Jaipur

13.3.2025

Lang ist’s her, dass ich hier einige Tage verbracht habe. Ich kann mich an einiges erinnern, aber natürlich ist es so, wie es immer ist, wenn man nach längerer Zeit an einen Ort zurückkehrt: Die grobe Richtung weiß man noch, aber finden würde man nichts mehr und irgendwie hat sich doch alles verändert. Zunächst mal wohnen wir etwas ab vom Schuss, was nicht schlimm ist, weil ruhiger als mittendrin. Sehr früh am Morgen holt uns Himmat ab, damit wir einen kurzen Fotostopp beim Hawa Mahal, dem Palast der Winde, machen können, bevor wir zum Amber Fort hinauffahren. Früh sollten wir deshalb dran sein, weil wir so den Busstau vermeiden können. Es ist Holi, also ein paar Tage frei, deshalb gibt es sehr viele einheimische Touristen zusätzlich zu den Ausländern und alle wollen dasselbe sehen. Dazu kommt, dass um 14.00 Uhr alles schließt wegen des Feiertags, zumindest erzählt man uns das so.

Der Palast der Winde, weltberühmt, ist eigentlich nur eine Fassade mit kleinen Räumen dahinter. Er wurde mit vergitterten Fenstern gebaut, wie all die Paläste im jeweiligen Frauentrakt. Das gab den Frauen der Maharajas die Möglichkeit, Prozessionen und sonstige Events anzuschauen, ohne dass sie gesehen werden konnten. Wie in patriarchalen Gesellschaften überall, wurden die Frauen auch hier versteckt, sobald ein Mann sie geheiratet hat. Überall Gefahren für die Männer, es könnte ja ein anderer kommen, der ihr besser gefällt. In Indien waren die Frauen ab der Hochzeit zur sogenannten purdah verdammt, sie durften am öffentlichen Leben nicht mehr teilnehmen und nur ausgewählte Verwandte sehen. Ihr Leben spielte sich in der Zenana ab, die oft reich dekoriert war (siehe Stadtpalast von Udaipur), aber letztendlich die Frauen vom  Leben ausschloss.

Zum Amber Fort fährt man ohne Verkehr ca. eine halbe Stunde. Es thront mächtig über der Landschaft, ein riesiger Sandsteinbau, neben dem auch noch das alte Fort steht, das wesentlich dunkler ist. Man kann auf Elefanten hinauf reiten, was immer noch erschreckend viele Touristen tun. Die 150 Elefanten, die für diese Arbeit ausgebildet wurden, wechseln sich ab und schleppen 8-10 Mal täglich Leute hinauf. Artgerecht ist was anderes.

Wir fahren mit dem Auto durch winzige Sträßchen und Schleichwege zum oberen Parkplatz, wo wir aussteigen und auf dem Eingangsplatz auf unsere Tickets warten.

Bereits jetzt, vor 9.00 Uhr morgens, sind Hunderte von Touristen, die meisten in Gruppen, unterwegs und fotobomben alles, was man vor die Linse nimmt. Ein Hochzeitspaar stellt sich in Szene, mindestens 20 Leute strömen sofort herbei, um es zu fotografieren. Die sind aber auch zu fotogen!

Die Treppe führt zum eigentlichen Eingang in die Räumlichkeiten. Man steigt enge Treppen hinauf zur Dachterrasse, von der man den wunderbaren Blick über die Gärten unterhalb der Festung hat.

Die Empfangshalle besteht aus vielen Säulen, zwischen denen die Bittsteller einst ihre Anliegen vorbringen konnten.

Die Räume sind mit Spiegeln aus Belgien verziert und mit den hier üblichen Sandsteinfresken, die auf den nassen Firnis aufgetragen wurden und so die Jahrhunderte überdauerten.

Im Frauentrakt gibt es einen Blumenpalast mit vergitterten Fenstern, dessen Schönheit über das eingeschränkte Leben der Frauen hinwegtäuscht.

Am Rückweg machen wir noch einen Fotostopp unterhalb der Festung und am Man Sogar See mit seinem Lake Palace, der heute ein Restaurant ist.

Nun wenden wir uns den Sehenswürdigkeiten in der Stadt Jaipur zu: Zunächst lassen wir uns das Observatorium des Maharaja Jai Singh II. aus dem frühen 18. Jahrhundert erklären. Spektakulär ist dort die Sonnenuhr, deren Skala auf 2 Sekunden genau geht. Natürlich gibt es dort auch riesige Instrumente zur Bestimmung der Sterne und Sternbilder, alles höchst ausgefeilte Technik, wenn man bedenkt, wie alt die Anlage ist.

