13.11.2016
Wir sind sehr früh wach und wollen gern den Sonnenaufgang anschauen, der leider wie meistens im Osten stattfindet. Unser Fenster schaut nach Westen. Die verschlungenen Wege des Hotelgartens finden wir alle, der Weg zum Wasser führt allerdings über die Straße. Bis wir das herauskriegen, ist die Sonne schon da, allerdings noch gut hinter Wolken versteckt. Auf der Hafenmauer können wir dann die Farbenspiele des zunehmenden Lichts gut verfolgen, bis die Sonne Funchal endgültig erleuchtet. Nach einem Spaziergang an der Hafenmole und auf der Promenade frühstücken wir im hübschen Hotelgarten und überlegen, wie wir den Tag verbringen wollen.
Der Plan war gut: Wir fahren über San Antonio da Serra nach Portela, wo ein Sonntagsmarkt stattfinden soll. Der Highway bringt uns bis Santa Cruz, von dort aus fahren wir in die Berge, bis Santo da Serra, und laufen an den Levadas, alten Entwässerungskanälen, entlang. Laut Reiseführer eine schöne Wanderung von ca. 2-3 Stunden.
Zuerst beobachten wir das Auto: Auf dem Armaturenbrett leuchtet nichts mehr. Eines der Zeichen identifizieren wir als „Kofferraumtür offen“. Wir lösen das Problem.
Bei Santa Cruz haben wir uns schon verfahren. Die Straßen werden enger und steiler, unser Fiat Punto würgt sich im ersten Gang bergauf. Zudem leuchtet das orange Zeichen auf dem Armaturenbrett wieder. Es wird steiler. Und steiler. Auf dem letzten Drücker jault das Auto hinauf, bis eine gefühlt 90 Grad steile Straße vor uns liegt. Ich trete in Streik , bei dem Gedanken, da hinterher bei feuchter Fahrbahn wieder runter zu müssen, wird mir schlecht. Es gießt. Wir bleiben auf einer Querstraße stehen, googeln, was das Zeichen, ein oranger Kreis mit kleinen Strichen drumrum, bedeuten könnte. Ergebnis: Die Bremsbeläge sind abgefahren.
Keinen Meter fahre ich in diesen Straßen mit diesen Steigungen im strömenden Regen mit einem Auto weiter, dessen Bremsen offenbar erledigt sind. Also rufen wir den Service und erklären unser Problem. Die Dame erklärt mir am Telefon, dass das nicht so schlimm sei und dass die Bremsen sicher nur halb abgefahren seien und dass wir einfach ein bisschen warten sollen, bis sie wieder abkühlen. Auf meine Erklärung, dass es hier nicht um „Bremsen heiß“, sondern um „Bremsbeläge abgefahren“ geht, wir außerdem bisher nur bergauf gefahren sind und sie daher gar nicht benutzt haben, es in Strömen gießt und neblig ist und ich deshalb keinen Meter mehr fahre, fragt sie, wo wir denn sind. Tja, keine Ahnung. Die Kreuzung können wir noch identifizieren. Bloß, in welcher Stadt sind wir? Hat uns keiner gesagt, das Navi kennt die auch nicht. Nun denn. Was machen wir jetzt? Ein Einheimischer, der des Wegs kommt, rettet uns. Ich drücke ihm kurzerhand das Telefon in die Hand und er erklärt der Service-Dame, wo wir sind.
Tatsächlich findet uns kurz darauf ein netter junger Mann mit einem halb so alten Auto und nimmt unsere Karre mit. Der Weg hinunter ist zum Glück nicht so steil wie hinauf, irgendwie sind wir auf einer anderen Straße gelandet.
Wir beschließen also, Richtung Osten zu fahren, allerdings nur noch auf guten Straßen, die wir auch wieder zurück fahren würden. Der Regen wird stärker. Die Straßen besser. Wir fahren und fahren, durch viele Tunnels, an wunderschönen Landschaften vorbei, nur haben wir keine Lust, auszusteigen, weil das Wetter sich nicht zum Besseren wendet. Kaum kommt die Sonne einmal kurz heraus, schüttet es schon wieder. Kurz hinter Santana kehren wir um. Wir finden auf der Karte eine Straße, die direkt durch die Insel wieder in den Süden führt. Die wollen wir erwischen.
Am Rückweg entdecken wir plötzlich Schilder, die nach Portela deuten. Juhuu, anscheinend kommen wir doch noch zu unserem Markt. Wieder wird die Straße steiler und enger, aber mit dem neuen Auto schaffen wir das. In Portela allerdings ist gar nichts. Nicht nur kein Markt, buchstäblich nichts, auch kein richtiger Ort. Was bleibt uns übrig: Wir fahren nach Funchal, parken dort unser Auto und laufen etwas im Regen in der Stadt herum. Ein wunderschöner Regenbogen begleitet uns bis zum Meer, wo wir Maroni kaufen und ein Bier.
Abends gibt es Thunfisch in einem portugiesisch/chinesischen Restaurant, dessen Inhaber, ein dicker Chinese, sehr gut Deutsch spricht. Kleines nettes Lokal. Nach einiger Zeit betritt der Koch das Lokal und stürzt sich kopfüber in die Tiefkühltruhe, die in einer kleinen Nische hinter einem Tisch steht. Er wühlt das unterste zuoberst, offensichtlich sucht er irgendwas, vielleicht das Thunfischsteak. Direkt neben der Kühltruhe sitzt eine Dame, die ihr Abendessen in Ruhe verzehren möchte. Sie sieht sich mehrmals um, ohne Erfolg. Der Koch wühlt. Schließlich kommt der Besitzer wieder herein. Anscheinend hat der Koch aufgegeben, jedenfalls fängt der jetzt an zu wühlen, Eispakete herauszunehmen, Plastiktüten auf der Truhe zu stapeln und seinen Hintern der Dame ins Gesicht zu strecken. Nein, das ist übertrieben, es war eher der Hinterkopf. Die Dame dreht sich um und sagt etwas. Der Chinese versteht plötzlich kein Deutsch mehr. Oder Englisch. Er wühlt weiter. Irgendwann zieht er, schon fast ganz in die Truhe eingetaucht, von ganz unten ein Paket herauf. Die Gäste sind längst verstummt und beobachten die Szenerie. Alle klatschen. Der Chinese, völlig überrascht, taucht aus der Kühltruhe auf und strahlt, mit einem Eispäckchen unbekannten Inhalts in der Hand.