Teneriffa

14.3.2021

Ich hätte ja nie gedacht, dass ich hier nochmal lande. Vor Jahren war ich einmal in Teneriffa und fand es furchtbar. Total zersiedelt, nur ein Ring von Hotelburgen rund um die Insel, wie eine einzige Brennpunkt-Siedlung, Hochhäuser, künstliche Gärten, Massentourismus, nichts, was einen anziehen könnte. Die vielgepriesene Landschaft habe ich damals nur an einem einzigen Tag gefunden, als wir eine Wanderung gemacht haben ins Masca-Tal. Allerdings war ich beruflich da und deshalb war nun auch nur wenig Zeit, die Insel wirklich anzuschauen. Trotzdem, mein Fazit war: Da muss ich nicht mehr hin.

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Vor einigen Wochen hat meine Älteste entschieden, dem Winterelend und Lockdown in Deutschland zu entfliehen und sich mit ihrer gesamten WG und noch ein paar Freunden eine Finca hier gemietet. Eine von ihnen ist von hier und so haben sie ein tolles Haus zum günstigen Preis in Puerto de la Cruz bekommen. Nachdem reisen zurzeit ja eher  schwierig ist, die Kanarischen Inseln aber keine Quarantäne bei der Einreise verlangen, nur einen negativen Corona-Test, kann man ohne große Schmerzen hierher fliegen. Sie schickt tolle Fotos und fragt nach, wann die Familie sie besuchen kommt. Also wieder Teneriffa.

Reisen in Zeiten von Corona. Zuerst muss ein negativer PCR-Test her, der nicht älter als 72 Stunden bei der Ankunft im Hotel sein darf. Dann muss man sich bei der spanischen Gesundheitsbehörde anmelden und bekommt einen QR-Code, den man vorzeigen muss. Dann kann man fliegen.

Es ist erstaunlich, wieviele Leute das nicht hinkriegen. Lange Schlangen beim Checkin, fast bei jedem vor mir fehlt irgendwas. Das sichtlich bemühte Personal versucht verzweifelt, das in den Griff zu kriegen, den Leuten zu erklären, was sie noch tun müssen, es gelingt nicht bei allen. Die, die den Flieger kriegen, haben allerdings einen guten Flug über einem Wolkenmeer, das jegliche Aussicht verschluckt. Erst bei der Ankunft sieht man den Teide herausragen aus dem Nebel, ein toller Anblick.

Mein Appartement-Hotel Masaru liegt etwas überhalb der Innenstadt, mit schönem Blick auf Teide oder Meer. Ich fahre vom Flughafen mit dem Mietwagen her und wundere mich wieder, wie man eine eigentlich schöne Insel so verschandeln kann. Es ist genau wie in meiner Erinnerung: Neuperlach-Süd, Berlin-Marzahn, dahinter ganze Hotelstädte links und rechts der Autobahn. Das Hotel ist aber nett.

Abends besuche ich Julia in ihrer Finca, die WG lädt mich zum Essen ein. Das Haus ist toll, es sind mehrere Wohnungen, die zusammenhängen und einen wunderschönen Garten teilen. Nach dem üppigen Mahl mit allerlei Resteessen und frischem Fisch folgen philosophische Gespräche über alles mögliche, die Stimmung ist sehr entspannt und intellektuell. Gefällt mir gut.

15.3.

Nach meiner morgendlichen Yogarunde und dem Frühstück, das coronamäßig an einem Buffet ausgereicht wird, laufe ich los, um mal zu sehen, wo ich eigentlich bin. Ich gehe zum Meer hinunter, mein Appartement liegt doch relativ weit oben in der Stadt, die an eine Steilküste gebaut ist. Dann schlendere ich die Strandpromenade entlang, hier haben die Geschäfte im Gegensatz zu Deutschland offen. Drinnen ist allerdings keiner. Man sieht, dass alles hier auf Massentourismus ausgelegt ist, es fehlen halt die Massen. Nachdem seit einem Jahr praktisch kein Tourismus mehr stattfindet, reduziert sich hier auch alles aufs Nötigste, es ist ein Trauerspiel.

Einige Plätze sind ganz nett, der Rest völlig verbaut. Ich kehre irgendwann um, weil alle Attraktionen (Botanischer Garten, Zoo) geschlossen sind und hier auch nichts ist, was mich wirklich interessiert. Morgen werde ich in die Nationalparks fahren, die Städte brauche ich hier nicht.

Im Hotel schwimme ich dann noch eine Runde im sehr schönen, beheizten Pool und lese ein bisschen. Dann kaufe ich im nahegelegenen Supermarkt das Nötigste ein und rufe Julia an. Wir verabreden uns zum Abendessen. In dem Lokal sind wir die einzigen Gäste. Der Besitzer klagt uns sein Leid, die Deutschen fehlen, alle sind am Pleitegehen.

