Colca und Cusco

5.10.24

Nach einer kurzen Nacht mit vielen Unterbrechungen geht es zu einer der touristischen Hauptattraktionen: Dem Colca-Canyon. Über eine eher lückenhafte Straße erklimmt der Bus den Rand des Canyons, vorbei an spektakulären Bergwänden und abgeschiedenen Dörfern, die die fruchtbaren Ebenen im Tal bewirtschaften. Etwa 100 Höhenmeter vor den Aussichtsplattformen steigen wir aus und gehen den Rest zu Fuß, in der Hoffnung, die hier beheimateten Kondore zu Gesicht zu kriegen.

Die lassen sich erst spärlich und in der Ferne blicken, als sie, vom Wind getragen, in die Schlucht abtauchen und Aas suchen. Kondore sind die größten Geier der Welt und leben von toten Tieren, die die Dorfbewohner teilweise absichtlich liegen lassen, um die großen Vögel, die ihnen einen gewissen Wohlstand aufgrund des Massentourismus bescheren, zu pflegen und in der Gegend zu halten.

Der Rand des tiefsten Canyons der Welt befindet sich auf etwa 3300 m Höhe. Unten in der Schlucht sind es etwa 2200 m und wenn man vom Fluß bis zum höchsten Berggipfel am Rand misst, ist er 3269 m tief. Der Grand Canyon mit 1800 m Tiefe kommt da nicht mit.

Wir steigen auf bis zur höchsten Aussichtsplattform und werden mit einem direkt über uns fliegenden Riesenkondor belohnt, der allerdings so schnell wieder weg ist, dass ich kein Foto zustande bringe.

Danach wird es langsam voll auf den Aussichtspunkten und leer in der Luft. Wir bleiben noch ein bisschen, dann machen wir uns auf den Rückweg nach Arequipa, wieder über den 5000 m hohen Pass, den ich diesmal allerdings verschlafe. Wir sind bisher noch keinen Tag nach 6.00 Uhr aufgestanden.

6.10.24

Ein weiteres Mal stehen wir um eine unchristliche Zeit auf und fliegen in etwa 45 Minuten nach Cusco. Leider sind die Sichtfenster im Flieger so zerkratzt, dass es keinen Sinn hat, die Riesenberge am Horizont zu fotografieren.

Cusco gefällt mir ausnehmend gut. Eine hübsche Stadt, die sich aus dem von Inkas bewohnten ursprünglichen Tal über die umgebenden Berge verbreitet hat, besonders nachts ein wunderhübscher Anblick mit all den Lichtern. Im Zentrum steht die Kathedrale, wie überall, weitere Kirchen befinden sich nicht weit davon. Wir haben den Vormittag frei und genießen bei Kaffee und Empanadas das Treiben auf und um den Hauptplatz, auf dem – Sonntag- eine Parade für was auch immer stattfindet mit einem Aufzug von Musikkapellen, Soldaten, Schulkindern, Trachtengruppen usw. Nett, aber wir sind schon so voll mit Eindrücken, dass wir das Café vorziehen.

Mittags treffen wir unseren Local Guide, der mit uns zu diversen Inkaruinen mit unaussprechlichen Namen – Q‘enco, Pucapucara, Sacsayhuaman- fährt. Es finden sich fantastisch gebaute Mauern, die ohne Mörtel und Bindemittel auskommen, perfekt aufeinander gestapelte Felsbrocken, zugeschliffen und bearbeitet mit harten Steinwerkzeugen. Je nach Bedeutung des Gebäudes sind sie glattgefeilt oder robuster. Wenn man bedenkt, dass die Inkas weder Eisen als Werkzeug kannten noch das Rad, ist es nahezu unglaublich, was sie hier vollbracht haben.

Eine Hochkultur vom Feinsten, die von den Spaniern nach ca. 300 Jahren im Jahr 1532 schleunigst unterjocht wurde, nicht zuletzt wegen des mächtigen Staatsapparats, der sich von Ecuador bis Chile zog und viele Völker umfasste. Die Kinderopfer waren natürlich eine weniger sympathische Sitte, wobei die Christen auch nicht gerade zimperlich waren bei der Eroberung. Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein.

Am Ende schauen wir noch ein Dominikanerkloster in Cusco an, das auf den Inkaruinen dort errichtet worden ist. Sicher interessant, aber ich bin schon so erledigt von all dem Input, dass ich nicht mehr wirklich zuhöre. Das Leben von Dominik Guzman, dem Ordensgründer, voll von Grausamkeit und Wundern, ist mehr oder weniger spurlos an mir vorübergegangen.

Erholung bot die leckere Guacamole und die Fischplatte im Restaurant Uchu am Abend, wo wir den Tag ausklingen ließen.

