Ilomapetec, Apaneca und die Dörfer: Ein bunter Abschluss

29.4.2023

Jetzt wird’s nochmal anstrengend, wir besteigen den Vulkan Ilomapetec bei Santa Ana. Zuerst müssen wir etwa eine Stunde bergab laufen, und das heißt laufen, nicht gehen, um zum Eingang des Aufstiegs zu kommen, der normalerweise um 10.30 Uhr schließt, damit die Wanderer, die den Krater des Ilomapetec erklimmen, auch rechtzeitig vor Sonnenuntergang wieder zurück sind. Das schaffen wir nicht ganz, aber freundlich, wie die Salvadorianer sind, warten sie auf uns.

Der Weg führt zunächst durch den Wald bergauf über hohe Stufen, bis er in einen Pfad übergeht, der uns durch diverse Vegetationszonen führt. Auffällig sind die vielen Agaven, von denen einige ihre Blüte entwickelt haben, die eher aussieht wie ein Baum und nach einmaligem Erblühen abstirbt mit der gesamten Pflanze.

Von einem Aussichtspunkt sehen wir die Umgebung, die leider zum Teil im dichten Nebel liegt.

Wir hoffen, die Caldera noch zu erreichen, bevor der Nebel hochsteigt und vor allem, bevor es anfängt zu regnen. In den Alpen wäre es in einer halben Stunde so weit. Hier sind der lokale Guide und Rafael guter Dinge, dass wir es schaffen. Also keuchen wir bergauf, der als „na ja so mittelschwer bis schwer und leicht, also leicht bis mittel aber auch schwer“ beschriebene Weg fordert uns durchaus nach den langen Tagen im Bus. Macht nichts, Bewegung hat noch nie geschadet. Keine/r gibt auf.

Die Belohnung wartet oben:

Eine Caldera wie aus dem Bilderbuch, steile Hänge aus vulkanischem Gestein fallen ab in einen türkisfarbenen See aus schwefeligem Wasser, der Anblick öffnet sich erst ganz zum Schluss. Wow!

Unterwegs begegnen wir massenhaft Leuten, die alle früher als wir aufgestiegen sind, darunter eine Gruppe Amishen-Frauen mit Kopftüchlein und altmodischen Kleidern. Dafür haben wir den Ausblick am Gipfel praktisch für uns. Wir bewundern und fotografieren alles, einige lassen sich von örtlichen Händlern zu einem kühlenden Eis überreden, das die in Kühlboxen herauf geschleppt haben. Ich halte mich an meine mitgebrachten Müsliriegel und das Sandwich, dann muss ich die nicht mehr wieder mit runter nehmen.

Der Abstieg zieht sich, am Ende verstehen wir gut, warum der Eintritt nur vormittags möglich ist.

Am Ziel belohnen wir uns mit geschnittenen Mangos, die es hier überall zu kaufen gibt und laufen weiter den Berg hinab zu unserem guten Ismael, der schon auf uns wartet und uns nach Tibet bringt.

Nein, das war kein Satz aus einer anderen Reise, Tibet heißt hier ein Dorf, das von der Verköstigung der Wanderer an Straßenständen lebt. Ob es sich um ein Festival handelt oder die Stände immer da sind, haben wir vor lauter Hunger vergessen zu fragen. Die Pupusas, mit Käse und Blüten gefüllte Tortillas, schmecken, die Tamarindenlimonade auch, der Tag ist gerettet.

Auf dem Heimweg kommen wir an einer stillgelegten Eisenbahn vorbei, die ihren Dienst einstellen musste, weil wegen der ständigen Erdbeben in der Gegend dauernd die Schienen verbogen waren und ersetzt werden mussten. Das hat sich auf Dauer nicht gelohnt, deshalb blieb von der Strecke nur ein Museumsstück übrig.

30.4.23

Die Reise neigt sich dem Ende zu, heute steht die Rückkehr nach Guatemala an. Vorher besuchen wir noch drei Dörfer, in denen Samstag Markttag ist, was für Einheimische und Touristen aus dem In- und Ausland ein schönes Wochenendziel ergibt.

In Apaneca kommen wir früh an, die Stände und Geschäfte sind fast alle noch geschlossen und wir können beobachten, wie eines nach dem anderen aufmacht. Letzte Souvenirs werden ergattert, letzte Mangos verschlungen, ein Kaffee in einem der schönen Cafés gehört natürlich auch dazu.

