Homestay, nicht nur für Maximon

15.4.

Am Morgen steigen wir in ein Boot nach Santa Cruz und laufen bis Santiago am Atitlan-See. Die Wanderung führt uns bergauf, bergab am See entlang, der Ausblick wäre spektakulär, wenn nicht die Berge im dichten Nebel lägen. So sieht  man leider nicht viel, es tut aber gut, mal in der Natur zu laufen.

Angekommen in Santa Cruz besteigen wir wieder das Boot und fahren über den See, zunächst nach Sololà, ein weiteres Dorf am See, das eine kleine Besonderheit aufweist. Hier wohnt der „Maximon“, eine Holzfigur eines vor etwa 500 Jahren verstorbenen Heiligen, der heute noch Wunder wirkt. Der Maximon (gesprochen „Mashimon“ ist ein synkretistischer Heiliger, der sowohl Gutes tut als auch eine negative Seite hat. Jeder Gläubige macht sich sein eigenes Bild. Manchmal gilt er als Mittler zwischen den Mächten des Himmels (huracán) und denen der Unterwelt (xibalba).  Er trägt sowohl Züge der Maya-Gottheit Maam, als auch biblische und kolonialzeitliche Elemente. Er wird jedes Jahr von einer anderen Familie bewacht, die dann die Verantwortung für sein Wohlergehen trägt. Er raucht den ganzen Tag und trinkt gern mal ein Schnäpschen, vor ihm sitzt ein Schamane und redet mit ihm, um ihn zu unterhalten, ein Wächter gibt ihm zu rauchen und zu trinken. Das läuft den ganzen Tag, von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr. Wir bezahlen das Trinkgeld für die Fotoerlaubnis und amüsieren uns köstlich.

Am Kirchplatz treffen wir eine ältere Frau, die einen seltsamen Turban trägt. Rafael informiert uns, dass sie den nur tragen darf, wenn sie ihre vorgesehene Lebensleistung vollendet hat, also Kinder und Enkelkinder großgezogen hat, die Familie versorgt usw. Sie zeigt uns, wie man den Turban bindet. Kurz darauf treffen wir auf ein Mädchen, das den gleichen Turban trägt. Gefragt, wie das jetzt sein kann, antwortet Rafael, das sei dann wohl dem Tourismus geschuldet und habe mit der Tradition nichts zu tun. Wie auf der ganzen Welt werden auch hier Trachten und Bräuche dem Konsum untergeordnet und man kann darüber streiten, ob das gut ist, weil es die Traditionen wenigstens ein bisschen erhält oder schlecht, weil es eben nur Geldmacherei ist.

Es geht weiter nach San Juan la Laguna, eine sehr touristische Stadt am See, deren Shopping-Meile steil den Berg hinauf geht. Dort erhalten wir eine kleine Stadtführung, während der wir eine Weberei einer Frauenkooperative besuchen, in der uns die Verarbeitung von Baumwolle erklärt wird. Natürlich dürfen wir die Erzeugnisse dann auch kaufen, wenn wir  möchten.

Danach schauen wir noch  die „World of bees“ an, die uns die verschiedenen Honigsorten und deren medizinische Wirkung näher bringt.

Dann ist es Zeit für das Abendessen, das von Frauen gekocht wird, die uns anschließend beherbergen sollen. Wir werden also auf Familien verteilt für einen „Homestay“. Ein Erlebnis, das ich nie mehr brauche.

Wir werden begrüßt von einem kleinen Mädchen, das uns fest umschlingt und kaum mehr loslässt. Dabei ist bereits fühlbar, dass es sich offenbar um ein Mitglied der „Letzte Generation“-Aktivisten handelt, so klebrig ist sie. Bei jeder Gelegenheit klebt sie sich an uns, etwas strange. Die Mutter des Kindes schaut mal kurz vorbei und sagt hallo, die Gastgeber sind die Großeltern. Nach zwei Sätzen Unterhaltung über Google Translate lassen sie uns wissen, dass es kein Problem ist, wenn wir uns jetzt zurückziehen und relaxen. Ist uns auch recht, der Gesprächsstoff ist doch etwas eingeschränkt ohne gemeinsame Sprache und nur mit Übersetzungsprogramm. Unser Zimmer hat etwa 10 m2 und ist gefüllt mit drei Betten und einem Kästchen. Die Fenster kann man nicht öffnen, es wäre auch sinnlos, denn sie grenzen direkt an einen Anbau, der nur durch einen Vorhang verdeckt ist. Frischluft unmöglich. Das Ganze erinnert eher an eine Gefängniszelle als an ein freundliches Gästezimmer, vor allem die Tür.

Geräte aufladen schwierig, mit nur einem Stecker. Wir lesen ein bisschen, dann schlafen wir so schnell wie möglich, um die Nacht hinter uns zu bringen. Wird allerdings schwierig, denn die Familie fängt an zu kochen, nebenan und offenbar Zwiebeln in Fett. Es ist laut, es stinkt. Es ist stickig und heiß und wir teilen uns mit der Familie das Bad. Falls das den Namen verdient. Es handelt sich um ein Mini-Waschbecken und eine Toilette, daneben ein Wasserhahn für Kaltwasser und einer für Warmwasser, getrennt natürlich. Egal, denn warm bedeutet hier tatsächlich so etwa 25 Grad.

Morgens klebt sich wieder die Aktivistin an uns. Wir bekommen (kalte) Rühreier, (kalte) geschmacksneutrale Tortillas und (kalte) Dosenbohnen. Wir essen ein bisschen, aus Höflichkeit. Dann hauen wir ab.

Bevor wir die anderen treffen, gehen wir noch auf ein Frühstück in ein nettes Café mit Biokaffee und leckeren, selbstgemachten Kuchen. Alles prima, nur die Klospülung funktioniert nicht. Aber das ist ja fast schon Alltag.