Schlösser und Reichtümer

2.4.22

Schönbrunn hat ja nicht nur vegane Restaurants, sondern auch ein Schloss. Für heute ist kein Regen angesagt, also machen wir uns auf den Weg und fahren mit der Trambahn bis vor den Eingang. Die teuren Tickets enthalten eine guided Tour, allerdings nicht mit Life-Guide, sondern mit Kopfhörern.

Ich war ja schon vor drei Jahren da, allerdings hatte ich da die kürzere Tour. Natürlich lohnt sich der Aufwand für die 20 Extra-Räume, es sind die schöneren, falls das noch möglich ist in all dieser Pracht. Nach einer Stunde Gold und Silber über uns atmen wir im Park durch und stellen fest, dass der eisige Wind uns Richtung U-bahn treibt.

Wir steigen am Naschmarkt aus und schlendern durch die Buden, lassen uns zu getrockneten Früchten verführen und bedauern, dass wir nichts einkaufen können mangels Küche. Hungrig landen wir in einer Pizzeria in einer Seitenstraße, die überdachten Buden sind alle voll und es regnet. Die köstliche Pinsa, eine leichtere Art von Pizza, gibt uns die Kraft, weiterzugehen und das nächste Museum anzusteuern.

Das Museum der Wiener Secession am Ende des Naschmarkts  sticht hervor durch seine auffällige Architektur, vor allem eine goldene Kuppel. Es ist eines der bedeutendsten Gebäude der Wiener Secession und beherbergt neben dem Beethovenfries von Klimt allerlei moderne Kunst. Das Fries ist ein Gesamtkunstwerk von Kunst und Musik, man betritt den Raum und setzt Kopfhörer auf, aus denen in Dauerschleife das Lied an die Freude, Beethovens 9. Symphonie ertönt, deren Text wiedergegeben wird durch die fortlaufende Darstellung seines Inhalts. Auch die anderen Abteilungen sind durchaus sehenswert, so z.B. ein Film über das unsäglich idiotische Verhalten der Menschheit hinsichtlich ihres bedrohten Fortbestandes und andere eher kryptische Kunstwerke der Moderne.

Nach dem Museum chillen wir etwas im Hotel und machen uns dann auf den Weg zu einem sehr schicken Restaurant mit Fusion-Küche, wo für jeden etwas dabei ist. Wir schließen den Tag ab mit ein paar Cocktails in einer netten Bar nahe dem Hotel, diesmal ohne politische Diskussion.

3.4.22

Schon ist der letzte Tag des Familientreffens angebrochen, den wir noch voll ausnutzen wollen. Wir nehmen uns das Kunsthistorische Museum vor, das gegenüber dem Naturhistorischen liegt und genauso groß, wenn nicht größer ist. Maria Theresia schaut von ihrem Sockel hinüber und wir folgen ihrem Blick.

Im Erdgeschoß erwartet uns die Menschheitsgeschichte: Von der ägyptischen über die griechische zur römischen Abteilung, alle bestens bestückt und dekoriert schlendern wir durch die Schätze des österreichischen Kaiserreichs.

Danach sind die Schätze der Kunstkammer Wien, 20 Säle mit exquisiten Kunstwerken, an der Reihe. Nach Themen geordnet führen die Wege uns zu Kleinodien, raffinierten mechanischen Automaten, Elfenbeinschnitzereien und sonstigen Kuriositäten. Wir können es kaum fassen, wieviel Schönheit und Erfindergeist hier versammelt ist.

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Da wir immer noch nicht genug haben, steigen wir durch das prächtige Treppenhaus in die Gemäldegalerie, die geradezu explodiert vor hochkarätiger Kunst. Hier findet sich alles, was Rang und Namen hat, Vermeer, van Dyck, Rubens, Tizian, Tintoretto, Bosch, Dürer, Rembrandt, Raffael und so weiter. Besonderes Augenmerk legt die Sammlung auf Pieter Bruegel den Älteren. Fantastisch.

Das einzige, was mich etwas seltsam anrührt ist ein Bild von Hélène Fourmant, der zweiten Ehefrau von Peter Paul Rubens, mit der er von 1630-1640 verheiratet war. Sie ist 1614 geboren, war also 16 Jahre alt bei der Hochzeit mit dem damals 53jährigen Maler.

Als wir die wesentlichen Säle besucht haben, treffen wir uns alle in der umwerfenden Caféteria. Wir konsumieren nichts, sondern treffen uns mit Kilian in einem der umliegenden Cafés im Museumsquartier. Dort klingt unser Ausflug aus, die Kinder fahren mit dem Zug nach München und wir machen uns auf den Weg zur nächsten umwerfenden Stadt: Budapest.

 

Dinos und mehr

1.4.22

Sonja will Dinos anschauen. Wir wollen alle auch, denn die Dinos sind im Naturhistorischen Museum, einem Prachtbau am Maria-Theresien-Platz und dazu noch eines der größten Museen in Österreich.

Die Ausstellung heißt KinoSaurier und befasst sich mit der Darstellung von Sauriern im Kino, von Zeichentrickfilmen der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts bis hin zu King Kong, Godzilla und natürlich Jurassic Park.

Um da hinzukommen muss man allerdings durch praktisch das ganze Museum. Julia bleibt bereits bei den Mineralien ganz zu Beginn hängen, sie findet Steine anscheinend toll. Wir arbeiten uns weiter durch Kleinstlebewesen, Lurche, Vögel und was da sonst noch so zu sehen ist bis hin zu den Säugetieren, die von klein nach groß und nach Kontinenten geordnet sind. Es ist fantastisch. Sowohl die Auswahl der Exponate als auch deren Anordnung ist hervorragend konzipiert, am Ende sind wir etwa fünf Stunden unterwegs, bis sie uns rausschmeißen.