Danach besuchen wir den Stadtpalast, der aber nur außen zugänglich ist. Die Flagge des Maharaja von Jaipur hat 5 Farben für die 5 Provinzen von Afghanistan, die er einst erobert hat. Zugänglich ist eine Textilgalerie mit Kleidungsstücken der königlichen Familie und eine Waffengalerie, in denen beiden fotografieren verboten ist. Nebenan wohnt der heutige Maharaja in einem hellen Palast.

Herausragend sind die vier Eingangstüren des Palastes, die für die Jahreszeiten stehen und in feinsten Einlegearbeiten jeweils die Symbole und Farben der Jahreszeit darstellen, für die sie stehen.

Am Ende schauen wir noch die riesigen Silbergefäße an, in denen zur Krönung von Edward VII. im Jahr 1902  Gangeswasser transportiert wurde, das dem damaligen Maharaja als Trinkwasser diente. Die Dinger wurden aus Silbermünzen hergestellt, wiegen pro Stück 345 kg und fassen 4100 l. Aufgrund des Silbergehalts der Gefäße blieb das Wasser frisch und der Reisende musste nicht das gefährliche westliche Wasser zu sich nehmen.

Dann kommt der gemütliche Teil. Wir lassen Guide und Fahrer am Stadtpalast zurück und schlendern durch die Pink City, bis wir ein Rooftop-Café finden, das direkt gegenüber dem Palast der Winde liegt. Wir sitzen also auf einer Terrasse mit direktem Blick auf Straßenchaos und rosa Fassade, genießen unsere kalten Drinks und ruhen uns etwas aus.

Dann stürzen wir uns in den Bazar und kaufen ein weiteres Hemd für Laca, das er gleich anbehält. Nachdem wir das Stadttor noch besichtigt haben, nehmen wir ein Tuktuk und fahren zurück.

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Leider vergisst mein lieber Ehemann und Reisegefährte sein Hemd (also das gebrauchte) beim Aussteigen auf dem Sitz. „Wie gewonnen, so zerronnen“ ist sein Kommentar dazu. Das Gefährt ist natürlich längst weg. Ich schlage vor, uns nochmal in ein Textilgeschäft zu begeben und den Verlust zu ersetzen, er hat aber keine Lust mehr. Also fahren wir ins Hotel und erholen uns am und im Swimmingpool.

 

Über Ranakpur nach Udaipur

9.3.25 Ranakpur, der Wahnsinn

Eine weitere lange Autofahrt steht uns bevor. Drei Stunden bis zum Jain-Tempel Ranakpur, danach noch einmal so lang bis Udaipur. Gut, dass mein Hörbuch lang dauert (Stephen King: Der Anschlag, 30 Stunden) und sehr interessant und spannend ist. Da schockt mich keine lange Fahrt mehr.

Das Ziel ist ebenfalls jede Strecke wert. Ranakpur ist ein Jain-Tempel, wahrscheinlich einer der schönsten der Welt, wenn nicht der Schönste.

1444 filigranst gearbeitete Säulen tragen 80 Kuppeln, die 29 Hallen überdachen. Götter und Dämonen, Darstellungen von Tieren, Menschen, Blumen und sonstigen Ornamenten in den hellen Hallen, deren Lichthöfe für eine freundliche und helle Atmosphäre sorgen, lassen einen staunend durch das Labyrinth schlendern und diese unglaubliche Kunst bewundern. Der Tempel wurde in 60 Jahren, von 1433 – 1496 von Dharna Shah erbaut, zu Ehren des damaligen Herrschers Rana Kumbha. Ein UNESCO-Weltkulturerbe, das seinesgleichen sucht.

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Die Jain sind eine Religionsgemeinschaft, die strenge Regeln zu befolgen hat, besonders, was die Ernährung betrifft. So darf nichts gegessen werden, das eine Seele besitzt, auch z.B. nicht Früchte, die in der Erde wachsen, damit durch die Ernte keine Tiere verletzt oder getötet werden. Außerdem müssen sie einmal im Leben die wichtigsten Jaintempel besuchen, um Erlösung zu erlangen. Da das nicht allen möglich ist, wurde hier eine Abkürzung eingebaut: Das dreieckige Relief enthält alle wichtigen Symbole, so dass, wer hier meditiert  hat, sozusagen virtuell bei allen wichtigen Tempeln war.

Die Religion ist eher eine Lebensweise. Es gibt keinen Gott, sondern 24 Thirthankaras, geistige Führer, die als Mittler zwischen der materiellen und der geistigen Welt gesehen werden. Diese werden in den Tempeln durch Figuren dargestellt, deren Augen silbrig leuchten. Wer in Askese und sittlicher Lebensweise die Grundregeln der Religion beachtet, kann Moksha, die Erlösung, erreichen. Der Jainismus geht auf Mahavira zurück, der die Religion im 6. Jh. vor Christus gegründet haben soll, in etwa zu Lebzeiten Buddhas, mit dessen Lehre sie einige Gemeinsamkeiten aufweist.

