Orang Utans im Schlamm

14.8.

Den Trekking Guide treffen wir in Bukit Lawang. Zu siebt machen wir uns auf den Weg. Verschlungene Pfade führen durch den Dschungel, es geht steil bergauf und ist extrem rutschig, ohne Trittfestigkeit und anständige Trekkingschuhe nicht zu bewältigen. Der Guide trägt Gummischuhe mit Noppen, um nicht zu rutschen, alle anderen halten sich an jeder sich bietenden Liane fest. Nach etwa eineinhalb Stunden sind sie dann plötzlich da: Die Orang Utans, deretwegen  alle hier sind. Eine Mutter und ein Baby hangeln sich durch den Wald und bleiben in der Nähe der Touristengruppen stehen. Es ist unklar, wer hier wen beobachtet: Die Menschen die Tiere oder umgekehrt. Ich bin begeistert.

Wir wandern weiter, bergauf, bergab, und sehen einige andere Affenarten: Thomas-Affen und Makaken und Gibbons.

Dazu natürlich Unmengen von Pflanzen, riesige essbare Ameisen, diverse Käfer und Blutegel. Alles dampft und die unfassbare Fruchtbarkeit des Regenwaldes dringt aus jeder Pore. Der Guide zeigt uns verschiedene Heilpflanzen, unter anderem einen Pilz, mit dem man die Augen ausspülen kann, einen Chinin-Baum, dessen Rinde gegen Malaria hilft und einige Pilze, die Bauchweh und verdorbenen Magen heilen. Der Wald bring alles hervor, was wir brauchen. Und wir Idioten holzen ihn ab.

Wir wandern den ganzen Tag. Es wird nicht leichter. Die Berge werden höher, wir müssen drüber, denn auf der anderen Seite liegt ein Tal mit einem kleinen Fluss, an dem wir übernachten. Also steigen wir auf, nehmen keine Rücksicht auf schlammige Knie und Schuhe, hangeln uns entlang,  um nicht abzurutschen und irgendwann sind wir oben. Dann geht es bergab in das besagte Tal. Der Pfad verdient den Namen kaum, überall wuchert es, alles ist schlammig vom gestrigen Regen, wir rutschen  mehr als wir gehen und ohne die Lianen wären wir alle schon längst abgestürzt in die grüne Hölle.

Wie sich herausstellt, hat ein Mann aus einer anderen Gruppe tatsächlich das Gleichgewicht verloren und hat sich den Fuß gebrochen. Er muss  ins Tal getragen werden. Der Mann hängt an einer Trage, die die Träger an einem Stock befestigt haben, den einer vorne, einer hinten auf der Schulter trägt. Kein Spaß, für den Mann sowieso nicht und für die Guides auch nicht, die ihn jetzt über die Berge zurück schleppen müssen. Mein Gastgeber erzählt mir später, dass er in Medan im Krankenhaus liegt und operiert werden muss.

Bei uns klappt zum Glück alles. Wir kommen an unserem Nachtlager an, direkt an dem kleinen Flüsschen gelegen, romantisch, aber sehr spartanisch.

Hauchdünne Matten trennen unsere Körper von dem steinharten Untergrund, ein paar Plastikplanen halten den Regen ab und jeder bekommt einen halben alten Schlafsack als Zudecke. Geduscht wird im Fluss. Zum Abendessen bekommen wir allerdings ein ganzes Menü, Chicken-Curry und Gemüse-Curry und Tempé und scharfe Sardellen und natürlich Reis. Als Nachtisch gibt es Joints, mangels kaltem Bier. Unser Guide raucht sowieso  nichts anderes, für ihn macht es keinen Unterschied zur täglichen Routine. Er ist durchgehend komplett stoned. Solange er den Weg noch findet, soll’s uns egal sein.

Die Abendunterhaltung besteht aus Kartenspielen, „Bullshit“, ein einfaches Kartenspiel, das sogar ich kapiere. Als es um ungefähr halb neun langweilig wird, gehen alle schlafen. Ich habe zum Glück meinen Kindle dabei, dessen beleuchtetes Display mich rettet. Wer kann um die Zeit denn schon schlafen! Natürlich keiner. Die anderen unterhalten sich pärchenweise, nach einiger Zeit wird es still. Wir liegen da und warten auf den Schlaf.

