Kawaguchiko

Nach langer Zugfahrt durch dicht besiedelte Landschaften empfängt uns im regnerischen Tal unter dem Fujiyama ein Hotel mit dem Charme der verlöschenden DDR. Der Zimmerschlüssel gibt die scheppernde Blechtür nur nach verzweifelten Versuchen, Rütteln und Schütteln und Drehen in jede denkbare Richtung und sodann den Blick auf ein überraschend bezauberndes traditionell japanisches, mit Tatami ausgelegtes Zimmer frei, das aber leider so nach Zigarettenrauch stinkt, dass wir es keinesfalls bewohnen können.
Auf meine Beschwerde hin bekommen wir ein anderes Zimmer, angeblich das Beste im ganzen Hotel. Hier gibt es zwar ein nur durch eine Glaswand, bei Bedarf auch Papierwand abgetrenntes Bad mit gemauerter, quadratischer Wanne, auch das ist aber nicht sonderlich appetitlich. Die milchige Plastikfolie (Sichtschutz! Vor allem nach draußen!) am Fenster löst sich schon und der Stein lässt deutlich sehen, bis wohin das Wasser einläuft. Renovierung wäre kein Luxus.

Dafür gibt es einen sehr angenehmen Wellness-Bereich für gemeinschaftliches Baden mit Thermalbecken und eigenen Dusch-Abteilen für jeden, alle nötigen Kosmetika sind an kleinen Frisiertischen aufgestellt, es gibt Föns und Lotionen und Cremes. An sich hätte man von den heißen Becken sicher einen schönen Blick auf den Fuji, der aber, wie wohl an den meisten Tagen, im dicken Nebel verschwunden ist. Die Aussicht beschränkt sich auf ein paar Bäume.
Nach dem Bad gibt es Abendessen,  überraschend gut und reichlich. Alle sitzen zusammen, Kathrin,  die hier als Co -Reiseleiterin engagiert ist, erzählt ein bisschen was über die Speisenfolge. Danach trinken wir Bier in der Lobby, weil das Restaurant um 21.00 Uhr schließt. Die Lobby macht dann auch bald dicht, aber egal, der Bierautomat ist ohnehin leer.

Die Aussicht für morgen, nämlich im selben Ort umziehen zu müssen, in ein Hotel am immer noch nebligen Berg, das wesentlich schlechter ist als das hiesige und in dem es ursprünglich nur 3-Bett-Zimmer gab (nur der heilige Shinto weiß, warum dieses anscheinend am Ende doch abgewendet werden konnte, bei unserer Ankunft in Japan sollten wir uns noch auf zusätzliche Schlaf-Gesellschaft einstellen), fördert unsere Entscheidung, die Gruppe nun endgültig zu verlassen. Nicht zuletzt, weil wir von hier zum Flughafen fahren müssen und dabei 4x umsteigen sollen, mit jeweils 2 Minuten Umsteigezeit. Ehrgeiziges Projekt mit so vielen Leuten, an dem wir nicht unbedingt teilnehmen möchten.

Wir beschließen also, abzuhauen und buchen kurzfristig ein Zimmer im  Tokyo Hilton. Man gönnt sich ja sonst nichts und lieber im Hilton nahe beim Flughafen zu zweit als in dem „sehr einfachen“ Berghotel im Nebel mit der Aussicht auf einen verpassten Rückflug zu dritt.
So gehen wir schlafen in unser tolles Traditionszimmer, wo der bodennahe Tisch gegen Futons ausgetauscht worden ist. Die sind so hart, dass sogar ich Schwierigkeiten mit Druckstellen an der Hüfte bekomme, obwohl ich sonst gern auf harten Matratzen schlafe.
Froh, die Nacht rumgekriegt zu haben, stehen wir morgens auf und stellen uns am wenig ansprechenden Frühstücksbüffet an. Dann kommt der Shuttle und wir sind weg. Die Zugfahrt nach Tokio ist unkompliziert, mal abgesehen davon, dass wir in einem Bummelzug landen statt, wie geplant, im Express. Aber zu sechst ist das alles kein Problem.
Nach dem Einchecken im Luxus und einem ebenso luxuriösen Club-Sandwich fahren wir nach Shibuya, wo wir die Stadt endlich so erleben, wie wir sie uns vorgestellt haben. Wild. Verrückt. Überbordend und laut. Wir schauen den Hatchiko an, die Skulptur eines Hundes, der dort lange Zeit auf sein verstorbenes Herrchen gewartet hat und schließlich auch an der Stelle gestorben ist. Es gibt einen Film mit Richard Gere darüber. Diese Skulptur ist mitten auf der wahnsinnigsten Kreuzung der Stadt, Menschenmassen wechseln sich ab mit tosendem Vekehr. Lichtreklamen dominieren die Szenerie, der Times Square kann einpacken.

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Nach einem ausgiebigen Bummel durch das Viertel mit Geschäften, Restaurants und Bars schauen wir die Love- Hotels an, Stundenhotels mit den verschiedensten Zimmer -Varianten. Die spinnen, die Japaner.

Danach kommt noch ein unerwartetes Highlight: Die Rückfahrt zum Hotel in Odaiba. Der Zug fährt eine Schleife vorbei an der Rainbow-Bridge, der Freiheitsstatue und dem glitzernden Riesenrad, das ständig in neuen Farben und Mustern beleuchtet wird. Richtig toll.
Der kleine Nachtimbiss im Hotel artet in eine weitere Orgie aus, nachdem alle schwören, sie haben eigentlich keinen Hunger, nur eine Kleinigkeit, ein paar Tapas reichen völlig – wunderbar. Pappsatt und leicht betrunken fallen wir in unsere Luxusbetten.


Morgens dann der Shuttle zum Airport. Die Spannung steigt, denn  Andreas Pass ist vor drei Tagen abgelaufen und sie befürchtet das Schlimmste. Wir lernen: Der Pass muss nur bei der Einreise gültig sein. Raus lassen sie dich immer. Und in der Heimat kann man ja wenigstens kommunizieren, wenn’s ein Problem gibt. Wie leicht kann reisen sein, wenn man keine Gruppe ist.

Fazit: Ich glaub‘, für Reisen mit großen Gruppen bin ich nicht geeignet. Mit 65 Leuten sollte man nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sein. Japan ist ein tolles,  sehr exotisches Land mit fantastischen Sehenswürdigkeiten und großen Kontrasten, auf jeden Fall eine Reise wert. Nächstes Mal schau‘ ich mir das in Ruhe an.

 

 

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