Gegensätze: Holi und Fatehpur Sikri

14.3.25

Nach diesen erlebnisreichen Tagen ist es Zeit für etwas Gaudi. Die Gaudi heißt Holi und ist ein indisches Fest zur Feier von Frieden und Gemeinschaft, bei dem gesellschaftliche Schranken vorübergehend aufgelöst sind. Alle feiern zusammen den beginnenden Frühling und bewerfen sich mit pulverisierten Farben, bestreichen sich mit bunter Paste oder besprengen sich mit farbigem Wasser. Dazu läuft überall Musik und die Leute singen und tanzen.

Das Ganze findet vornehmlich in dafür hergerichteten Locations statt, aber nicht nur, es hat so eine Rave-Stimmung, alle freuen sich und wünschen sich „happy holi“.  Wir tauchen ein in den Trubel, leider war aus unserem Guide keine klare Auskunft zum Dresscode herauszubekommen.

Er hat uns zwar empfohlen, billige Klamotten anzuziehen wegen der Farbe. Allerdings hat er nicht gesagt, dass die weiß sein sollen, damit die Farben besser wirken und weil alle weiß tragen. Es war auch nicht herauszufinden, ob das überall auf den Straßen stattfindet oder nur in den Tanzlocations, also war uns gar nicht klar, ob wir da überhaupt betroffen sind. Der Plan war, sich das ein bisschen anzuschauen und dann gleich weiter zu fahren nach Agra.

Das Ergebnis war dann so:

Wir tauchen mitten in eine Menschenmenge ein, in der alle mit Farbe um sich werfen, nur zuschauen war unmöglich. Also spielen wir mit, am Ende sind wir bunt und vollgemalt in allen Neonfarben, bis auf die Haut unter den Kleidern. Es wäre mehr als sinnvoll gewesen, weiße Kurtas zu kaufen und alles andere im Koffer zu lassen, nur wußten wir das halt nicht. Keine Ahnung, ob wir das Zeug wieder herausbekommen. Lacas Hut haben wir schon mal im Hotel in Delhi gelassen, der ist nicht mehr zu retten. Den Rest werde ich zuhause ein paar Mal waschen, dann wird sich herausstellen, wie das ausschaut. Egal, es war jedenfalls lustig.

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Bei der Weiterfahrt nach Agra fahren wir an vielen bunten Menschen auf Motorrädern, in Kneipen und vor allem vor Alkoholshops vorbei. Das weitgehende Alkoholverbot hier ist offenbar heute auch nicht so interessant. Getrunken wird alles, insbesondere Milch mit Gewürzen, wobei eines der Gewürze geriebene Hanfblüten sind. Ein bisschen Drogen hilft beim Grenzen überschreiten halt immer.

Unterwegs bleiben wir in Fatehpur Sikri stehen, einer Geisterstadt. Gegründet von Akbar dem Großen war sie die Hauptstadt des Mogulreiches, allerdings nur für 10 Jahre. Eine der größten Moscheen in Indien, die Jama Masijd, befindet sich hier und schließt sich direkt an den riesigen Tempelkomplex an. In nur zwei Jahren (1571-1573) wurde der gesamte Komplex gebaut, allerdings bald darauf die Hauptstadt nach Lahore verlegt, so dass Fatehpur Sikri lediglich eine Außenstelle des Reichs wurde, die die Herrscher gelegentlich besuchten.

Dennoch sind die Gebäude beeindruckend. Sie sind alle im gleichen Stil erbaut und bilden ein harmonisches Ganzes. Innerhalb der Moschee steht ein weißer Marmortempel, der das Grab von Sheik Salim Chisti enthält, eines Sufi Heiligen, der Akbar zum Bau der Moschee inspirierte. Dort kann man kleine rote Fäden kaufen und an die mit Marmorgittern verkleideten Fenster hängen und um die Erfüllung eines Wunsches bitten. Spenden darf man auch, indem man einen Überwurf kauft, den ein Priester dann auf das Grab legt. Abends werden die Überwürfe wahrscheinlich wieder eingesammelt und am nächsten Tag wieder verkauft, nehme ich an.

