Ich glaub, die häufigste Frage, die mir dieses Jahr bis jetzt gestellt wurde, ist:
„WIE MACHST DU DAS????“
Meine Antwort ist normalerweise: „Ich mach’s einfach und frag nicht lang, ob es geht!“ Manchmal sage ich noch dazu: „Ich buche einen Flug im Herbst und dann fang ich an zu organisieren. Ab Sylvester informiere ich jeden Mandanten, jedes Gericht, jeden Gegner, wann ich gedenke, abzuhauen, damit keiner sagen kann, er hat es nicht gewusst. Ich sorge dafür, dass eine liebe Kollegin parat steht, um die eventuell nötigen Unterschriften zu leisten oder notfalls Schriftsätze zu verfassen. Meine Mitarbeiterinnen kennen sich aus, sie wissen genau, wann sie Fristen verschieben können und wann es sich um nicht verschiebbare Notfristen handelt, sie kennen jeden Mandanten und jeden Fall. Sie wissen, ob Gerichtstermine verlegt werden oder ob die Vertreterin hin muss. Zweimal die Woche bekomme ich emails, in denen ich über das Nötigste und vorzunehmende Zahlungen informiert werde. Es läuft also alles im Großen und Ganzen weiter.
Und wer es nicht akzeptieren kann, dass auch Anwälte mal länger Ferien machen: Auch gut. Es gibt genug qualifizierte Kollegen in der Nähe. “
So mach ich das.
Natürlich muss man die eigene Einstellung zu Beruf, Freizeit und Lebensqualität klären. Man muss Abstriche beim Einkommen hinnehmen können, was natürlich auch eine Frage der finanziellen Absicherung ist. Aber nicht nur. Ich finde, es ist auch eine Frage der Wertschätzung der eigenen Bedürfnisse.
Ich bin gerne Anwältin, mein Beruf ist Berufung und erfüllt mich durchaus. Ich mag den Umgang mit den Mandanten, den Richtern und den gegnerischen Kollegen, es macht mir Spaß, schwierige Fälle zu einem guten Ende zu bringen, auch mal komplizierte Rechtsfragen zu beantworten. Der Beruf, zumal im Familien- und Erbrecht, ist aber auch anstrengend und belastend. Mit zunehmendem Alter werden Auszeiten wichtiger, um sich zwischendurch wieder gut einbringen und auf die Probleme der Leute einlassen zu können.
Ich bin aber auch gern Reisende. Ich liebe das Luftige, Freie, die Ungebundenheit des Unterwegs-Seins, das Hinter-Mir-Lassen jeglicher Verantwortung und das Leben im Augenblick, wie ich es nur auf Reisen hinkriege. Ich liebe das Abenteuer, allein in fremden Ländern unterwegs zu sein und andere Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Das Überwinden von Hemmschwellen und das Ausdehnen des eigenen Horizonts. Ein paar Wochen Hippie zu sein und die Überraschung in den Gesichtern der Leute zu sehen, wenn ich erzähle, was ich beruflich daheim so mache.
Natürlich kann man auch zuhause lustige Sachen unternehmen, aber dieses Losgelöst-Sein, das Gefühl, mich frei von jeder Vergangenheit täglich neu erfinden zu können, diese Lebendigkeit, das habe ich nur unterwegs.
Und ich weiß, dass ich das eine nur kann, weil ich mir das andere auch gönne. Dass auf die lange Sicht die Menschen, mit denen ich beruflich und privat zu tun habe, nicht davon profitieren würden, wenn ich auf dieses Bedürfnis keine Rücksicht nehmen würde. Und dass weder mir noch meinen Mitmenschen damit gedient wäre, wenn ich mich irgendeiner kruden Arbeitsmoral wegen zwingen würde, auf einen ganz wichtigen Aspekt meines Lebens zu verzichten. Soviel Geld kann ich gar nicht verdienen, dass es das wert wäre.
Deshalb mach ich das.
Bald wieder.