Scarborough und die Hühner

Dienstag, 7.3.

Scarborough ist die Hauptstadt Tobagos, ein reizloses Kaff mit 17000 Einwohnern. Städteplanung Fehlanzeige, ein buntes Sammelsurium von höheren und niedrigeren Häusern, Geschäften, Lokalen, bunt angestrichen oder betongrau, alt, verkommen, neu, nicht so ganz verkommen und ein Hafen. Jema muss ein paar Sachen erledigen und hat mich mitgenommen. Ich hätte gern eine lokale SIM-Card, die es nur in der Hauptstadt gibt. Der erste Digicel-Laden hat keine SIM-Cards und schickt mich zu einer anderen Filiale. Die haben keine Apple-kompatiblen Karten. Ich soll in die Mall fahren, die allerdings außerhalb ist.

Zuerst laufe ich sightseeingmäßig durch die Markthalle, die aber heute geschlossen hat, so dass da nicht viel zu sehen ist.

In der Mall erstehe ich eine SIM-Card. Jemas Tochter fährt uns hin, das Familien- Thema des Tages ist eindeutig: Die Hühner. Jema hat 55 Hühner schlachten lassen. Die Schwierigkeit ist, auf die Schnelle Abnehmer zu finden. Alle werden mobilisiert: Ihre Kinder, die Nachbarn, Verwandten…jeder soll ein paar Hühner nehmen. Nicht so einfach, denn überall laufen hier auch wilde Hühner rum und der Bedarf scheint nicht allzu groß zu sein.

Keith hat schon eine email geschickt, Mike und er warten in der Strandbar. Dorthin verziehe ich mich dann nach unserer Rückkehr nach Black Rock auch.

Einen Drink später wechseln wir die Bar und schließen uns einer Gruppe aus zwei Tobegonen und zwei deutschen Frauen an. Den einen stellt mir Keith mit „This is Criminal“ vor, was mich und Mike veranlasst, darüber nachzudenken, wie er zu dem Namen kommt. Wir können uns einfach nicht vorstellen, dass Eltern an der Wiege ihres Neugeborenen stehen und  sagen: „ ‚Criminal‘ wäre doch nett“. Etwas später fragen wir, immer noch heimlich kichernd. In Wirklichkeit heißt der gute Mann Curt, den Spitznamen hat er beim Fußball bekommen. Auch interessant. Kurti.

Ein  lallender Besoffener sitzt auch dabei und wird immer lauter, je weniger man ihm zuhört. An irgendeinem Punkt schmeißt Criminal ihn raus. Die Autorität dazu hat er anscheinend, allerdings nicht für lang. Wir erfahren, dass der Typ grandiose Sachen aus Rinderhörnern schnitzt und bei der Arbeit nie trinkt, nur, wenn er genug Geld für den nächsten Monat mit dem Verkauf seiner Skulpturen verdient hat.

Curt ist sein Freund und passt in solchen Momenten auf, dass er sich und anderen nicht schadet.

Nahezu jeder hat hier Verwandtschaft im Ausland. Ein zerrissenes Volk, alle beklagen den Brain Drain, der auf die hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen ist und die Sache nicht besser macht. Es fehlt an Kapazitäten, sei es im medizinischen Bereich, bei der Ausbildung oder im Tourismus. Deshalb kommt das Land nicht in Schwung, was für uns allerdings nicht nur Nachteile hat: Die großen Hotelketten haben noch nicht die ganze Küste besetzt, alles ist ein bisschen provisorisch, ursprünglich und langsam. Die Leute sind freundlich und unverstellt (man könnte auch sagen: es ist ihnen total egal, ob da ein Tourist irgendwas will oder nicht), die Strände unverbaut. Den mangelnden Luxus von All inclusive Hotels kann man ganz gut verschmerzen.

Mittwoch, 8.3.

Heute ist endlich das Wetter schön. Ich bin um viertel nach sechs wach und gehe an den Strand, um zu schwimmen und im Morgenlicht Fotos zu machen. Schwimmen geht allerdings nicht, die Flut drückt herein und die Wellen sind meterhoch. Also mache ich Fotos von den Wellen, dem Strand und den Pelikanen im Morgenlicht.