Gegen Abend kommen wir in Agra an. Unser Hotel hier ist ein sogenannter „homestay“, was aber nicht heißt, dass wir bei einer Familie zuhause wohnen. Im Prinzip handelt es sich um ein kleines Hotel am Rand eines Wohngebiets, das natürlich keine Luxusausstattung hat, aber letztendlich für eine Nacht völlig ausreicht. Es hat eine schöne Dachterrasse, von der aus man bei Tageslicht und etwas gutem Willen das Taj Mahal sieht. Leider ist es nicht beleuchtet.

Wir möchten nicht bei den Leuten in der Küche essen und machen uns auf die Suche nach einem guten Restaurant mit Terrasse. Viele sind wegen des Feiertags geschlossen, zuerst landen wir im Taj Palace Hotel. Wir nehmen den Lift in den 5. Stock. Auf der Dachterrasse flötet ein Volksmusiker in einer Lautstärke , die jede Unterhaltung unmöglich macht. Als der Kellner uns mitteilt, dass sie keine Alkohollizenz haben, folglich kein Bier, drehen wir um. Laut und kein Bier, das geht gar nicht.

Wir laufen weiter und finden ein Café, in dem so gut wie keine Touristen sitzen. Von der Terrasse schauen wir auf die belebte Straße. Als wir eine Thali-Platte bestellen wollen, eine vegetarisch, eine non-veg, informiert uns der Kellner, dass es nur vegetarisch gibt. Non-veg kann man nur einzelne Gerichte bestellen. Warum man das veg-Gericht auf der Platte nicht einfach austauschen kann, hat er uns nicht erklären können. Also bestelle ich die vorhandene Thali-Platte, Laci nimmt irgendein scharfes Schaf. Bier? Na ja, sie haben keine Lizenz, weil die zu teuer wäre. Aber sie besorgen eines.

Nach ca. 20 Minuten kommt der freundliche Ober dann mit einer in geheimnisvolles Packpapier eingeschlagenen Flasche, zeigt kurz das Etikett und verschwindet wieder. Dann kommt das:

Auch eine Möglichkeit, Bier zu servieren. Aber das Essen war lecker und da ich ja sowieso nicht trinke, hatte ich keine Einschränkungen.

Der Heimweg war abenteuerlich. Wir schlendern  entlang der von Google vorgeschlagenen Route zum Hotel, überall dunkle Gestalten und einsame Gassen und ach ja, Kühe. Allerdings haben uns alle freundlich gegrüßt, trotz der etwas gruseligen Stimmung kamen wir störungsfrei zuhause an.

Heimweg

Homestay, nicht nur für Maximon

15.4.

Am Morgen steigen wir in ein Boot nach Santa Cruz und laufen bis Santiago am Atitlan-See. Die Wanderung führt uns bergauf, bergab am See entlang, der Ausblick wäre spektakulär, wenn nicht die Berge im dichten Nebel lägen. So sieht  man leider nicht viel, es tut aber gut, mal in der Natur zu laufen.

Angekommen in Santa Cruz besteigen wir wieder das Boot und fahren über den See, zunächst nach Sololà, ein weiteres Dorf am See, das eine kleine Besonderheit aufweist. Hier wohnt der „Maximon“, eine Holzfigur eines vor etwa 500 Jahren verstorbenen Heiligen, der heute noch Wunder wirkt. Der Maximon (gesprochen „Mashimon“ ist ein synkretistischer Heiliger, der sowohl Gutes tut als auch eine negative Seite hat. Jeder Gläubige macht sich sein eigenes Bild. Manchmal gilt er als Mittler zwischen den Mächten des Himmels (huracán) und denen der Unterwelt (xibalba).  Er trägt sowohl Züge der Maya-Gottheit Maam, als auch biblische und kolonialzeitliche Elemente. Er wird jedes Jahr von einer anderen Familie bewacht, die dann die Verantwortung für sein Wohlergehen trägt. Er raucht den ganzen Tag und trinkt gern mal ein Schnäpschen, vor ihm sitzt ein Schamane und redet mit ihm, um ihn zu unterhalten, ein Wächter gibt ihm zu rauchen und zu trinken. Das läuft den ganzen Tag, von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr. Wir bezahlen das Trinkgeld für die Fotoerlaubnis und amüsieren uns köstlich.

