Kecskemét: Feiern und Völlern

Am Samstag heißt unser Ziel Kecskemét. Dort findet die Party von Géza statt, den ich seit etwa 30 Jahren nicht gesehen habe. Ich komme als Überraschungsgast mit.

Die Fahrt durch die völlig flache ungarische Landschaft ist unkompliziert, alles ist über die Autobahn erreichbar. Angekommen, denke ich, was für eine hässliche Stadt. Der Eindruck relativiert sich sofort, als wir in die Innenstadt kommen. Auch hier wunderschöne Barock- und Gründerzeit- Bauten, teilweise mit EU- und UNO-Geldern renoviert. Wir checken ein in unserem Hotel „Három Gunár“ und machen uns auf den Weg.

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Géza wohnt in einem alten, traditionell gebauten Bungalow mit Innenhof, sehr liebevoll hergerichtet, uneinsehbar, die ideale Location für ein Fest. Als er mich sieht, freut er sich überschwänglich und wird nicht müde zu betonen, dass er mich natürlich eingeladen hätte, hätte er nur daran gedacht. Aber das war ja klar.

Die Party beginnt im Garten und wird dann, zum obligatorischen Kesselgulasch, im ausgebauten Kellergewölbe weitergefeiert. Es ist ein typisch ungarisches Fest: Alle reden und singen und gestikulieren gleichzeitig, der Lauteste gewinnt. Und alle essen und trinken, soviel sie können.

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Als alle heiser und satt und betrunken sind, treten wir den Heimweg an.

Unmittelbar nach dem morgendlichen Frühstück im Hotel treffen wir uns in den Markthallen zu einem ersten Lunch. Die Kneipe ist sehr urig, Touristen sieht man keine. Es gibt ungarisches Traditionsgebäck und deftige Speisen, habe ich schon gesagt, dass Ungarn die Garantie dafür bietet, ein paar Pfund zuzunehmen? Man kann einfach nicht anders als ununterbrochen zu essen und zu trinken, sonst sind entweder die Gastgeber beleidigt oder man selber wird als unlustiger Asket betrachtet. Ganz abgesehen davon, dass einem ja wirklich was entgeht. Die Küche ist fett, fleischlastig, schwer, aber lecker. Die Nachspeisen sind weltberühmt. Man kann nichts auslassen, völlig unmöglich.

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Danach führt uns Géza in der Innenstadt herum und zeigt uns die schönsten Ecken. Die Stadtführung endet in einer Eisdiele. So als Zwischenmahlzeit nach Frühstück und Pre-Lunch.

Es wäre nicht Ungarn, würde es nicht unmittelbar zum Mittagessen weitergehen. Wir treffen in einer netten Csárda ein, wo wir einen zweiten Lunch einnehmen. Die frisch gebackenen Champignonköpfe mit gebackenen Kartoffeln, Reis und Sauce Tartar stehen auf der Vorspeisenkarte, reichen aber – würde man alles essen, was auf dem Teller liegt – locker für 2-3 Mahlzeiten. Dazu werden Pogatschen gereicht, ein leckeres, aber schweres salziges Gebäck mit viel Schmalz, das allein schon satt macht. So kenne ich das von früher, so muss das hier sein.

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Nach dem Lunch beschließen wir, uns ein Kulturfestival in der Bugac-Puszta anzuschauen. Dort werden alte ungarische Fertigkeiten und Traditionen gefeiert, wie Pferdevorführungen, Csikós-Peitschen-Darstellungen, ein Jurtendorf, ein Mittelalter-Markt und – natürlich- eine lange Reihe Stände mit ungarischen Speisen. Wir sind so satt, dass wir uns zu nichts entschließen können, bis Leslie verschiedene Strudel vor uns hinstellt. Die müssen dann wohl doch sein.

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Am Montag beschließe ich, Cica in Ruhe diverse Dinge erledigen zu lassen und nach all der Fahrerei ein wenig in Budapest herumzulaufen. Ich bin neugierig, wie sich die Stadt seit 2008 entwickelt hat und mache mich allein auf den Weg.

Der Vorortzug bringt mich von Pilisváros zum Nyugati Pályaudvar, dem Westbahnhof. Von dort laufe ich zur Donau und Richtung Parlament. Das umrunde ich und schlage mich dahinter in die Stadt, am Mahnmal für die in der Nazizeit ermordeten Ungarn vorbei bis zum jüdischen Viertel. Nach einigem Fußmarsch stehe ich vor der Hauptsynagoge und beschließe, sie von innen zu besichtigen.

Die Synagoge ist ganz etwas Besonderes, weil sie aufgebaut ist wie eine Kirche. Die Architekten wollten damit die Assimilation der ungarischen Juden in ihrer Heimat ausdrücken. Der Altar, der sich normalerweise in Synagogen in der Mitte befindet, liegt vorne, es gibt drei Schiffe und zwei Kanzeln und -weltweit einzigartig – eine Orgel, auf der auch Konzerte gegeben werden.

Im Garten befinden sich 24 Massengräber, in denen die Menschen bestattet sind, die nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur hier gefunden worden sind. Angehörige haben  Gedenktafeln angebracht, damit zumindest einem Teil der Opfer Namen zugeordnet werden können.

