Wundersame Verteilung

Mittlerweile gehen ja nun Bilder um die Welt, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen: Flüchtlingsströme schieben sich durch die osteuropäischen Länder, an jeder Grenze staut sich die Masse, Leute übernachten im Freien, teilweise werden Kinder in Umzugskisten gesteckt, um nachts ein bisschen Wärme und Schutz zu bekommen. Wenn es regnet, stehen die Leute notdürftig bedeckt im Schlamm, völlig unzureichend angezogen (die Leute kommen zum Teil in Flip-Flops hier an!). Wer Glück hat, kann sich irgendwo unterstellen. Keine Frage, dass die Krankheiten zunehmen und die Leute, die ohnehin schon völlig erschöpft sind, noch mehr auszehren. Es mangelt an Nahrungsmitteln und Decken, an Isomatten und Zelten, die vorhandenen Unterkünfte sind zum Teil nicht beheizbar und die Temperaturen sinken nachts auf den Gefrierpunkt. Und das ist nur der Herbst.

Die Gemeinden an der deutsch-österreichischen Grenze sind völlig überfordert. Obwohl sie guten Willens sind, die Lage einigermaßen in den Griff zu bekommen, gelingt es nur teilweise. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Flüchtenden schubweise an die Grenzen gekarrt werden und dort aufgefordert, weiterzugehen. Also gehen sie die letzten Kilometer oder Meter und kommen unangekündigt irgendwann irgendwo an. Von Organisation keine Spur. Passau stellt seine Dreiländerhalle zur Verfügung, um dem Ansturm irgendwie gerecht zu werden, in anderen Dörfern gibt es solche Möglichkeiten nicht. Man kann sich nicht vorstellen, warum die Koordination mit Österreich, immerhin Österreich!!!, nicht besser laufen kann. Das ist doch ein befreundeter Staat, es muss doch  möglich sein, sich da abzustimmen! Zum Glück klappt die Koordination wenigstens bei den Helfern des Roten Kreuz diesseits und jenseits der Grenze.

Österreich hat natürlich das gleiche Problem an den Grenzen zu Slowenien und so weiter.

Und was ist in München los? Man glaubt es ja nicht. Hallen stehen leer. Betten werden nicht genutzt. Helfer sitzen rum und warten auf Arbeit. Keiner kommt. Wie kann das sein?

München war im September Drehkreuz für die Erstaufnahme und  Verteilung der Menschen in andere Städte. Pünktlich zum Oktoberfest wurde dann der Zugverkehr nach Salzburg eingestellt, so dass niemand mehr kommen konnte, jedenfalls nur noch sehr wenige. Alle dachten, das ist halt jetzt wegen der Wies’n so, ist ja ok, das hätte die Stadt vielleicht sonst wirklich überfordert. Sicherheitsprobleme waren absehbar. Zum Glück ist nichts passiert.

Die Wies’n ist aber seit 3. Oktober vorbei. Züge fahren immer noch nicht. München wurde komplett aus der Verteilung genommen. Warum? Sollen Leute erfrieren und im kalten Matsch tagelang ausharren, damit die Seehofer- Regierung ein Argument hat, die Grenzen zu schließen? Die Schlagbäume erst gar nicht wieder abzubauen? Vielleicht einen Zaun zu ziehen? Und damit die Stimmen derjenigen zu bekommen, die mehr Angst als Vaterlandsliebe haben? Dieses Gerücht geht jedenfalls um.

Erst als die Süddeutsche Zeitung diesem Thema letzte Woche eine ganze Seite  gewidmet hat, kam wieder Leben in die Bude. Plötzlich füllten sich die Erstaufnahmelager. Plötzlich scheint München doch wieder gefragt zu sein, wenn auch nur zögernd und nicht in dem Maß, wie es möglich wäre und von allen Helferorganisationen angeboten wird.

Das ging dann so:

Am Montag früh schaute ich auf mein Handy und fand einen Hilferuf einer Erstaufnahmeeinrichtung. Etwa um Mitternacht ging dort die Ankündigung ein, dass um 2.00 Uhr morgens 900 Leute ankommen. Helfer wurden dringend benötigt. Tagsüber kamen noch einmal 600. Ich mein‘, das geht doch nicht! Ich kann doch nicht wochenlang gar keinen schicken und dann, zu einem Zeitpunkt, an dem klar ist, dass in der Einrichtung nur eine Notbesetzung ist, plötzlich 900 Leute da hinkarren! Und gleich weiter am nächsten Morgen! Wie soll das funktionieren?

Das Tolle ist: Es hat funktioniert. Es kamen genug Leute, um zu helfen. Nachts. Morgens. Mittags. Und seitdem durchgehend. Ich finde es erstaunlich, berührend und wunderbar, wie die Leute sich engagieren. Keiner meckert. Keiner gibt auf. Alle helfen mit, wie sie können. Und landesweit sind es zehntausende, mittlerweile seit Monaten. Und statt dass die Welle der Hilfsbereitschaft abebbt, kommen täglich neue Helfer hinzu. Das muss man sich mal vorstellen.

Ist das nicht großartig?

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