Es ist das gleiche wie bei uns, er hat eine Riesenwut auf die EU und dass das Impfprogramm nicht funktioniert. Von der eigenen Regierung ganz zu schweigen. Man entkommt dem Frust über die Politik auch hier nicht, es ist überall das Gleiche.

Neues Jahr, neues Glück?

30.12.2020

Das Jahr geht zu Ende, pandemiebedingt sitzen wir mal wieder daheim und warten auf bessere Zeiten. Wir sind gelockdowned und dürfen das Haus nur mit Grund verlassen, Silvester feiern gehört nicht dazu. Das führt zu der eher absurden Situation, dass wir mit unseren engsten Freunden zu viert Gesellschaftsspiele spielen werden und uns langsam besaufen, damit wir nicht vor Mitternacht einschlafen. Heimgehen dürfen sie ja nicht mehr, die Ausgangssperre gilt ab 21.00 Uhr, auch am 31.12.. Sie wohnen ungefähr 500 m weg von uns. Was das soll, konnte mir noch keiner erklären. Der Sinn der Ausgangssperre ist ja wohl, größere Menschenansammlungen zu vermeiden, schön und gut. Aber dass ein Rentnerehepaar keine 500 m mehr heimgehen darf,  was soll das bringen? Ich bin ja alles andere als ein „Querdenker“ oder Leugner der zurzeit in den Krankenhäusern anscheinend wirklich dramatischen Situation, aber das geht doch etwas sehr weit. Wen sollen die anstecken? Da hätte man schon ein bisschen differenzieren können, finde ich. Aber was soll‘s, dann schlafen sie halt bei uns.

31.12.

Nachmittags komme ich zufällig auf ein Konzert von Roger Waters auf 3sat, das ich dann natürlich anschauen muss, auch wenn die Vorbereitungen für die exzessive Party zu viert noch nicht ganz erledigt sind. Ich liebe Pink Floyd und die Konzerte sind einfach mega. Sehr bombastisch und immer politisch, eine gigantische Show mit dem Sound meiner Jugend, was will man mehr?

Der Abend vergeht schnell, wir essen leckere Vorspeisensalate, danach Filet mit Spinat und Kartoffelgratin, anschließend ein leichtes Dessert mit Ananas, Basilikum und Skyr. Dann rollen wir ins Wohnzimmer und warten auf  Mitternacht. Feuerwerk ist natürlich verboten, aber böllern tun doch einige, ohne Light in the Sky ist das aber nicht so prickelnd. Wir prosten den Nachbarn über den Zaun zu, danach gibts noch eine 70er-Jahre-Schlagershow im Fernsehen, die wir nur anschauen, weil Laca die alle persönlich kennt und mit denen irgendwann mal gearbeitet hat („der war auch schon bei uns!“ ist der häufigste Satz dieser Nacht).  Nach einer Stunde schalte ich aus, ich ertrag’s nicht mehr.

Wir essen noch die von Laci liebevoll vorbereitete Linsensuppe, damit wir nicht hungrig ins Bett müssen. Die Gesellschaftsspiele haben wir ausgelassen, wir hatten genug zu quatschen und auch zu trinken. Ein gelungener Abend, trotz Restriktionen!

7.1.2021

Der Lockdown bleibt uns erhalten, wohl mindestens bis Ende Januar. Die Impfungen kommen nur schleppend in Gang, ich rechne damit, frühestens im Sommer dranzukommen. Es bleibt also nur, Reisen zu planen, die man irgendwann vielleicht mal wieder machen kann, im Augenblick wäre es schon toll, wenn ich mal zum Skifahren gehen könnte, ohne hinterher 10 Tage Quarantäne zu durchlaufen. Aber diese Skisaison habe ich eher abgehakt, das wird heuer eher nichts mehr.

Alternative: Spazierengehen. Fitnessstudio geht ja auch nicht, und meinen Hometrainer habe ich bei meiner Renovierungsaktion entsorgt, weil er jahrelang nur rumgestanden hat. Wenn ich jetzt wieder sowas kaufe, steht es wieder nur rum, sobald die Studios wieder aufhaben. Also: raus an die Luft bei jedem Wetter und so viele Schritte wie möglich. Das ist gut für Körper und Seele, man bekommt ein paar Lux ab, die die Stimmung steigern, kann gut schlafen wegen genug Frischluft und das Immunsystem stärkt es auch. Begleitend mache ich jeden Tag Yoga, mal mehr, mal weniger. Bin beweglich wie noch nie, auch mal ganz nett. 

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Hamburg

6.-11.10.2020

Tagsüber muss mein Töchterlein leider arbeiten. Also mache ich mich allein auf den Weg und schaue mir Hamburg an. Da ich letztes Jahr schon ein paar Tage hier war, kann ich es entspannt angehen. Ich besichtige die Cap San Diego, ein Museumsschiff, bummele zum Michel und bewundere die schöne Barockkirche. Leider ist die angeblich sehenswerte Krypta geschlossen und der Aufstieg zum Turm lohnt sich wegen des Regenwetters nicht. Ein Grund, bei schönem Wetter wiederzukommen.

