nächsten Beitrag. 🙂