Drei gestrenge Polizisten freuen sich, als ich frage, ob ich sie fotografieren darf und stellen sich sofort in Position.

Bei einem Fotostopp genießen wir ein letztes Mal die Vulkane in der Ferne.

In Ataco schlendern wir über den Hauptplatz und entdecken eine Musikkapelle, die auf ein Hochzeitspaar wartet, das angeblich später aus der Kirche kommen soll. Der Gitarron-Spieler drückt mir sein Instrument in die Hand, leider bin ich nicht sehr gebildet, was das betrifft und kann es nicht spielen.

Wir besuchen einen 350 Jahre alten Lebensbaum, der am Rand eines weiteren Dorfes steht.

Zum Abschluss führt uns Rafael nach Yujuya, ein Städtchen, das mit Essensständen und Musik gefüllt ist. Es herrscht ein unglaublicher Krach, überall wird gesungen, geredet, geschrien und gegessen. Wir schlagen uns in eine Seitenstraße und lassen uns Terra y Mar kredenzen, gegrilltes Rind und Shrimps, dazu Bohnen mit Reis.

Dann geht es über die Grenze zurück nach Guatemala.

Wir kommen abends im Hotel an, gönnen uns ein letztes Mahl und werden morgens nach einer sehr kurzen Nacht um 3.00 Uhr zum Flughafen abgeholt.

Der Rückflug ist strapaziös und lang. Trotzdem war diese fantastische Reise jede Mühe wert. Wir haben eine großartige Kultur kennen gelernt, tolle Landschaften erwandert und, vor allem, sehr nette und herzliche Leute getroffen, in allen drei Ländern. Das Fazit ist auf jeden Fall: Guatemala ist definitiv eine Reise wert und wenn man schon da ist, sollte man Honduras und El Salvador auch unbedingt kennenlernen.

El Salvador

27.4.2023

Wir reisen weiter nach El Salvador, bis vor wenigen Jahren eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Die das Land beherrschenden Maras, kriminelle Banden, die, vergleichbar der Mafia in Sizilien, ihr Einkommen hauptsächlich aus dem Eintreiben von Schutzgeldern beziehen, terrorisierten das ganze Land derart, dass sich kaum jemand nach Sonnenuntergang aus dem Haus traute. Das Land ist bitter arm, 48% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Von 1980-1991 herrschte ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen der Militärdiktatur und marxistischen Gruppen, dem 75 000 Menschen zum Opfer fielen. Seit 2019 ist Präsident Nayib Bukule an der Macht, ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt, das sich hauptsächlich die Befreiung des Landes von den Banden zum Ziel gesetzt hat. Seither ist die Kriminalität dank drastischer Maßnahmen, die ihrerseits durch internationale Beobachter durchaus kritisiert werden, deutlich gesunken. Die Bevölkerung dankt es dem Präsidenten, der große Zustimmung erfährt, die kritisierten Menschenrechtsverletzungen halten die Leute eher nicht für so wichtig. Wenn das mal auf Dauer gut geht.

Wir sehen uns zunächst die Stadt Sta. Ana an, ein hübsches Städtchen, in dem wir von Rafael „freigelassen“ werden, um einen Kaffee zu trinken und uns umzusehen.

Dann fahren wir weiter nach Joya de Cerén, dem „Pompeji Amerikas“. Die einzigartige Ausgrabung legt ein Dorf der Mayas frei, das von einem Ascheregen des nahegelegenen Vulkans verschüttet worden war. Offensichtlich konnten die Bewohner rechtzeitig fliehen, menschliche Leichen wurden nicht gefunden, jedenfalls bis jetzt. Nur eine Ente hat die Katastrophe nicht überlebt, sie war in einem Gehege eingezäunt, aus dem sie nicht mehr herausgekommen ist. Wir halten eine Gedenkminute für die arme Ente und gehen weiter.  Die Ausgrabung zeigt das dörfliche Leben, nicht das der Eliten wie in Copan oder Tikal. Dazu gehört der vollständig restaurierte Bau einer Sauna, die mit Kräuteraufgüssen erhitzt worden ist und der Reinigung von Kranken und Gebärenden diente.

