Tag 31
So ist es im Leben. Du weißt nie, was als Nächstes kommt. Ein Moment, und alles ändert sich. Du fährst gemütlich im Sonnenschein los, voller Freude über die schönen letzten Tage und gespannt auf die nächsten Erlebnisse auf einer der schönsten Straßen der Welt und schon ziehen dicke Wolken auf. Der Blitz schlägt ein, als die Internetverbindung wieder steht.
Nach der Abreise von Jimmy’s Farm bin ich bei Kingston SE wieder in eine 3G-versorgte Zone gekommen und habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass mein Handy wieder Empfang hat. Also bin ich gut gelaunt stehen geblieben, um meine Nachrichten abzuhören. Laca hatte eine Sprachnachricht geschickt, die mich allerdings so schockiert hat, dass ich erst einmal eine Weile da gestanden bin.
Meine langjährige Haushaltshilfe Etelka und ihr Lebensgefährte Jozsi sind in der Nacht vorher an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben. Sie hatten wohl länger ihre Stromrechnung nicht bezahlt und daher wurde ihnen der Strom gesperrt. Natürlich mussten sie heizen und haben das mit einem alten Benzinaggregat getan, das Jozsi wahrscheinlich umgebaut hatte. Offenbar haben sie nicht daran gedacht, die Abgase abzuleiten und da Kohlenmonoxid geruchsfrei ist, sind beide in der Nacht erstickt.
So etwas relativiert die eigenen Befindlichkeiten und Problemchen ziemlich schnell. Angesichts des völlig überflüssigen Todes von Menschen, die man jahrelang kannte und die nett und herzensgut waren, erscheint alles andere banal und nebensächlich.
Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
(Rainer Maria Rilke)
Die ganze Strecke bis Port Campbell habe ich nicht so richtig wahrgenommen, wie die Landschaft ist. In Bridgewater war am Kap ein nettes Café, von dem aus man den Surfern zuschauen konnte. Dort bin ein wenig gewandert und habe versucht, die Neuigkeiten zu verdauen. Aber so schnell geht das natürlich nicht. Passender Weise hat es am Nachmittag angefangen in Strömen zu gießen, der erste Regen seit ich von zuhause aufgebrochen bin.
Tag 32Morgens in Port Campbell ist es bewölkt, aber es regnet nicht. Die Aussicht auf die zerklüftete Küste ist atemberaubend. Trotzdem fehlt mir heute eine Begleitung. Es fehlt ein Gegenüber, mit dem ich die Eindrücke von der spektakulären und überwältigenden Natur und natürlich die Gedanken angesichts der gestrigen Ereignisse austauschen könnte. Ich fühle mich wie im Nebel, gedämpft und düster trotz der wunderschönen Strecke.
Die Aussichtspunkte sind alle großartig. Vergleichbar ist diese Straße allenfalls mit dem Highway Nr. 1 in Kalifornien und der Amalfi-Küste. Die 12 Apostel sind natürlich ein Höhepunkt, aber die anderen „spectacular sights“ müssen sich auch nicht verstecken. Leider ist das Licht nicht so fotogen, ich bin mittags da und habe daher keinen Sonnenauf- oder -untergang. Außerdem sind überall Wolken, es ist so kalt, dass ich mir im Touristenshop ein Sweatshirt kaufen musste. Meine Sommergarderobe ist hier angesichts des herbstlichen Wetters viel zu dünn.
Nach dem wesentlichen Abschnitt der Straße mit den steinernen Zeugen einer wilden Geschichte aus gewalttätigen Wassermassen und dem am Ende zwecklosen Widerstand der Felsen führt die Route durch Eukalyptuswälder und Pinien. Bis auf einige nette Badeorte unterwegs ist die Landschaft hübsch, aber unspektakulär. Bis Melbourne zieht sich die Strecke ziemlich, ich hätte gut ab Apollo Bay auch den Highway nehmen können.Gegen Abend erreiche ich Melbourne. Ich wohne bei meinem nächsten Couchsurfing-Host, Hans, ein in Südafrika geborener Deutscher, der aber schon ewig hier lebt und dessen Wohnung ausschaut wie ein Musikstudio. Keyboards, Gitarren, Musiker-Zeug überall, sogar eine elektrische Ukulele hat er. Er singt in einer acapella Band und ist ansonsten ein recht relaxter Typ. Wir gehen zusammen einkaufen und kochen Spaghetti Bolognese, dann schauen wir noch einen Film über die Little River Band an und ich falle um 10.00 Uhr todmüde ins Bett.