Silencium

Heute ist Tag der Stille. Wie letztes Jahr auch, vereinbaren wir, von Mittwoch morgen bis Donnerstag mittag zu schweigen. Jeder hat die Gelegenheit, zu entspannen, zu meditieren und vielleicht zu sich zu finden, über sein Leben nachzudenken und vielleicht zu Ergebnissen zu kommen, die er im hektischen Alltag nicht bedacht hätte. Eine wunderbare Möglichkeit, mal die Klappe zu halten und einen Gang runterzuschalten.

Bereits beim Frühstück fällt auf, dass die angebotenen Speisen wesentlich intensiver wahrgenommen werden, wenn man nicht abgelenkt ist. Ich konzentriere mich auf jeden Bissen, das vorzügliche, selbst gebackene Brot, die süßen Orangen und Birnen, die saftigen und intensiven Tomaten und die selbstgemachten Marmeladen sind ein köstlicher Start in den Tag.

Danach laufe ich in den Bergen herum, steige auf die gegenüber liegende Höhe und finde ein abgelegenes windgeschütztes Felsplateau mit Aussicht über Lluc de Mar bis zum Meer. Dort lasse ich mich für eine Stunde nieder, ziehe alle Kleider aus, genieße die Sonne auf der Haut und freue mich an der Natur, der Aussicht und der Wärme.

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Der Wind hier ist stark und kalt, wie letztes Jahr kann von sommerlicher Hitze keine Rede sein. Aber es regnet nicht. Es hat den ganzen Winter nicht geregnet, weshalb eine enorme Wasserknappheit herrscht und die Patres jeden Tropfen importieren müssen. Folge des Klimawandels?

Nachmittags nutze ich aus, dass ich über ein Auto verfüge und fahre mit Brigitte an einen wilden, unbekannten und unbewachten Strand bei S’Estanyol de Migjorn.  Die Landschaft ist steinig und karg, nur wenige Büsche begrenzen die bizarren Felsen zum Land hin. Die Wellen schäumen, der Wind tost. Nach einer Stunde Spaziergang finde ich eine geschützte Stelle, an der ich mich niederlassen kann, um ein paar Gedanken aufzuschreiben.

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Vieles taucht auf, die Veränderungen im letzten Jahr  finden ihren Ausdruck. Menschen kamen und gingen und mit ihnen die besonderen Beziehungen, die mich mit ihnen verbinden oder verbunden haben. Alles ist im Fluss. Gedanken kommen und gehen und mit ihnen die dazu gehörenden Gefühle. Ich habe gelernt, nicht mehr alles planen zu müssen und mich mehr dem Strom des Lebens zu überlassen. Manches, was ich heute einfach abwarte, hätte ich vor nicht allzu langer Zeit detailliert vorbereitet und durchgeführt. Erstaunlicher Weise funktioniert es trotzdem gut, viel Gutes kommt auf mich zu, ohne dass ich irgendwas dafür tue. Das ist ausbaufähig, wesentlich müheloser und entspannter, als alles im Griff haben zu wollen.