Die Darwin’schen Taxifahrer stehen offenbar in der Evolution dieses Berufsstandes ganz am Anfang, wenn das survival of the fittest ist, dann armes Darwin. Ich bin spät dran und weiss nicht genau, wo das Deckchair Open-Air- Kino ist, für das ich mich am Abend entschieden habe. Der indische Taxler auch nicht. „I don’t know, where cinema, Madam, not so often people ask for cinema, Madam“. Das Kino ist eine der drei bis fünf Attraktionen in Darwin, in Stadtnähe, eigentlich mitten drin. Darwin ist eine Kleinstadt. Sonst ist abends absolut nichts los, außer vielleicht in ein paar Backpacker-Kneipen, in denen sich kein Mensch ein Taxi leisten kann. Ein Navi zu bedienen, hat er auch nicht gelernt. Zum Glück konnte ich helfen mit der Programmierung. In der Nähe des Kinos kam die Ansage „turn to the right“, und er fährt „left“. Auf meine Frage „why you go left, Sir, when navigation says right, Sir?“ bekomme ich die Auskunft, dass er nicht rechts fahren dürfe und ich müsse nun zu Fuß gehen. Neben uns biegen reihenweise Autos rechts ab. Keine Ahnung, wie weit das Kino noch ist. Da muss ich ein bisschen massiv werden, very sorry, Sir, aber das kann ich dann schon, auch wenn ich gerade im Hippie-Modus bin. Dann ging es doch nach rechts und bald darauf die Belohnung: Wir haben es gefunden! Mit Navi! Hurra!
Am nächsten Tag holt mich Matt ab, der Guide des Trips in den Kakadu-Nationalpark. Nachdem er mich von 6.30 Uhr bis 7.50 Uhr in der Lobby warten lassen hat. Ohne Frühstück. Ohne Kaffee. Wer mich morgens kennt, weiß, dass das nicht gut ist. Er hat das Hotel nicht gefunden und war zuerst wo ganz anders. Was ungefähr 5 Minuten erklärt. Die Stadt ist ja nicht so groß. Immerhin, irgendwann ist er auf die Idee gekommen, dass er mal anrufen könnte. Um 8.00 Uhr sind wir unterwegs. Natürlich sind im – na ja – Bus alle Fensterplätze belegt. Ich setz mich also neben einen Typen, der sich dann als der einzige Deutsche herausstellt. Die anderen sind alle aus England, Neuseeland, Frankreich, Irland, New York und Südafrika. Ganz nette Truppe, alle so zwischen 23 und 35. Mit der Südafrikanerin, Zoe, teile ich ein Zelt.
Matt ist ein typischer Bushie, mit breitem australischem Dialekt: „Rightou! Happy days! C’mon guys, ready to rock ’n roll?“ und so Sachen. Die Fahrt in dem – na ja – Bus, ist eher holprig.
Nach einigen Stopps an Outback-Pubs steigen wir in ein Boot für eine Wetland-Cruise, eine Schifffahrt auf einem Fluss mit vielen Vögeln und ein Krokodil sehen wir auch, ein kleines. Immerhin.
Die Angbangbang Gallery ist eine Ansammlung von Felszeichnungen der Aborigines, die zum Teil relativ jung sind, so 100 Jahre, zum Teil aber bis 40.000 Jahre alt. Aber nicht da, wo wir sind. Die Illustrationen gehen zurück auf die Dreamtime-Stories, die mythische Welt der Ureinwohner. Die 60er Jahre Hippies haben dann auch noch eine Blume dazu gemalt, etwas, das die Aborigines niemals getan hätten, da ihnen Darstellungen der Pflanzenwelt völlig fremd sind. Aber so sind die halt auch noch da.
Übernachtet haben wir im Bushcamp, feste Zelte ohne Strom und Wasser. Eigentlich nur bessere Moskitonetze, aber ganz romantisch. Nicht so romantisch ist das Klo, denn es ist ziemlich weit weg, ein Weg durch den stockfinsteren Dschungel, unerreichbar in der Nacht. Zum Glück habe ich eine Taschenlampe und hinter dem Zelt ist ja auch viel Buschland.
Am Lagerfeuer trinken wir Bier und grillen Marsh-Mallows unter Myriaden von Lichtern.
Am nächsten Tag brechen wir früh auf und erkunden die enormen Bauten der Cathedral-Termiten. Einige können wir herauslocken, kaum zu glauben, dass so kleine Tiere so riesige Häuser bauen.
Danach stürzen wir uns in die Wasserlöcher der Maguk-Falls, ein Traum zum Schwimmen, wenn gerade keine Krokodile da sind. Überall stehen Warnschilder und die Tümpel sind erst seit einer Woche freigegeben. Wir steigen auf den Berg, um den oberen Teich zu genießen und den Wasserfall von oben anzuschauen. Dann erfrischen wir uns nach dem Abstieg noch einmal in der Gischt.
Am dritten Tag steht nach einer weiteren Wanderung durch den Regenwald mit Wasserfall und -loch Ubirr an, wo noch einmal Wandmalereien zu besichtigen sind. Diesmal ist es die Darstellung von Fisch und anderen Speisen, die in die Wand eingraviert sind. Zum Teil sind die Malereien kopfüber an der Decke der Höhle zu finden, es stand wohl einst ein großer Baum daneben, um den Zugang zu ermöglichen.
Vor allem aber ist hier ein Aussichtspunkt nach Arnhem-Land, ein Gebiet, das unter der Verwaltung der Aborigines steht und in das nur eine bestimmte Anzahl Leute am Tag eingelassen wird. Ich hatte ja eigentlich die Tour gebucht, die dorthin gehen sollte. Leider wurde sie gecancelt, weil ich die einzige war, die sich den Trip leisten wollte. Die Aussicht über eine leuchtend grüne Ebene und auf schroffe Felsmassive war großartig. Da wäre ich schon gern reingefahren. Schade.
Also geht’s, nach einem letzten Lunch unterwegs, wieder zurück nach Darwin. Da lebe ich ja schon praktisch.
Den ausgefallenen Tag verbringe ich dann nochmal am Strand, der unterhalb eines Hügels liegt, auf dem wiederum das Stadtzentrum beginnt. Auf dem Rückweg zum Hotel quatscht mich im Lift vom Strand zur Stadt ein Mann an, Colin, und lädt mich auf einen Drink ein. In der Bar treffen wir noch ein befreundetes Ehepaar, mit denen wir dann gleich noch koreanisch essen.
Colin ist Beerdigungsunternehmer und das Tischgespräch dreht sich im Wesentlichen um die Begräbnissitten und Gebräuche in Australien und Deutschland. Er will wissen, ob wir wie in Nepal und Tibet Luftbestattungen kennen, bei denen die Toten den Geiern überlassen werden, nachdem man sie zerhackt hat. Lustige Idee, vor allem in den Großstädten. Wo sollen wir denn die Geier hernehmen? Und wer zerhackt die Toten?
Jetzt reicht’s mit Darwin. Morgen fliege ich nach Brisbane.