Das wird erschwert durch diverse Dinge: Es gießt. Der Regen prasselt krachend auf die Plastikplane. Es ist steinhart. Es ist abwechselnd zu heiß und zu kalt. Es ist langweilig. Es ist stockfinster. Richtig stockfinster. Ich muss aufs Klo, aber wenn ich jetzt rausgehe, werde ich wieder nass und ich habe die einzigen einigermaßen trockenen Klamotten an. Ich überlege, mir die nassen Sachen anzuziehen und rauszugehen, entscheide dagegen, weil ich dann ja alle aufwecke. Vielleicht den Bikini? Allein der Gedanke nervt mich. Da steht die Engländerin auf und geht raus. Ich denke, das ist die Gelegenheit, an eine Taschenlampe zu kommen und frage, ob ich sie mir nachher ausleihen kann. Hurra!

Irgendwann schlafe ich trotz hart, heiß, kalt, prasseln und lautem Bach ein und zu meiner eigenen Überraschung wache ich erst gegen halb neun am nächsten Morgen auf.

15.8.

Nach dem Frühstück – Omeletts und Toast und recht guter Kaffee – steigen wir wieder auf den Berg, allerdings über einen anderen Pfad, der nicht minder matschig, rutschig und steil ist. Wieder sind die Lianen unsere Freunde. Diesmal haben wir noch mehr Glück: Wir sehen das riesige Alpha-Weibchen der Orangs, Mina. Sie lässt sich füttern von den Guides, die uns warnen, ja nicht zu nah an sie heranzugehen. Mehrere andere, kleinere Exemplare begleiten sie. Die Gelegenheit, ausgewilderte, aber an Menschen gewöhnte Orangs zu füttern, lässt sich natürlich keiner entgehen.

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Danach steigen wir weiter auf und ab, bis wir zum Fluss kommen, auf dem wir in schlauchbootartige zusammengeschnürten Reifen zurückgefahren werden. Der Fluss führt massiv Wasser und Stromschnellen sind überall. Es ist ein sehr feuchtes Vergnügen, wir kommen alle klatschnass, aber lachend an.

Nasib mit seinem Motorrad holt mich ab und wir brausen im wieder einmal strömenden Regen von Bukit Lawang zur Batu Kapal Lodge. Ich frage, ob ich einen Eimer heißes Wasser haben kann, ich hätte so gern meine Haare gewaschen und in meinem Zimmer ist die Dusche kalt und ohne jeden Druck, eher ein Rinnsal. Nasib macht es möglich. Man kocht mir Wasser auf, ich mische es mit kaltem und übergieße mich genussvoll.

 

4 Gedanken zu „Orang Utans im Schlamm“

  1. Einem Orang Utan die Hand reichen und danach einen Joint rauchen – was für ein Unterschied zu meinem heutigen Tag am Feringasee:
    Enten gefüttert und danach eine saubere Pfeife geraucht.
    Dein Foto mit dem Orang Utan ist beeindruckend.
    Morgen fahre ich an die Nordsee: Sollte sich ein Seehund von mir füttern lassen, werde ich mir danach was in die Pfeife mischen …
    Freue mich auf deinen nächsten Bericht .
    Bleib gesund!
    Liebe Grüße Klaus

  2. Liebe Brigitte , das ist sehr abenteuerlich und mit Sicherheit ein wunderbares Erlebnis. Ich bin richtig neidisch . Aber Deinen Mut und Deine
    Kondition für dieses Abendteuer hätte ich leider jetzt nicht mehr . Danke, für diesen sehr schönen Bericht. Ich wünsche Dir , das Du Heil bleibst ! Lieben Gruß Annette

  3. Oh Mann Brigitte! ? Was für ein Abenteuer!! Sehr lässig… Lianen, Pilze, Dschungel-Nachtisch, Orang Utans hautnah… Und die Bootsfahrt noch dazu, da kann Kärnten nimmer mithalten ? Im Dschungel brauchts einfach was es braucht… und ich find es cool, dass du anscheinend das alles mitbringst (nächstes Mal im stockfinstern Regen aufs Klo gehen kannst dir ja überlegen, ob du nicht einfach ohne Gwand gehst, sieht dich ja eh keiner ?). Und die nötige Portion Ironie, um uns das alles zu beschreiben… Herrlich, danke, mehr!! ? Ich wünsch dir noch eine spannende Zeit und bleib gesund! ?

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