Im hinteren Teil steht der „Baum des Lebens“, ein Edelstahlkunstwerk, das anmutet wie eine Trauerweide. An den hängenden Zweigen sind Silberplättchen mit den Namen von 4000 Opfern angebracht. Steht man vor dem Baum, erkennt man, dass die Form auch als umgedrehter siebenarmiger Leuchter gesehen werden kann. Der Leuchter ist das Symbol von Chanukka, dem Lichterfest. Die Umkehrung soll symbolisieren, dass es für die Ermordeten kein Licht der Welt mehr gab.

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Den ausgiebigen Rundgang durch die Innenstadt beschließe ich im „Dunacorso“, einem Traditionsrestaurant am Ufer der Donau, mit Kaffee und Kuchen.

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Nach der Rückkehr zu Cica kehren wir noch in einer netten Csárda auf dem Land ein, wo wir uns an einem See bei Fogas und Fröcs (Fisch und Weißweinschorle) von den wunderbaren, lustigen, interessanten und anstrengenden Tagen erholen.

Modigliani und der blinde Béla

Heute steht Kultur auf dem Programm. Nach einem gemütlichen Frühstück ziehen wir los. Wir wollen in die Modigliani-Ausstellung in der Nationalgalerie am Burgberg.

Scharen von Touristen erwarten uns dort, von denen jedoch die meisten in die ständige Ausstellung wollen. Die Bilder sind in einen historischen Zusammenhang mit anderen zeitgenössischen Malern gestellt, schön, allerdings hatte ich mir etwas mehr erwartet. Mehr Bilder vor allem.

Nach dem Kulturgenuss bringt uns Laca in der historischen Altstadt des Burgviertels in ein kleines Restaurant zum Lunch.

Von dort laufen wir zum Auto zurück und bemerken ein Schild, das auf das Labyrinth unter der Burg hinweist. Ich als Tourist schlage den Einheimischen vor, das doch anzuschauen.  Wir  Modigliani und der blinde Béla weiterlesen

Budapest

11. August 2016

Nach acht Jahren habe ich mich entschlossen, einmal wieder nach Budapest zu fahren. Anlass war die Einladung einer lieben Freundin, die ein Haus in einem Vorort besitzt und teilweise hier, teilweise in München lebt. Da traf es sich gut, dass sie bei einem gemeinsamen Bekannten zu einer Party eingeladen war, zu der ich sie begleiten konnte.

Meine Entscheidung, mit dem Zug nach Ungarn zu fahren, habe ich nicht bereut. Ich steige in München in den Railjet, der mich in sieben Stunden zum Budapest Keleti Bahnhof bringt, wo letztes Jahr so viele Flüchtlinge gestrandet sind. Im Zug ist für jeden Komfort gesorgt, sogar das W-lan funktioniert. Der Service der 1.Klasse ist erfreulich, so dass es wohl etwas länger als mit dem Auto dauert, die Reise dafür bequemer und komfortabler für eine entspannte Ankunft sorgt.

Cica holt mich vom Bahnhof ab und wir fahren zunächst in die Innenstadt. Meine Überraschung, wie schön Budapest geworden ist und wieviel sich hier in den letzten Jahren getan hat, ist groß. Große Fußgängerzonen mit frisch renovierten Gründerzeit-Häusern führen an unzähligen Cafés und Restaurants vorbei, die sämtlich gut ausgelastet scheinen.  Nach einem kleinen Rundgang beschließen wir, den Aperitif im Gerbeaud einzunehmen, einem alten Budapester Traditionscafé mit großer Terrasse. Dort genießen wir, die vorbeilaufenden Menschen beobachtend, einen Aperol Spritz und freuen uns über den schönen Abend.

Nach einem weiteren Spaziergang durch die Einkaufsstraßen, vorbei an der Basilika und entlang allen Shops, die Europa auch anderswo zu bieten hat, beschließen wir, dass es jetzt Zeit für einen Imbiss ist. Wir lassen uns in einem der hübschen italienischen Restaurants nieder, wie sich später herausstellt, anscheinend einer der angesagtesten Plätze der Stadt.

Danach spazieren wir zum Auto zurück, an der Donau entlang, und ich kann meine Begeisterung nicht verhehlen. Was für ein Unterschied zu der Stadt, die ich vor mehr als 35 Jahren erstmals kennen gelernt habe! Damals war deutlich sichtbar, dass Budapest einst eine wunderschöne, nahezu vollständig aus einer einzigen Stilperiode stammende Hauptstadt war, die jedoch durch – damals – 30 Jahre Kommunismus eine nicht mehr als romantisch zu bezeichnende Patina angesetzt hatte. Die üppigen Jugendstilfassaden waren abgeblättert, überall hatten die 2-Takt-Motoren der Trabants einen schwarzen Film auf den Häusern hinterlassen, die wenigen Geschäfte waren armselig ausgestattet und zu kaufen gab es nichts, was einen wirklich interessiert hätte.

Im Gegensatz zu heute.

Die Stadt kommt mit jeder europäischen Hauptstadt locker mit, die weltberühmte Silhouette des Parlaments an der Donau, die Burg und die Fischerbastei gegenüber und die von reichem Bürgertum kündenden Wohnhäuser am Donauufer sind frisch renoviert und strahlen in neuem Glanz. Luxuriöse Restaurants an der Promenade laden zu Kaffee und Kuchen oder ungarischen Speisen ein, es ist ein Vergnügen, dort entlang zu schlendern und den Sommer zu genießen.

Später fahren wir an den Stadtrand, wo Cica eine hübsche Villa in einem parkartigen Vorort besitzt. Der Trubel der Stadt liegt bald hinter uns und wir genießen die Ruhe auf der Terrasse.

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