Über Ranakpur nach Udaipur

9.3.25 Ranakpur, der Wahnsinn

Eine weitere lange Autofahrt steht uns bevor. Drei Stunden bis zum Jain-Tempel Ranakpur, danach noch einmal so lang bis Udaipur. Gut, dass mein Hörbuch lang dauert (Stephen King: Der Anschlag, 30 Stunden) und sehr interessant und spannend ist. Da schockt mich keine lange Fahrt mehr.

Das Ziel ist ebenfalls jede Strecke wert. Ranakpur ist ein Jain-Tempel, wahrscheinlich einer der schönsten der Welt, wenn nicht der Schönste.

1444 filigranst gearbeitete Säulen tragen 80 Kuppeln, die 29 Hallen überdachen. Götter und Dämonen, Darstellungen von Tieren, Menschen, Blumen und sonstigen Ornamenten in den hellen Hallen, deren Lichthöfe für eine freundliche und helle Atmosphäre sorgen, lassen einen staunend durch das Labyrinth schlendern und diese unglaubliche Kunst bewundern. Der Tempel wurde in 60 Jahren, von 1433 – 1496 von Dharna Shah erbaut, zu Ehren des damaligen Herrschers Rana Kumbha. Ein UNESCO-Weltkulturerbe, das seinesgleichen sucht.

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Die Jain sind eine Religionsgemeinschaft, die strenge Regeln zu befolgen hat, besonders, was die Ernährung betrifft. So darf nichts gegessen werden, das eine Seele besitzt, auch z.B. nicht Früchte, die in der Erde wachsen, damit durch die Ernte keine Tiere verletzt oder getötet werden. Außerdem müssen sie einmal im Leben die wichtigsten Jaintempel besuchen, um Erlösung zu erlangen. Da das nicht allen möglich ist, wurde hier eine Abkürzung eingebaut: Das dreieckige Relief enthält alle wichtigen Symbole, so dass, wer hier meditiert  hat, sozusagen virtuell bei allen wichtigen Tempeln war.

Die Religion ist eher eine Lebensweise. Es gibt keinen Gott, sondern 24 Thirthankaras, geistige Führer, die als Mittler zwischen der materiellen und der geistigen Welt gesehen werden. Diese werden in den Tempeln durch Figuren dargestellt, deren Augen silbrig leuchten. Wer in Askese und sittlicher Lebensweise die Grundregeln der Religion beachtet, kann Moksha, die Erlösung, erreichen. Der Jainismus geht auf Mahavira zurück, der die Religion im 6. Jh. vor Christus gegründet haben soll, in etwa zu Lebzeiten Buddhas, mit dessen Lehre sie einige Gemeinsamkeiten aufweist.

Wir bleiben etwa eineinhalb Stunden in den zugänglichen Hallen, dann fahren wir weiter nach Udaipur. Unterwegs halten wir an einer Wassermühle, die wie in alten Zeiten von einem Ochsen angetrieben wird, eine Tortur für das arme Tier, das den ganzen Tag im Kreis laufen muss.

Alle Touristenautos und -busse halten hier und schauen zu, fast könnte man meinen, dass es sich um eine gestellte Attraktion handelt, die aus Praktikabilitätsgründen (für die Touristen) direkt neben der Straße platziert wurde. Eine ähnliche Szenerie habe ich vor 11 Jahren, als ich schon einmal in Ranakpur und Udaipur war, auch gesehen, damals aber abseits der Straße mitten in einem Feld, wohin sich sonst keiner verirrt hat.

In Udaipur fällt uns sofort auf, wie sauber und wohlhabend die Stadt wirkt. Auf der Durchfahrt überall hübsche Wohnhäuser, sehr wenig Müll auf der Straße und lebendiges Treiben ohne größeres Chaos. Unser Hotel Fateh Niwas ist fantastisch. Ein Palast mit kleinen Tempeln im Garten, Dachterrasse mit Blick über Stadt und See, leckeres Essen und ein riesiges, luxuriöses Zimmer mit Balkon. Was will man mehr?

10.3.2025 Udaipur

Udaipur hält, was es verspricht. Gewaltig erheben sich die Mauern des Palastes über dem Pichola-See, der umgeben ist von bezaubernden Heritage-Hotels.