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Mein Versuch, am Strand zu liegen, ist nicht sehr erfolgreich. Der Wind weht ständig alles weg und der Sand ist überall. Nach zwei Stunden, gerade lese ich entspannt mein Buch,  schwappt eine Welle über mein Handtuch, den Rucksack, alles. Shit.

Dann fällt der Strom auf ganz Tobago aus. In meiner Tiefkühltruhe sind 20 Hühner. Niemand weiß, wie lange das dauert. In meiner Tiefkühltruhe tauen 20 Hühner vor sich hin. Ich habe kein INTERNET! Keine Möglichkeit, Akkus aufzuladen!! Kein Buch, nur Kindle!!! In meiner Tiefkühltruhe tauen 20 Hühner!!!! Das Leben ist grausam.

Caribbean Nights

Schlafen ist hier Glückssache. Abends, vom Jetlag ins Bett getrieben, geht’s ja noch. Zuerst friere ich ein bisschen, denn die Klimaanlage hat den Raum auf 19 Grad gekühlt. Nein, ich spinne nicht. Das Problem ist, die Mücken hier fressen einen auf. Deshalb hat mir Jema empfohlen, das Zimmer zu kühlen, angeblich sterben dann die Mücken. Alle bis auf zwei. Die machen sich dann mitten in der Nacht bemerkbar, ganz im Sinne des Dalai Lama, der ja bekanntlich gesagt hat, wenn du daran  zweifelst, dass kleine Dinge etwas bewirken können, dann versuch mal zu schlafen, wenn eine Mücke im Zimmer ist.

Die Powerinsekten kosten also Nachtruhe. Kaum hat man ihnen ihre Mahlzeit gewährt, was die einzige Möglichkeit ist, sie zur Ruhe zu bringen (entsprechend sehen meine Beine und Arme jetzt schon aus), fängt ein Hahn an zu krähen. Der verwechselt irgendwas, es ist erst viertel nach zwei und von Morgendämmerung keine Spur. Das finden offenbar auch die Hunde nebenan, die ihn dann mit ihrem Gebell zur Ruhe bringen. Leise Hoffnung: Vielleicht haben sie ihn gefressen?

Die Hoffnung wird enttäuscht um ziemlich genau 5.30 Uhr. Der Hahn lebt offenbar und ist stärker denn je. Außerdem sind die Mücken wieder hungrig. Zum Glück bin ich noch in der deutschen Zeit, so dass mir das jetzt nicht viel ausmacht.

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Perle der Karibik

Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, als ich ins Flugzeug nach Tobago steige. Ganz allein in ein völlig neues Land, mit einer Kultur, die mir fremd ist und ohne irgendein Programm organisiert zu haben ist dann doch noch mal was anderes. Ich möchte mal sehen, wie es mir geht, wenn ich keine Ahnung habe, was auf mich zu kommt.

Wir fliegen der Nacht davon, sie holt uns aber  ein. Eine Stunde vor der Landung schaue ich aus dem Fenster und staune über den Sonnenuntergang über den Wolken. Der Horizont geht nahtlos in den Ozean über. Die Nacht senkt sich im Osten, im Westen glüht noch die Sonne über Wattewolken. Flockenmeer vor Nachtblau, Wellen spiegeln sich in Formationen von weißen Schaumbergen.

Bei der Ankunft ist es stockfinster. Keith holt mich ab, ich kenne ihn nur von einem Foto, auf dem er nicht erkennbar ist: Im Tennisoutfit auf dem Boden sitzend,  ein Käppi  tief ins Gesicht gezogen. Mein suchender Blick zieht alle Taxifahrer des Flughafens an. Ein Schild mit meinem Namen, wie angekündigt, sehe ich nicht. Schließlich kommt ein Mann mit einem Handy auf mich zu und hält es mir vor die Nase. Auf dem Display erkenne ich ein Bild von mir. Das Bild ist schon drei Jahre alt, zum Glück erkennt er mich trotzdem.

Meine Gastgeberin Jema empfängt uns mit Bier für alle, wunderbar. Das Appartement ist groß und liegt in einem tropischen Garten.

5.3., Sonntag

Um 5.00 Uhr weckt mich der örtliche Chefhahn mit lautem Krähen. Eine Stunde versuche ich noch, weiterzuschlafen, vergeblich. Dann gebe und stehe ich auf. Angesichts der frühen Morgenstunde laufe ich Perle der Karibik weiterlesen