Arequipa

3.10.2024

Einigermaßen ausgeruht fahren wir am Morgen zum Katharinenkloster in Arequipa. Beim Rundgang durch die Klosterstadt, die zeitweise 200 Leute beherbergt hat, erfahren wir, dass in dieses Kloster nur Novizinnen aus den besten – und reichsten- Familien des Bezirks aufgenommen wurden. Die Eltern verheirateten ihre erste Tochter, die zweite musste mit 12 Jahren ins Kloster. Nach vier Jahren Noviziat wurden die bedauernswerten Mädchen dann aufgenommen und durften die Welt nie wieder betreten. Wenn ein Priester kam, um sie zu unterrichten, wurde ein Vorhang zwischen ihm und den Mädchen gespannt, gleiches galt für die Handwerker, die die jeweils neuesten Häuser der Nonnen bauten. Da sie alle Töchter aus gutem Hause waren, hatten sie selbstverständlich ihre Dienstmägde dabei und vertrieben sich die Zeit mir sechs Stunden beten am Tag, ansonsten Handarbeiten und lesen. Ein Privileg für Mädchen der damaligen Zeit, undenkbar für uns. Die Familien profitierten durch hohen Status, wenn sie sich leisten konnten, eine Tochter dort unterzubringen.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts realisierte der Papst, dass es gefährlich sein konnte, eine Gemeinschaft mit 200 selbstverwalteten Frauen, die sogar ihre Äbtissin alle drei Jahre selbst wählten, mal einfach so machen zu lassen und verbot weite Teile der Klosterregeln. So mussten die Frauen in Zukunft gemeinsam kochen und essen, die Häuser blieben den älteren Nonnen vorbehalten. Langsam konnte sich die Gemeinschaft nach außen öffnen. Bis heute leben dort 18 Nonnen, die allerdings nicht mehr strenge Klausur einhalten, sondern verschiedenen Tätigkeiten nachgehen, um das Kloster zu erhalten.

Später besichtigten wir noch eine jesuitische Kirche im Mestizen-Barock. Diese Stilrichtung stellt eine Mischung aus europäischem Barock mit indigenen Symbolen dar, die es den Ureinwohnern erleichtern sollte, Sinn im Besuch der Messe zu finden und letztlich zum Christentum zu konvertieren. Was bis heute nur bei etwa 70% der peruanischen Gesellschaft gelungen ist, der Rest betreibt weiter Rituale, die den früheren Naturgöttern gelten und vermischt das mit dem offiziellen Katholizismus.

Da heute Kirchentag ist, sind wir gegen Abend noch in die Kathedrale, die von vorne ungemein breit aussieht. Wir hatten lange diskutiert, ob es sich um eine 5-schiffige Kirche handelt, als wir reingingen, stellten wir allerdings fest, dass die Breite von außen die Länge von innen ist.

Es gibt in Arequipa noch ein archäologisches Museum, in dem die Mumie eines Inka-Mädchens ausgestellt ist (respektive die Replika), das nach 500 Jahren im Eis des 6000ers nebenan gefunden wurde. Diese „Juanita“ wurde offenbar damals von den Inkas zur Besänftigung der Götter geopfert, man hat in der Gegend viele Kinderleichen in den Gletschern gefunden. Die besten Familien mussten ein Kind den Priestern überlassen, die dann die 12-13jährigen Mädchen auf die hohen Berge brachten, ihnen Maisbier und Coca einflößten und ihnen dann einen Stein auf den Kopf schlugen, um sie umzubringen. Man glaubte, dass die Seele dadurch zu den Göttern gelangte und Fürsprache für die Dorfgemeinschaft einlegen konnte. Unvorstellbar auch das.

Arequipa als Beispiel für die Grausamkeiten der diversen Religionen, nicht nur, aber hauptsächlich an den Mädchen, die sich nicht wehren konnten.

Nach all dem Grusel war es ein schöner Kontrast, im Zig-Zag, einem der besten Restaurants Arequipas, einzukehren und die köstlichen Speisen zu genießen.

5.10.2024

Heute früh wieder raus aus den Federn und ab zur nächsten Station. Wir fahren gemütlich aus der Stadt und nach Chivay. Unterwegs kehren wir in einer Station ein, in der es Kräutertee auf Coca-Basis gibt, decken uns mit Cocabonbons und Cocablättern ein und passieren dann einen 5000 m hohen Pass. Nachdem wir den hinter uns gelassen haben, wird uns eine Radltour angeboten, die ich eigentlich mitmachen wollte. Allerdings war mir schon auf dem Pass trotz Coca in allen Variationen so schwindlig und wackelig, dass ich es dann doch lieber gelassen habe, zumal der Bus den Fahrrädern auf der Straße hinterherfuhr, die gleichen Fotostops machte und mir also nichts entging.