Unser Hotel bietet ein fantastische Aussicht auf die Umgebung, Seen und Vulkane. Leider ist es sehr diesig, so dass die Stimmung zwar mystisch anmutet, die Berge aber nur schemenhaft zu sehen sind. Das Hotel ist nett, da wir aber nur eine Nacht in Suchitoto verbringen, können wir es nur zum Frühstück genießen.

Suchitoto ist ein koloniales Örtchen mit vielen Cafés und hübschen Souvenirläden, unter anderem einer Werkstatt für Kleidung und Deko aus indigogefärbter Batik. Die Sachen sind hübsch, besonders die Wandbehänge habe es uns angetan. Da die Shirts und Kleider aber nicht farbecht und viel zu teuer sind, halten wir uns beim Einkauf zurück und nehmen nur die selbstgebatikten Schals aus dem kurzen Workshop mit.

Den Nachmittag verbringen wir in San Salvador, der absolut grauenhaften Hauptstadt des Landes. Wir besichtigen die Kathedrale und erfahren die Geschichte von Erzbischof Oscar Romero, der 1980 hier ermordet wurde, weil er versuchte, die Katholiken zum Frieden zu bringen und gegen den aufflackernden Bürgerkrieg predigte. Er trat für soziale und politische Reformen ein und stellte sich damit gegen die regierende Militärdiktatur. Während einer Messe wurde er von Milizen erschossen. Sein Tod gilt als der Beginn des Bürgerkriegs, der 12 Jahre dauerte.

Anschließend spazieren wir noch etwas in der Stadt herum und schauen uns die Umgebung der Kathedrale an. Hier gibt es noch viel zu tun, um den Eindruck einer heruntergekommenen Stadt, in der nichts mehr vom urspünglichen, vielleicht einmal vorhandenen Glanz übrig ist, zu verändern.

Wir quälen uns stundenlang durch den endlosen Stau am Feierabend aus der Stadt hinaus. Entlang der „Straße der Blumen“ fahren wir nach Apaneca, wo wir die nächsten zwei Nächte verbringen werden. Es geht vorbei an slumartigen Siedlungen inmitten üppiger Blüten und ausgedehnten landwirtschaftlichen Flächen, laut Rafael sind die Leute hier trotz der einfachen Umstände glücklich, weil sie in der Natur leben. Das glauben wir nach dem Besuch der Hauptstadt gern.

18 Kaninchen: Copan in Honduras

26.4.2023

Unser Hotel liegt ganz nahe an den Ruinen von Copan, etwa eine halbe Stunde nach der Grenze zu Honduras. Wir brechen morgens zu Fuß auf und spazieren zum UNESCO-Welterbe Gelände.

Am Eingang warten in den Bäumen ein paar rote Aras auf uns. Auf unsere etwas misstrauische Frage, ob die frei sind oder hier wohnen, bekommen wir die Anwort, beides. Die Vögel werden im nahegelegenen Vogelpark aufgezogen, in dem verletzte oder im Käfig gehaltene Vögel aufgepäppelt werden und sich vermehren. Die Käfigvögel können nicht mehr ausgewildert werden, da ihnen in den meisten Fällen die Flügel gestutzt wurden. Wenn sie sich aber vermehren, dann werden die Jungvögel, wenn sie flügge sind, hierher gebracht und ausgewildert, allerdings bekommen sie Brutkästen und auch Futter, damit sie im Park bleiben, wo sie sicher sind vor Wilderern und Vogelfängern.

Beim Weitergehen können wir all das beobachten, die Vögel fliegen frei, die Bruttonnen sind besetzt, schaut alles gut aus. Nach einem kleinen Spaziergang durch den Park erreichen wir die Ruinen.

Die Ruinen sind nur zu einem kleinen Teil freigelegt, der Rest ist Urwald. Zuerst sehen wir wieder den Ballspielplatz, auf dem Ballspieler, die nur zu diesem Zweck erzogen wurden, die Götter anrufen sollten. Der Gewinner wurde geopfert, nachdem ihm Drogen zur Bewußtseinserweiterung oder Betäubung oder beides eingeflößt wurden. Bei weniger wichtigen Ballspielen konnten die Spieler auch Kriegsgefangene sein, ähnlich den römischen Gladiatoren. Brot und Spiele zur Besänftigung und Unterhaltung der Bevölkerung, wie überall.

Unter einer schützenden Plane, die Wind und Regen abhalten soll, befindet sich die zentrale Treppe, auf der feinst gearbeitete Zoomorphen und kultische Statuen die Macht des Herrschers darstellen.