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Das Museum für Hamburgische Geschichte ist dafür eine lohnenswerte Station an regnerischen Tagen. Es enthält viele Gegenstände aus allen Jahrhunderten seit der ersten Siedlung im Alstergebiet und stellt die Entwicklung der Stadt recht plastisch mit vielen Erklärungen dar. Hamburg war ja immer eine reiche Stadt, der Handel florierte über die Jahrhunderte durchgehend aufgrund der günstigen Lage und der Regeln der Hanse. Die Kaufleute erstellten ein Gesetzbuch mit Regeln, die für die Mitglieder weltweit galten, so dass jeder wusste, wie er sich zu verhalten hatte, egal wo er war. Das sorgte für enorme Stabilität. Sogar den 30-jährigen Krieg überstand die Stadt mehr oder weniger unbeschadet, da zufällig kurz vor dessen Ausbruch die großzügig bemessene Stadtmauer fertiggestellt wurde.

Einer von Mellis Arbeitsplätzen ist das  Café „Why Not- Integration“, in dem sie für einen gemeinnützigen Verein arbeitet, der integrative Projekte betreut, die in den zugehörigen Räumlichkeiten angeboten werden. Auf der Fahrt dorthin komme ich an Vierteln vorbei, die nicht zur üblichen Touristenroute gehören, aber mit ihren prächtigen Bürgerhäusern auch vom Reichtum der Stadt zeugen. Es gibt aber auch Ecken, die eher alternativ wirken, eine interessante Mischung.

Zum Frühstück suche ich mir jeden Tag ein anderes Café. Da mein Hotel nahe dem Schanzenviertel liegt, tauche ich schon morgens ein in die Welt von Hausbesetzern, Links-Alternativen und Graffitikünstlern. Das steht ziemlich im Gegensatz zu den Prachtbauten in Eimsbüttel.

Jenseits  der Elbe steht das Auswanderermuseum in Veddel, das Gegenstück zu Ellis Island in New York. Dort befindet sich eine Ausstellung über die Einwanderer nach Amerika, in der wir stundenlang Berichte über die Schicksale der amerikanischen Immigranten gelesen haben. Hier erfahren wir viel über Flucht und Migration, deren Gründe, die sich über die Jahrhunderte nicht wesentlich geändert haben und über die Bedingungen, unter denen Auswanderer aller Art ihre große Reise antraten und noch antreten. Das Fazit beider Museen ist das Gleiche: Migration hat es im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer gegeben, zu jeder Zeit haben persönliche und wirtschaftliche sowie politische Gründe Menschen veranlasst, ihre Heimat zu verlassen. In aller Regel führte das zu einem Gewinn für die Aufnahmeländer, die kulturell vielfältiger und wirtschaftlich stärker wurden durch die Impulse, die die Immigranten gesetzt haben.

Das Museum in Hamburg befindet sich in drei Hallen, die von dem Gründer des Auswandererzentrums, Generaldirektor der Hapag Albert Ballin, 1901 errichtet wurden. In der BallinStadt wurden die künftigen Passagiere der Schiffe medizinisch untersucht, registriert und verköstigt, bevor sie sich einschiffen konnten. Das diente der Gesundheit an Bord und natürlich auch der Werbung für das Unternehmen, das von diesen Leuten und deren Empfehlungen lebte.

Nach unseren Kulturtrips werfen wir uns in Hamburgs Shoppingmeile. Mellis anderer Arbeitsplatz ist um die Ecke vom Jungfernstieg, sehr edle Geschäfte und feine Gastronomie. Wir genießen den Trubel und die Großstadt, Fußgängerzone und Cafés.

Abends suchen wir uns nette Restaurants, jeden Tag in einem anderen Viertel und mit sehr unterschiedlicher, aber immer leckerer Küche.

Meine Deutschlandreise beschließe ich mit einem Zwischenstopp in Fulda, der alten Bischofsstadt. Da ich keine Lust habe, den ganzen Weg von Hamburg nach München an einem Tag zu fahren, teile ich die Strecke. Das war eine gute Idee, Staus und Baustellen verzögern die Fahrt enorm und ich bin heilfroh, als ich nach sechs Stunden dort ankomme. Ein kurzer Spaziergang durch die Stadt, ein schnelles Abendessen und schon hat mich Netflix für diesen Abend.

Der Rest der Strecke ist unkompliziert, ich fahre mit einer kleinen Kaffeepause in 4 1/2 Stunden heim. Das Fazit: Deutschland ist auf jeden Fall eine Reise wert. Falls die blöde Seuche nächstes Jahr immer noch Auslandsreisen unmöglich macht, schaue ich mir vielleicht mal den Westen an. Ich werde berichten.