Der Stadtpalast ist einer der größten Indiens. Er besteht aus mehreren Teilen, von denen nur das Museum zugänglich ist. Das geht allerdings über 4 Stockwerke und zeigt das Leben der Maharadschas und Maharanis anschaulich, indem einige Zimmer noch original eingerichtet sind, Fotos und Gemälde die Lebensweise darstellen. Der Blick vom Palast ist umwerfend, der  Picholasee mit dem Lake Palace in der Mitte und Jagmandir Palace auf der anderen Insel ist ein Genuss für’s Auge.

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Wir besteigen ein Boot und fahren einmal um den See bis zum Jagmandir Palace.

Dort schlendern wir durch die wunderschön angelegten Gärten, freuen uns an dem hübschen Palasthotel und tuckern dann wieder zurück.

Nach der dringend benötigten Mittagspause in einem gemütlichen Gartenrestaurant schlendern wir durch die Gärten Saheliyon Ki Bari, eine bezaubernde Anlage mit kühlenden Wasserspielen, künstlich angelegtem Dschungel und Wegen zum Lustwandeln, die im 18. Jahrhundert für eine Prinzessin angelegt wurden, die sich zur Erfrischung einen Swimmingpool gewünscht hat, in dem sie mit ihren Hofdamen die sommerliche Hitze überstehen konnte. Auch die Maharajas trafen sich hier mit ihren Konkubinen, jeweils in anderen Teilen des Gartens, so dass für Amüsement und Erfrischung aller Beteiligten gesorgt war.

 

Zuletzt besuchen wir noch den Jagdish Tempel, der seit 1651 ununterbrochen im Gebrauch ist. Der Vishnutempel ist reich dekoriert mit verschiedensten Göttern und Dämonen, aber auch erotischen Szenen unterschiedlicher Konstellationen(Frau-Mann, Frau-Frau, Mann-Mann, auch gern mal zu dritt), die in den Marmorreliefs verewigt sind.

 

Innen singen Frauen Mantras. Sie sitzen vor dem Allerheiligsten mit den Figuren von Vishnu, Shiva und Shakti, sind bunt gekleidet und haben sichtlich Spaß. Die ganze Atmosphäre ist sehr entspannt und fröhlich, alle lächeln uns an und wollen Fotos mit uns. Kein Problem, dass wir Ungläubigen uns im Tempel herumtreiben und Fotos machen, das machen die Gläubigen auch. Uns wurde nahegelegt, dass wir im Tempel nicht fotografieren sollen. Allerdings zückt so ungefähr jeder, der reinkommt, das Handy, so dass wir uns auch nicht daran halten.

Nach soviel Programm freuen wir uns, abends wieder auf unserer Hotelterrasse  im Fateh Niwas mit dem spektakulären Blick zu sitzen und den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen.

 

 

Jodhpur

8.3.2025

Die Nacht war ganz in Ordnung. Das lag im Wesentlichen daran, dass ich die dichtesten Ohrstöpsel, die ich habe, praktisch bis ins Gehirn geschoben habe, um den Straßenlärm, die bellenden Hunde, röhrenden Motorräder, Trommler, Muezzins (Ramadan!) auszusperren. An der noise reduction des Hotels kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Die bestand aus drei Schaumstoffplatten, die auf die Fenster zugeschnitten waren. Man musste sie unter dem Bett herauszerren (die größte ist etwa 1,50 x 2,00 Meter groß, dazu noch zwei kleinere für die Seitenfenster), dann in die Fensternischen einklemmen. Ein Unterschied im Geräuschpegel war nicht zu erkennen, aber es war dann wenigstens dunkel und die Moschee nebenan hat nicht geblinkt. Also Klimaanlage an, damit der Generator auf dem Flur übertönt wird, Ohrstöpsel rein und auf in’s Schlafvergnügen. Dafür war das Personal ausgesprochen engagiert und nett und die Skybar mit Blick auf das Fort wunderbar.

Weltfrauentag! Also Shopping-Tag und kein Mann kann was dagegen sagen! Vor der Eskalation in den Klamottenläden steht natürlich das Besichtigungsprogramm.