Am Kirchplatz treffen wir eine ältere Frau, die einen seltsamen Turban trägt. Rafael informiert uns, dass sie den nur tragen darf, wenn sie ihre vorgesehene Lebensleistung vollendet hat, also Kinder und Enkelkinder großgezogen hat, die Familie versorgt usw. Sie zeigt uns, wie man den Turban bindet. Kurz darauf treffen wir auf ein Mädchen, das den gleichen Turban trägt. Gefragt, wie das jetzt sein kann, antwortet Rafael, das sei dann wohl dem Tourismus geschuldet und habe mit der Tradition nichts zu tun. Wie auf der ganzen Welt werden auch hier Trachten und Bräuche dem Konsum untergeordnet und man kann darüber streiten, ob das gut ist, weil es die Traditionen wenigstens ein bisschen erhält oder schlecht, weil es eben nur Geldmacherei ist.

Es geht weiter nach San Juan la Laguna, eine sehr touristische Stadt am See, deren Shopping-Meile steil den Berg hinauf geht. Dort erhalten wir eine kleine Stadtführung, während der wir eine Weberei einer Frauenkooperative besuchen, in der uns die Verarbeitung von Baumwolle erklärt wird. Natürlich dürfen wir die Erzeugnisse dann auch kaufen, wenn wir  möchten.

Danach schauen wir noch  die „World of bees“ an, die uns die verschiedenen Honigsorten und deren medizinische Wirkung näher bringt.

Dann ist es Zeit für das Abendessen, das von Frauen gekocht wird, die uns anschließend beherbergen sollen. Wir werden also auf Familien verteilt für einen „Homestay“. Ein Erlebnis, das ich nie mehr brauche.

Wir werden begrüßt von einem kleinen Mädchen, das uns fest umschlingt und kaum mehr loslässt. Dabei ist bereits fühlbar, dass es sich offenbar um ein Mitglied der „Letzte Generation“-Aktivisten handelt, so klebrig ist sie. Bei jeder Gelegenheit klebt sie sich an uns, etwas strange. Die Mutter des Kindes schaut mal kurz vorbei und sagt hallo, die Gastgeber sind die Großeltern. Nach zwei Sätzen Unterhaltung über Google Translate lassen sie uns wissen, dass es kein Problem ist, wenn wir uns jetzt zurückziehen und relaxen. Ist uns auch recht, der Gesprächsstoff ist doch etwas eingeschränkt ohne gemeinsame Sprache und nur mit Übersetzungsprogramm. Unser Zimmer hat etwa 10 m2 und ist gefüllt mit drei Betten und einem Kästchen. Die Fenster kann man nicht öffnen, es wäre auch sinnlos, denn sie grenzen direkt an einen Anbau, der nur durch einen Vorhang verdeckt ist. Frischluft unmöglich. Das Ganze erinnert eher an eine Gefängniszelle als an ein freundliches Gästezimmer, vor allem die Tür.

Geräte aufladen schwierig, mit nur einem Stecker. Wir lesen ein bisschen, dann schlafen wir so schnell wie möglich, um die Nacht hinter uns zu bringen. Wird allerdings schwierig, denn die Familie fängt an zu kochen, nebenan und offenbar Zwiebeln in Fett. Es ist laut, es stinkt. Es ist stickig und heiß und wir teilen uns mit der Familie das Bad. Falls das den Namen verdient. Es handelt sich um ein Mini-Waschbecken und eine Toilette, daneben ein Wasserhahn für Kaltwasser und einer für Warmwasser, getrennt natürlich. Egal, denn warm bedeutet hier tatsächlich so etwa 25 Grad.

Morgens klebt sich wieder die Aktivistin an uns. Wir bekommen (kalte) Rühreier, (kalte) geschmacksneutrale Tortillas und (kalte) Dosenbohnen. Wir essen ein bisschen, aus Höflichkeit. Dann hauen wir ab.

Bevor wir die anderen treffen, gehen wir noch auf ein Frühstück in ein nettes Café mit Biokaffee und leckeren, selbstgemachten Kuchen. Alles prima, nur die Klospülung funktioniert nicht. Aber das ist ja fast schon Alltag.