Die Stelen und sonstigen Statuen sind aus grünem Tuffstein gearbeitet, der sich in der Umgebung findet. Die Wasserversorgung wurde durch den Rio Copan sichergestellt, der auch als Wasserstraße für die Stadt in und von den anderen Maya-Zentren diente. Auch Obsidian wurde zu scharfen Klingen verarbeitet, eines der größten Jadevorkommen befindet sich in der Nähe.

 

„Darf ich vorstellen: 18 Kaninchen“ beginnt Rafael die Führung. Rätselhafte Stelen, wir erkennen bestenfalls eine menschliche Herrschergestalt. Rafael grinst, als er unsere Verwirrung sieht und erklärt, dass die Namen der Maya-Herrscher aus dem Rauch des Feuers bei deren jeweiliger Geburt abgeleitet wurden, was bei diesem König zu dem netten Namen führte. 18 Kaninchen war ein großer König, er  legte die Stadt im Einklang mit den astronomischen und mythischen Gegebenheiten an und ließ sich selbst als  Ballspieler darstellen. Offenbar wurde er jedoch nicht geopfert, weshalb auch fraglich ist, ob er jemals selbst an einem Ballspiel teilgenommen hat. Der Ballspielplatz selbst stellte einen mythischen Eingang zur Unterwelt dar.

In Copan gibt es neben den beeindruckenden Ausgrabungen auch ein bemerkenswertes Museum, in dem ein alter Mayatempel in Originalgröße aufgebaut ist. Er wurde entdeckt als buntestes und vollständig erhaltenes Zeugnis vergangener Zeiten. Leider verlor der Tempel innerhalb weniger Tage durch die Berührung mit Sauerstoff  vollständig seine Farben. Das Gebäude wurde gefunden bei der Ausgrabung eines darüber liegenden, anderen Tempels, der überbaut worden war. Das war so kunstvoll gemacht, dass zum einen von oben überhaupt nicht erkennbar war, dass in dem sichtbaren Tempel noch etwas enthalten war, zum anderen aber berührte der untere Tempel den oberen an keiner Stelle.

Ein weiteres Fundstück ist der quadratische Altar Q, der Aufschluss über die dynastische Abfolge der Herrscher von Copan gibt. Der letzte dieser Könige, „Schneckenrauch“ ließ ihn anfertigen, als seine Macht zu schwinden begann. Er stellt die 16 Könige der Stadt in ihrer Abfolge dar, jeder übergibt dem nächsten das Zepter der Macht, der Kreis schließt sich, wo der erste König dem letzten den Stab übergibt als Zeichen dafür, dass auch er legitimiert ist, diese Position zu besetzen.

Schneckenrauch verlor das Ansehen in der Bevölkerung, als er, um klimatische Veränderungen herbeizuführen oder zu verhindern, massenhaft Kinder opfern ließ, um die Götter milde zu stimmen. Man sagt ihm nach, er sei „opfersüchtig“ gewesen und er habe so viele Kinder geopfert, bis die letzten Einwohner die Stadt verließen, weil sie befürchteten, eine ganze Generation zu verlieren. Allerdings konnte auch exzessives Opfern den Untergang dieser Stadt des riesigen Mayareiches nicht verhindern, der wohl durch fortwährende Naturkatastrophen und die Abholzung der Wälder aufgrund von extensiver Landwirtschaft zur Ernährung der wachsenden Bevölkerung verursacht worden ist. Die letzte kalendarische Inschrift datiert 822 n. Chr.

Offenbar lernt der Mensch nicht aus der Geschichte. Wir opfern zwar keine Kinder mehr auf dem Altar irgendwelcher Götter (außer vielleicht dem $-Gott), aber ansonsten scheinen die Fehler sich zu wiederholen. Dass die Abholzung der Wälder katastrophale Folgen hat, weiß man nicht erst seit Kurzem, der Untergang der Mayas und der Bevölkerung der Osterinseln sollte uns Warnung genug sein. Trotzdem sind in Guatemala bereits 70% der ursprünglichen Urwälder gerodet und am Amazonas findet das gleiche Drama statt.

Abends kehren wir ein in der coolsten Kneipe der Stadt und schlemmen uns durch die verschiedenen Barbecue-Spieße.