Himmat holt uns ab und wir fahren zum Weißen Tempel Jaswant Thada, der aus dem gleichen Marmor besteht wie das Taj Mahal. Gewidmet ist das Grabmal einem Maharadscha des 19. Jahrhundert, Jaswant Singh II., sein Sohn Sardar Singh hat es zwischen 1899 und 1906 zu seinem Gedenken erbauen lassen.

Nebenan gibt es eine Gedenkstätte für die Witwen des Königs, die seinetwegen ihr Leben auf den Scheiterhaufen gelassen haben. Die gruselige Sitte der Witwenverbrennung, Sathi, ist heute zum Glück verboten. Allerdings erst seit 1929.

Das Fort  Mehrangar thront über der Stadt und dominiert alles. Es ist heute ein Museum mit vielen Räumen, die die Lebensweise der Maharadschas nahebringen.

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So gibt es einen Raum mit Sänften, einen mit Schwertern, viele reichdekorierte Innenräume und bezaubernde Höfe mit steinernen, zart verzierten Erkern.

Auf der Mauer stehen die Kanonen, die die Feinde des Marwar-Reichs abhalten sollten, Jodhpur zu erobern, was auch gelang. Erst die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien 1947 machte den Königreichen Indiens ein Ende. Endgültig entmachtet wurden sie erst 1971, als Indira Gandhi alle Adelstitel abschaffte und den ehemaligen Herrschern sämtliche Privilegien entzog. Allerdings blieb den Adligen Familien ein Großteil ihrer Ländereien, so dass sie bis heute eine eigene gesellschaftliche Klasse bilden.

Als wir um die Festung herumspazieren, kommt uns eine traditionell gekleidete Familie entgegen, Maharadscha und Maharani mit Gefolge. Wir dürfen fotografieren und sind uns überhaupt nicht klar, sind die jetzt echt oder nur Fotomodels für die Touristen? Dagegen spricht, dass sie kein Geld wollen, sondern nur Fotos mit uns. Dafür spricht, dass doch heutzutage kein Mensch mehr so rumläuft. Allerdings  tragen die Frauen schon Saris, aber nicht so prächtig herausgeputzt. Sie sind unterwegs zum Tempel, vielleicht feiern sie was. Wir werden es nie erfahren.

Nachdem wir uns bei einem Lunch in einem der vielen kleinen tempelartigen Cafés erholt haben, folgt der Shopping Exzess.

In den Souvenirshops und Klamottenläden gibt es für kleines Geld wunderschöne Kleider, Blusen, Hosen aus reiner Baumwolle mit bezaubernden Blockprint-Mustern. Da kann keiner widerstehen, zumal es heute schon so heiß war (es hatte 35 Grad), dass alle europäischen Sachen viel zu warm sind und noch größere Hitze angesagt ist. Ich finde, 60 Euronen für drei Kleider, zwei Blusen und eine Hose ist schon ok, oder? Mal sehen, wieviele Wäschen die überstehen. Im Augenblick liebe ich die Sachen jedenfalls.

 

 

Bikaner

4. 3. 2025

Wir fahren aus unserem wunderhübschen Haveli Richtung Westen. Der Weg ist lang, angekündigt sind etwa 7 Stunden Autofahrt. Unterwegs gibt es immer was zu sehen, so dass es nicht langweilig wird: Kühe und Kamele, die gelangweilt auf der Straße laufen, Menschen mit Pilgerfahnen,  schlafende Hunde neben dem Mittelstreifen, Autos, die in der Gegenrichtung überholen, obwohl wir schon fast da sind. Nicht zu vergessen die wunderhübschen LKW Indiens, alle irgendwie bemalt und mit Hinweisen versehen: „Blow Horn“, „Dipper when dark“ ! Und natürlich die grüngelben Tuktuks, die wirklich überall in Massen herumfahren.

Begleitet wird der ganze Wahnsinn von Pilgern, die mit glitzernden Fahnen an der Straße entlang laufen, zu irgendeinem Tempel in weiter Ferne. Ein Wunder, dass die überleben.

Unser Fahrer ist zum Glück geübt und weicht gern auf den linken Seitenstreifen aus, wenn es kritisch wird und auf zwei Spuren vier Autos nebeneinander fahren, dazu eine Kuh die Straße kreuzt und von einem Motorrad umfahren wird. Habe ich schon gesagt, dass Autofahren in Indien selbstmörderische Tendenzen voraussetzt? Nichts für Europäer, ohne routiniertes Personal wären wir schon längst tot.