Das mit dem Coca ist auch so eine Sache: Die Blätter, in die etwas Süßes eingerollt ist, schmecken bitter und hinterlassen Brösel im Mund. Einmal reicht. Die Bonbons sind ganz gut, es gibt sie in verschiedenen Variationen, Eukalyptus, Minze etc., aber sie wirken halt nicht. Der Tee ist genießbar, wenn auch bitter, macht abends wach. Insgesamt kann ich ganz gut auf das Zeug verzichten.

Angekommen in Chivay war ein Besuch in den Thermen angesagt. Eigentlich liebe ich sowas ja, aber ich bin halt nicht ganz fit, steinmüde und ich glaube, ich bin besser im Bett aufgehoben. Das Ganze ist doch recht anstrengend, jeden Tag so früh raus und den ganzen Tag unterwegs und die Höhe sowieso. Also lasse ich die Thermen aus und liege mangels anderer Unterhaltungsmöglichkeiten um halb sieben im Bett. Leider wird nebenan offenbar irgendwas gefeiert, die Musik dröhnt bis spät in der Nacht, mit Schlaf ist also wieder nicht viel.

Nasca

30.9./1.10.2024

Gestern sind wir nach Huacachina, nach den Schnäpsen. Dort haben wir beschlossen, nicht die riesigen Dünen hinaufzukraxeln, sondern uns einen Buggy zu mieten, der uns hinbringt. Das sah so aus, dass wir beim Verleiher in eine Gruppe reingesetzt wurden, die aus verschiedenen Nationen bestand, die wenig gemeinsame Sprachen hatten. Am Ende war es eine Riesengaudi. Wir sind die Dünen hinauf und hinunter geheizt, mit viel Geschrei und Gekicher und einem strikten Zeitplan. Der musste unbedingt eingehalten werden, sonst hätte der Guide uns nicht genau zum Sonnenuntergang auf einer Düne absetzen können, was natürlich spektakulär war.

Danach gab‘s noch Sandboarden, eine ebenfalls nicht mehr ganz junge Dame aus (beliebiges spanischsprachiges Land einsetzen) und ich hatten den größten Fez miteinander.

Heute waren wir endlich in Nazca, ein Kindheitstraum ging in Erfüllung. Seit ich mit ungefähr 12 Jahren Erich von Däniken gelesen hatte, wollte ich da hin. Die Linien sind beeindruckend. Man sieht sie nur aus dem Flugzeug, weshalb natürlich halbstündlich Flieger gehen. Der Flug über die Wüste ist ein Erlebnis, auch wenn es sehr gewackelt hat und mir ein bisschen schlecht war.

Die nächste Station war Chauchilla. Dort wurde ein riesiges Gräberfeld gefunden, das leider teilweise geplündert war. In den intakten Gräbern haben die Archäologen hockende Mumien gefunden, allesamt nach Osten ausgerichtet, um im neuen Leben die Sonne zu begrüßen. Die Körper wurden mit mehreren Lagen Baumwolle umwickelt und sind wohl mehrere hundert Jahre alt. Was ich ein bisschen schwierig finde, ist, dass die Mumien einfach so in ihren Gräbern hocken, ohne jeden Schutz vor Wind und Wetter und Touristen. So werden sie nicht mehr lang da sitzen, fürchte ich, der Verfall dürfte schnell fortschreiten.

Wir übernachten in Nasca (der Stadt), von wo aus wir morgen weiter nach Arequipa fahren, eine Strecke von 600 km.

2.10. Arequipa

Der Tag gehört der Panamericana. Wir steigen um 6.00 Uhr in den Bus und fahren. Und fahren. Und fahren. Nach etwa drei Stunden machen wir einen kleinen Spaziergang am Strand, um uns die Beine zu vertreten. Nach weiteren zwei Stunden halten wir an einer kleinen Markthalle und kaufen frischen Ananassaft. Dann geht es weiter durch spektakuläre Landschaften. Die Wüste fällt in den Pazifik. Hohe Berge versanden zunehmend, die Anden erheben sich mächtig im Hintergrund.

Mittagessen gibt es in einer Lastwagenfahrer Haltestation. Wir bestellen, natürlich, so direkt neben dem Meer, Ceviche und Fisch. Das Ceviche, geschnetzelter roher Fisch mit Limettensaft, Koriander und Olivenöl, ist das Beste, das ich je gegessen habe. Frischer geht’s nicht. Der gebratene Fisch ist auch fein und frisch, die Beilagen lasse ich weg.

Nach Sonnenuntergang kommen wir in Arequipa an, unser Hotel ist zum Glück in einer Seitenstraße. Der tosende Stoßverkehr am Abend hält uns auf, die Millionenstadt fährt gerade von der Arbeit nach Hause. Da Verkehrsregeln hier lediglich unverbindliche Empfehlungen zu sein scheinen, geht es entsprechend zu. Nach unserer Ankunft schlendern wir noch zum Ausgehviertel, genehmigen uns Pisco Sour und Nachos mit Guacamole und fallen erledigt ins Bett.