El Salvador

27.4.2023

Wir reisen weiter nach El Salvador, bis vor wenigen Jahren eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Die das Land beherrschenden Maras, kriminelle Banden, die, vergleichbar der Mafia in Sizilien, ihr Einkommen hauptsächlich aus dem Eintreiben von Schutzgeldern beziehen, terrorisierten das ganze Land derart, dass sich kaum jemand nach Sonnenuntergang aus dem Haus traute. Das Land ist bitter arm, 48% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Von 1980-1991 herrschte ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen der Militärdiktatur und marxistischen Gruppen, dem 75 000 Menschen zum Opfer fielen. Seit 2019 ist Präsident Nayib Bukule an der Macht, ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt, das sich hauptsächlich die Befreiung des Landes von den Banden zum Ziel gesetzt hat. Seither ist die Kriminalität dank drastischer Maßnahmen, die ihrerseits durch internationale Beobachter durchaus kritisiert werden, deutlich gesunken. Die Bevölkerung dankt es dem Präsidenten, der große Zustimmung erfährt, die kritisierten Menschenrechtsverletzungen halten die Leute eher nicht für so wichtig. Wenn das mal auf Dauer gut geht.

Wir sehen uns zunächst die Stadt Sta. Ana an, ein hübsches Städtchen, in dem wir von Rafael „freigelassen“ werden, um einen Kaffee zu trinken und uns umzusehen.

Dann fahren wir weiter nach Joya de Cerén, dem „Pompeji Amerikas“. Die einzigartige Ausgrabung legt ein Dorf der Mayas frei, das von einem Ascheregen des nahegelegenen Vulkans verschüttet worden war. Offensichtlich konnten die Bewohner rechtzeitig fliehen, menschliche Leichen wurden nicht gefunden, jedenfalls bis jetzt. Nur eine Ente hat die Katastrophe nicht überlebt, sie war in einem Gehege eingezäunt, aus dem sie nicht mehr herausgekommen ist. Wir halten eine Gedenkminute für die arme Ente und gehen weiter.  Die Ausgrabung zeigt das dörfliche Leben, nicht das der Eliten wie in Copan oder Tikal. Dazu gehört der vollständig restaurierte Bau einer Sauna, die mit Kräuteraufgüssen erhitzt worden ist und der Reinigung von Kranken und Gebärenden diente.

Unser Hotel bietet ein fantastische Aussicht auf die Umgebung, Seen und Vulkane. Leider ist es sehr diesig, so dass die Stimmung zwar mystisch anmutet, die Berge aber nur schemenhaft zu sehen sind. Das Hotel ist nett, da wir aber nur eine Nacht in Suchitoto verbringen, können wir es nur zum Frühstück genießen.

Suchitoto ist ein koloniales Örtchen mit vielen Cafés und hübschen Souvenirläden, unter anderem einer Werkstatt für Kleidung und Deko aus indigogefärbter Batik. Die Sachen sind hübsch, besonders die Wandbehänge habe es uns angetan. Da die Shirts und Kleider aber nicht farbecht und viel zu teuer sind, halten wir uns beim Einkauf zurück und nehmen nur die selbstgebatikten Schals aus dem kurzen Workshop mit.

Den Nachmittag verbringen wir in San Salvador, der absolut grauenhaften Hauptstadt des Landes. Wir besichtigen die Kathedrale und erfahren die Geschichte von Erzbischof Oscar Romero, der 1980 hier ermordet wurde, weil er versuchte, die Katholiken zum Frieden zu bringen und gegen den aufflackernden Bürgerkrieg predigte. Er trat für soziale und politische Reformen ein und stellte sich damit gegen die regierende Militärdiktatur. Während einer Messe wurde er von Milizen erschossen. Sein Tod gilt als der Beginn des Bürgerkriegs, der 12 Jahre dauerte.

Anschließend spazieren wir noch etwas in der Stadt herum und schauen uns die Umgebung der Kathedrale an. Hier gibt es noch viel zu tun, um den Eindruck einer heruntergekommenen Stadt, in der nichts mehr vom urspünglichen, vielleicht einmal vorhandenen Glanz übrig ist, zu verändern.

Wir quälen uns stundenlang durch den endlosen Stau am Feierabend aus der Stadt hinaus. Entlang der „Straße der Blumen“ fahren wir nach Apaneca, wo wir die nächsten zwei Nächte verbringen werden. Es geht vorbei an slumartigen Siedlungen inmitten üppiger Blüten und ausgedehnten landwirtschaftlichen Flächen, laut Rafael sind die Leute hier trotz der einfachen Umstände glücklich, weil sie in der Natur leben. Das glauben wir nach dem Besuch der Hauptstadt gern.