Nachmittags kommen wir in Bikaner an. Wir fahren auf das goldene Fort Junagarh zu und sind sofort schwer beeindruckt. Ein Riesengebäude! Ein Monster! Wozu braucht ein Mensch, und sei es auch ein Maharadscha, dermaßen viele Zimmer!? Wir werden aufgeklärt, dass es sich um den Maharadscha und seinen Bruder gehandelt hat, jedem gehörte etwa die Hälfte des Palastes, der dazu noch in verschiedenen Jahrhunderten immer weiter ausgebaut wurde. Na dann.

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Wir schlendern durch die Räume, ein Blumenpalast (Blumenfresken überall), ein Wolkenpalast (Wolkenfresken und portugiesische Fliesen), private Räume, der Audienzsaal (alles gold- und silberbemalt), ein Hof mit Swimmingpool für Feste, und so weiter. Natürlich ist nur ein Bruchteil der Räume für die Öffentlichkeit hergerichtet, was sich im Rest verbirgt, wissen wir nicht. Trotzdem verbringen wir gut eineinhalb Stunden im Innern des Forts, danach sind wir voll mit überwältigenden Eindrücken und sowas von reif für’s Mittagessen.

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Gegenüber gibt es ein sehr touristisches Restaurant (Gallops), das ausgezeichnetes Essen bei exklusivem Blick bietet. Wir verköstigen uns mit vegetarischen Spezialitäten und erholen uns etwas von den Eindrücken, denn ein weiteres Highlight steht bevor: Der Rattentempel.

Der Karni Mata Tempel in Deshnok  liegt etwa 35 km außerhalb Bikaners. Als wir ankommen, ist schon eine Menge Trubel auf dem vorgelagerten Platz, die üblichen Stände mit Götterbedarf dürfen natürlich nicht fehlen. Man betet die Inkarnationen von Karni Mata an, die hier Rattengestalt angenommen hat. Eigentlich sollte sie eine Seele eines verstorbenen Kindes retten, das hat aber nicht geklappt, weil ein anderer Gott sie schon zur Wiedergeburt geschickt hatte. Daraufhin hat sie alle Seelen, die diesem Gott gehören sollten, verflucht und dafür gesorgt, dass sie als Ratten wiedergeboren werden. Nach ihrer Rattenzeit dürfen sie dann wieder in den ewigen Kreislauf eintauchen.

 

Drinnen ein Kulturschock vom Feinsten. Zwischen ziselierten Götterfiguren und geschnitzten Marmorwänden wuseln tausende Ratten am Boden herum, denen die Gläubigen gesüßte Milch und Körner zum Fressen auslegen. Man muss grad aufpassen, dass einen keine mit Essen verwechselt oder man aus Versehen auf eine der Göttinnen drauftritt, denn die Schuhe mussten wir draußen abgeben. Heute Abend wird die Dusche dringend gebraucht, denn obwohl überall Putzpersonal rumläuft, kann man es nicht vermeiden, dass die Füße etwas angeschmutzt werden, mit was, will man nicht unbedingt wissen. Die Berührung mit einer weißen Ratte verheißt Glück, wir haben allerdings keine gesehen. Mir ist eine über den Fuß gelaufen, also hab ich wohl doch ein bisschen was von der Heiligkeit abgekriegt, obwohl ich erstmal total erschrocken bin.

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Nach diesem Abenteuer besuchen wir auf dem Rückweg noch die einzige staatliche Kamelfarm Asiens mit Kamelklinik und Forschungsstation. Die Tiere werden hauptsächlich für Paraden eingesetzt, ansonsten führen sie ein relativ gemütliches Leben auf der Farm.

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Unser Hotel Lallgarh dafür erinnert stark an den Palast des Maharadscha, es war früher auch mal einer der Nebenpaläste zum Fort. Mein Zimmer ist ungefähr so groß wie unser Erdgeschoß daheim, das Bad kommt ans Wohnzimmer ran. Yes!!! Das Restaurant war allerdings nicht so der Hit. Wir waren die einzigen Gäste, die Atmosphäre war mehr so Bürokantine und das Essen eher mäßig. Schade, denn das Hotel an sich ist schon sehr schön.