Besonders beeindruckend finde ich die Venus von Willendorf, eine 11 cm kleine Statuette, die 30 000 Jahre alt ist. Die Funde dort bezeugen, dass es in der Steinzeit keine festen Rollenbilder der Geschlechter gab, die Annahme, dass Männer jagten und Frauen sammelten, stimmten nie. Sie ist Zeugnis einer diversen Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleich geachtet waren und gleichermaßen alle Aufgaben erfüllten.

Die Caféteria unter der Kuppel in der Mitte des Gebäudes ist selbst schon einen Besuch wert. Wir unterbrechen den Marathon kurz bei etwa der Hälfte und stärken uns mit exquisiten Wiener Köstlichkeiten.

Voll von faszinierenden Eindrücken schlendern wir weiter durch die Stadt und lassen uns in einem nahegelegenen kleinen, aber feinen Café nieder, wo wir uns bei Snacks und Kuchen ausruhen.

Abends fahren wir mit der U-Bahn nach Schönbrunn, wo Melli ein nettes veganes Restaurant gefunden hat, in dem es Wiener Spezialitäten in vegan geben soll. Ich bestelle ein Gulasch, die anderen Schnitzel. Das Fleisch wird durch Seitan ersetzt, die Panade ist ohne Ei, das Gulasch wird begleitet von sehr pappigen Nockerln. Am Ende bleibt die Feststellung, dass die Idee des Kochs vielleicht ganz gut war, die Umsetzung aber eher nicht. Die Nichtvegetarier unter uns bleiben dann doch lieber bei der Originalversion, die anderen einigen sich darauf, dass die Kopie das Original nicht ersetzen kann und dass sie in Zukunft lieber „echte“ vegane Gerichte essen als so einen Verschnitt. Macht ja nichts, wir haben es probiert und spülen den etwas faden Nachgeschmack in einem Beisl runter. Dort lernen wir den örtlichen Stammgast Kurti kennen, der Mühe hat, zu artikulieren und sich die Antworten auf seine drängenden Fragen zu merken. Der ist wohl schon zu lang Stammgast.

 

Wien, Pentatonixlos

31.3.22

Es ist immer eine Freude, wenn wir als Gesamtfamilie etwas unternehmen. Deshalb haben wir 2019 Konzerttickets für alle für „Pentatonix“ in Wien im Mai 2020 gekauft, das war uns näher als Köln, wo sie auch auftreten sollten. Was dann passiert ist, dürfte keinem entgangen sein. Das Konzert wurde auf April 2021 verschoben, dann auf 2. April 2022.

Nachdem keine Absage kam, ist das Hotel gebucht, Mellis Anreise organisiert, Urlaub genommen.  Zwei Tage vor der Abreise schaue ich nur zur Vorsicht auf die Homepage des Veranstalters und muss zu meiner Überraschung feststellen, dass sich das Datum für das Konzert offenbar wieder geändert hat: 17.5.2023. Ich rufe leicht in Panik dort an und eine freundlicher Mitarbeiter eines örtlichen Call Centers erklärt mir, ich habe eine Email bekommen am 8.3., in der ich informiert worden sei. Was nicht stimmt. Was immer noch nicht stimmt, nachdem ich alle Spam-, Junk- und Gelöscht-Ordner meines PC durchforstet habe. Was aber natürlich nichts an der Tatsache ändert, dass unser Ausflug so wie geplant wohl nicht stattfinden wird.

Zum Glück findet in dieser Familie jeder reisen lustiger als arbeiten, wir fahren also trotzdem.

Angekommen in Österreichs Hauptstadt checken wir in unserem Arte-Hotel ein, direkt an der Stadthalle, wo das Konzert sein sollte. Wir spazieren in die Innenstadt und führen unseren Töchtern gleich am Abend die Mariahilferstraße vor mit dem fantastischen Burgviertel am Ende.

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Durch den Graben geht es zum Stephansdom, wo gerade eine Messe stattfindet,  es ist ja immer ein besonderer Moment, wenn man bei Orgelmusik eine große Kirche betritt. Trotz aller Verfehlungen der Katholischen Kirche und trotz aller Zweifel an der christlichen Lehre ist dieser Moment immer auch ein Ausdruck europäischer Kultur, der kaum jemanden unberührt lässt.

Weil wir schon in der Stadt sind, suchen wir uns ein nettes Restaurant mit österreichischer Küche. Unsere vegetarischen und veganen Kinder sind dabei ein bisschen problematisch, denn die österreichische Küche ist nicht bekannt für ihre ausgesuchten Gemüsegerichte. Da aber auch die Köche in Wien den Gong schon gehört haben, gibt es überall ein, zwei Möglichkeiten, so dass alle etwas finden. Dort stößt auch mein Neffe Kilian zu uns, der schon länger in Wien wohnt und sich freut, Tante, Onkel und Cousinen zu sehen.

Der Verdauungsspaziergang zurück zum Hotel führt uns an einer lustigen Bar vorbei, in der wir noch diverse Drinks zu uns nehmen und in eine heftige Diskussion über die aktuellen politischen und Lifestyle-Themen geraten. Alle regen sich auf, schreien durcheinander, bezichtigen sich gegenseitig, den jeweils anderen nicht ausreden zu lassen bzw. mit Totschlag-Argumenten und Whataboutism ins argumentative Nirvana zu stürzen. Am Ende schlendern wir hoch zufrieden Richtung Hotel und versichern uns, dass wir diese Diskussionen lieben und dass das nichts mit unserer Wertschätzung und Zuneigung zu den anderen zu tun hat.