Erfurt

25.9.2020

Nach dem Marathon gestern steht mir heute der nächste bevor. Ich habe zwei Führungen durch Erfurt gebucht, eine durch die Altstadt, eine auf den Petersberg zur Zitadelle. In meinem jugendlichen Leichtsinn habe ich nicht bedacht, dass ich zu dem Zeitpunkt schon seit Tagen kilometerlange Wanderungen durch Städte und Sehenswürdigkeiten unternehmommen habe und meine Aufnahmekapazität langsam an ihre Grenzen kommt. Aber da muss man halt durch. Das ist auch einer der Gründe, warum ich ganz gern ab und zu allein verreise: Wer macht sowas schon mit? Vor allem: Wer macht sowas mit und isst dann einen Apfel zu Abend, weil er zu erledigt ist, noch in ein Restaurant zu gehen?

Ich fahre also mit der Regio Bahn nach Erfurt und laufe Richtung Touristen-Info. Dabei komme ich an einigen sehr schönen Häusern vorbei, wie sich später herausstellt, sind die meisten uralt. Erfurt war immer eine reiche Stadt und konnte sich in diversen Kriegen von Zerstörung freikaufen. Später verlor es an Bedeutung und musste nichts mehr bezahlen für den Frieden, weil es keinen mehr interessiert hat. Im letzten Krieg hatte es einfach Glück. Die Amis waren schon fast einmarschiert, deshalb wurde Erfurt nur minimal und punktuell zerbombt, weil die Alliierten befürchteten, ihre eigenen Leute zu treffen. Die Substanz ist also zum größten Teil erhalten.

Sehr beeindruckend ist natürlich der Domberg mit den zwei Kirchen, von denen keiner weiß, welche die ältere ist und warum da zwei katholische Kirchen stehen, direkt nebeneinander. Das ist im Lauf der letzten 1300 Jahre irgendwie verloren gegangen.

Sehr hübsch auch die Krämerbrücke mit den vielen netten Kunsthandwerk-Läden. Ursprünglich standen da Buden mit lokalen Kostbarkeiten, die den durchreisenden Händlern Geschenke für die Daheimgebliebenen verkauften, bevor ihnen die Zollbehörde die Maut für die Durchreise abknöpfte.

Am Petersberg steht die Zitadelle, allerdings wird drumherum die Stadt für die Bundesgartenschau 2021 nahezu komplett umgebaut, so dass man nicht viel anschauen kann. Der tolle Blick über Erfurt von oben ist verstellt durch Kräne, Absperrungen und Erdhäufen. Wir besichtigen also hauptsächlich die unterirdischen Horchgänge. Soldaten auf der Zitadelle konnten dort feststellen, ob der Feind versuchte, einen Tunnel zur Festung zu graben, indem sie in den Gängen saßen und horchten, ob Kratzgeräusche wahrnehmbar waren. Kein angenehmer Job, es ist dunkel und eng und feucht dort unten, die Temperatur liegt bei 12 Grad Celsius. Teilweise wurden die kilometerlangen Gänge als Luftschutzbunker im 2. Weltkrieg benutzt, bis die Decke des Schutzraumes aufgrund eines Bombeneinschlags undicht wurde. Dort bilden sich heute Stalagtiten.

Auch interessant ist die Indigo-Produktion der Stadt. Hier wächst eine Pflanze namens Waid, die Indigo enthält. Allerdings müssen die zerkleinerten Blätter vergoren werden, was sich mit Harnsäure erreichen lässt. Um genug davon zu bekommen, haben die männlichen Einwohner Erfurts in früheren Jahren sehr viel Bier getrunken, das dann auf natürlichem Wegen wieder ausgeschieden und auf den Pflanzen verteilt wurde. Das Bier hatte allerdings einen sehr geringen Alkoholanteil, sonst hätten die braven Bürger den Weg in die Waidspeicher nicht mehr gefunden. Nach dem Gärungsprozess konnten dann Stoffe mit dem Sud gefärbt werden. Das mag alles gestunken haben!

Das Wetter ist heute, wie versprochen, umgeschlagen. Es ist im Vergleich zu den nächsten Wochen eisig, ein kalter Ostwind weht den ganzen Tag. Nach den zwei Führungen und der Bahnfahrt zurück nach Weimar bin ich erschöpft und mir ist kalt. Da hilft am Besten Nudelsuppe. Zum Glück ist nahe bei meinem Hotel ein vietnamesisches Restaurant, in dem ich eine wunderbare Pho Bo bekomme.