Die Rache des Flussgottes

16.8. Bukit Lawang, Sumatra

Um halb vier wache ich auf,  mir ist so schlecht wie noch nie. Kopfweh habe ich auch und die Vomex habe ich vergessen. Um halb sieben muss ich vorne stehen, damit sie mich mit dem Motorrad zu dem Auto bringen, das mich zum Flughafen fährt. Vorher muss ich aber noch fertig packen. Als ich um halb sechs aufstehe, ist es noch dunkel. Bei der Gelegenheit stelle ich fest, dass ich keinen Strom habe. Ach ja, der Generator läuft ja nur von 18-22.00 Uhr. Darauf hatte ich gar nicht geachtet, bisher war das kein Thema. Also packe ich mit der Taschenlampe zwischen den Zähnen. Ich könnte heulen, wenn ich dann nicht kotzen müsste. Wer rechnet denn damit, dass in einer Pension nur 4 Stunden Strom am Tag ist und das abends. Mir ist noch nicht mal aufgefallen, dass meine Geräte nachts nicht laden. Vielleicht weil es sowieso nur eine Steckdose gibt. Dafür gibt es eindeutig Punkteabzug, trotz der schönen Lage.

Also packe ich im Dunklen fertig und schleppe mich zur Rezeption. Es macht keinen Spaß, mit einer Vergiftung Motorrad zu fahren, das weiß ich jetzt. Schon gar nicht auf der Holperstrecke. Mir ist so schlecht. Wie soll ich bloß in dem Zustand nach Bali kommen? Andererseits ist dort die medizinische Versorgung sicher besser als in Sumatra. Also muss ich da jetzt durch.

In Bukit Lawang steige ich um in ein Taxi, das mich in 4 ½ Stunden zum Flughafen bringt. Mir ist immer noch schlecht und mein Kopfweh wird durch die Schmerztablette nur wenig besser. Ich habe Fieber. Am Flughafen schlafe ich auf einer Liege ein. Dann hat der Flug Verspätung. Es wird nicht besser.

Tiger Air tiefkühlt die Passagiere. Ich habe zwar eine Jacke an, das ist aber viel zu wenig. Die anderen Passagiere wickeln auch alles um sich herum, was sie haben. Ich beschwere mich beim Steward. Der versichert, er sagt im Cockpit Bescheid, wenn er wieder nach vorne geht. Er bleibt den Rest des Fluges hinten.

Als wir endlich in Bali sind, nehme ich ein Taxi und fahre zu meinem Airbnb. Der Gastgeber, Heru, ist nett, zeigt mir alles und erklärt mir, dass ich nicht verlängern kann, weil er andere Gäste kriegt. Hoffentlich geht’s mir dann übermorgen besser. Mir ist immer noch schlecht, aber ich bin froh, endlich liegen zu dürfen und nicht zu frieren.

17.8. Seminyak, Bali

Ich wache auf und fühle mich etwas besser. Also gehe ich die völlig reizlose Stadt erkunden.

Nach hundert Metern bereue ich das, denn jetzt kommt die Rache des Flussgottes. Ich schaue, dass ich heimkomme und  liege den Rest des Tages im Bett. Gegen Abend steigt mein Fieber auf 39,8. Jetzt mache ich mir langsam Sorgen. Ich nehme 2 Paracetamol und rufe um Hilfe. Sonja ruft beim ADAC an, der  mich tatsächlich zurückruft und  ins Krankenhaus schickt. Inzwischen ist Heru heimgekommen und fährt mich mit dem Roller zur Ambulanz, die eigentlich um die Ecke ist. In dem Zustand wäre ich zu Fuß aber nicht da hingekommen. Der Arzt ist sehr gründlich, testet alles und verschreibt mir Antibiotika und Kohletabletten.

Ich habe das Wasser aus dem Fluss im Verdacht. Am zweiten Tag meines Dschungeltreks ist uns allen das Wasser ausgegangen, die Guides haben Flusswasser abgekocht. Bei der Hitze dort und dem anstrengenden Trekking hatten wir keine Wahl.

18.8.

Es geht mir besser, auch wenn das Fieber nur mit Paracetamol runter ist. Fit bin ich nicht, aber auf dem Weg. Ich schaffe es sogar, in ein anderes Airbnb umzuziehen, meine Wäsche auszugeben und Geld zu wechseln. Nachmittags gehe ich zum Strand, der nichts Besonderes ist, langer Sandstrand halt. Die Wellen sind hoch, das Wetter bedeckt. Ich spaziere am Strand entlang, dann suche ich den Weg zurück. Diese Stadt sieht überall gleich aus: Ein Kleiderladen am anderen, dazwischen Dekogeschäfte, Spas und Restaurants. Ich verirre mich ein paarmal, finde dann aber wieder heim. Das Fieber ist wieder gestiegen, ich brauche Ruhe.

Gegen abend kriege ich das erste Mal seit Sumatra Hunger. Eindeutig ein gutes Zeichen. Die letzten Tage habe ich nur ein paar Kekse runtergekriegt. In einer schönen Strandbar, die ich nachmittags gesehen habe, freue ich mich über Barramundi-Filet mit Bohnensalat. Allerdings schaffe ich nur die Hälfte.

Zurück in meinem neuen Zimmer stelle ich verschiedene Lärmquellen fest: der Kühlschrank. Eine Wanduhr. Die Klimaanlage. Bellende Hunde. Krähende Hähne. Sich laut vor meinem Zimmer unterhaltende Frauen. Musik im Nebenzimmer. Kühlschrank, Wanduhr und Klima sind das wenigste, ich schalte sie aus. Die Hunde werden sich schon wieder beruhigen, die Frauen gehen ja auch irgendwann ins Bett. Hoffentlich dauert die Musik nicht bis in den Morgen. Denke ich. Die Frauen sind um halb drei, als  ich längst die Ohrstöpsel drin habe, immer noch am Quatschen. Ich nehme an, sie warten auf zahlungskräftige Europäer. Die Musik hört nicht auf, als ich um halb sechs das nächste Mal vom Hundegebell geweckt werde, höre ich sie immer noch laut und deutlich.

In dem Moment fällt eine Entscheidung. Mir reicht’s. Ich werde hier abhauen, egal, wie viele Nächte die mir berechnen. Zum Glück bin ich kein echter Backpacker und kann mir eine etwas gepflegtere Unterkunft leisten. Bisher erschließt sich mir der Charme Balis noch nicht.

2 Gedanken zu „Die Rache des Flussgottes“

  1. Liebe Brigitte, das liest sich lebensgefährlich – Deine Erkrankung . Du bist sehr tapfer. Ich empfehle Dir dringend , nach Deiner Ankunft in Deutschland , einen Hiesigen Arzt aufzusuchen ( am besten ein Institut für Tropenmedizin ) und entsprechende Untersuchungen durchführen zu lassen . Hoffentlich geht es Dir mittlerweile immer besser ! Lieben Gruß Annette

    1. Alles ist wieder gut, Danke. Der Arzt hatte die richtige Idee und das richtige Mittel. Er hat Mir auf Verdacht Antibiotika und Kohletabletten gegeben und dann noch Labortests gemacht, die seinen Verdacht auf bakterielle Infektion bestätigt haben .

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