Wir bleiben etwa eineinhalb Stunden in den zugänglichen Hallen, dann fahren wir weiter nach Udaipur. Unterwegs halten wir an einer Wassermühle, die wie in alten Zeiten von einem Ochsen angetrieben wird, eine Tortur für das arme Tier, das den ganzen Tag im Kreis laufen muss.

Alle Touristenautos und -busse halten hier und schauen zu, fast könnte man meinen, dass es sich um eine gestellte Attraktion handelt, die aus Praktikabilitätsgründen (für die Touristen) direkt neben der Straße platziert wurde. Eine ähnliche Szenerie habe ich vor 11 Jahren, als ich schon einmal in Ranakpur und Udaipur war, auch gesehen, damals aber abseits der Straße mitten in einem Feld, wohin sich sonst keiner verirrt hat.

In Udaipur fällt uns sofort auf, wie sauber und wohlhabend die Stadt wirkt. Auf der Durchfahrt überall hübsche Wohnhäuser, sehr wenig Müll auf der Straße und lebendiges Treiben ohne größeres Chaos. Unser Hotel Fateh Niwas ist fantastisch. Ein Palast mit kleinen Tempeln im Garten, Dachterrasse mit Blick über Stadt und See, leckeres Essen und ein riesiges, luxuriöses Zimmer mit Balkon. Was will man mehr?

10.3.2025 Udaipur

Udaipur hält, was es verspricht. Gewaltig erheben sich die Mauern des Palastes über dem Pichola-See, der umgeben ist von bezaubernden Heritage-Hotels.

Der Stadtpalast ist einer der größten Indiens. Er besteht aus mehreren Teilen, von denen nur das Museum zugänglich ist. Das geht allerdings über 4 Stockwerke und zeigt das Leben der Maharadschas und Maharanis anschaulich, indem einige Zimmer noch original eingerichtet sind, Fotos und Gemälde die Lebensweise darstellen. Der Blick vom Palast ist umwerfend, der  Picholasee mit dem Lake Palace in der Mitte und Jagmandir Palace auf der anderen Insel ist ein Genuss für’s Auge.

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Wir besteigen ein Boot und fahren einmal um den See bis zum Jagmandir Palace.

Dort schlendern wir durch die wunderschön angelegten Gärten, freuen uns an dem hübschen Palasthotel und tuckern dann wieder zurück.

Nach der dringend benötigten Mittagspause in einem gemütlichen Gartenrestaurant schlendern wir durch die Gärten Saheliyon Ki Bari, eine bezaubernde Anlage mit kühlenden Wasserspielen, künstlich angelegtem Dschungel und Wegen zum Lustwandeln, die im 18. Jahrhundert für eine Prinzessin angelegt wurden, die sich zur Erfrischung einen Swimmingpool gewünscht hat, in dem sie mit ihren Hofdamen die sommerliche Hitze überstehen konnte. Auch die Maharajas trafen sich hier mit ihren Konkubinen, jeweils in anderen Teilen des Gartens, so dass für Amüsement und Erfrischung aller Beteiligten gesorgt war.

 

Zuletzt besuchen wir noch den Jagdish Tempel, der seit 1651 ununterbrochen im Gebrauch ist. Der Vishnutempel ist reich dekoriert mit verschiedensten Göttern und Dämonen, aber auch erotischen Szenen unterschiedlicher Konstellationen(Frau-Mann, Frau-Frau, Mann-Mann, auch gern mal zu dritt), die in den Marmorreliefs verewigt sind.

 

Innen singen Frauen Mantras. Sie sitzen vor dem Allerheiligsten mit den Figuren von Vishnu, Shiva und Shakti, sind bunt gekleidet und haben sichtlich Spaß. Die ganze Atmosphäre ist sehr entspannt und fröhlich, alle lächeln uns an und wollen Fotos mit uns. Kein Problem, dass wir Ungläubigen uns im Tempel herumtreiben und Fotos machen, das machen die Gläubigen auch. Uns wurde nahegelegt, dass wir im Tempel nicht fotografieren sollen. Allerdings zückt so ungefähr jeder, der reinkommt, das Handy, so dass wir uns auch nicht daran halten.

Nach soviel Programm freuen wir uns, abends wieder auf unserer Hotelterrasse  im Fateh Niwas mit dem spektakulären Blick zu sitzen und den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen.