Es läuft langsam an

25.-30.4.

So ein bisschen schaut es langsam besser aus. Oder wir sind nicht mehr so konsequent und gefährden damit alles. Ich weiß es nicht, keiner weiß es. Ich stelle nur fest, dass es eine ungeheure Erleichterung ist, dass wir auch wieder eine Person außerhalb des eigenen Haushalts treffen dürfen.

Am Wochenende war ich in Augsburg und habe meine Tochter Julia getroffen. Wir sind sage und schreibe drei Stunden im Stadtwald spazieren gegangen, haben Gott und die Welt diskutiert und genossen, mal einen anderen Ansprechpartner als unsere Mitbewohner zu haben. Dann waren wir noch in der Stadt Eis essen, natürlich „to go“. Man merkt gar nicht, wie sehr einem das fehlt, die simple Gegenwart anderer Leute.

Mäßig konsequent haben uns die Woche auch Freunde besucht, die auf ihrem Spazierweg bei uns vorbeigeschaut haben. Natürlich blieben alle brav auf der Terrasse sitzen, mit Abstand und Feuerschale, damit wir uns nicht zu nahe kommen und nicht frieren. Einige Flaschen Weiß- und Rotwein später sind sie dann wieder heimspaziert. Wir haben uns gefreut wie Kinder, mal wieder zusammen zu sitzen, wenn auch nur draußen  und abends im doch noch recht kühlen April.

Nachdem die kleinen Läden diese Woche wieder geöffnet haben, musste ich ganz dringend eine Akte zum Gericht nach Ebersberg bringen und auf dem Weg in Helgas Boutique am Marktplatz vorbeischauen, wo ich die örtliche Wirtschaft kräftig unterstützen konnte. Was soll ich sagen: Einige Klamotten waren in meiner Größe ausverkauft, nach drei Tagen Öffnung. Es wird schon wieder, Leute, haltet durch! Eure Stammkunden lassen euch nicht hängen. Jetzt bin ich wenigstens wieder versorgt mit coolen Klamotten, falls die jemals wieder jemand zu Gesicht bekommt, mit dem ich nicht zusammen wohne oder arbeite. Na ja,  ein neues Outfit hebt die allgemeine Laune auch so immer.

Sonst passiert ehrlich gar nichts. Ich ziehe mein Sportprogramm durch, gehe brav arbeiten, das war’s. Ich würd‘ so gern verreisen!

Nicht mehr ganz so ausgangsbeschränkt, Teil 7

18.4.

Immer noch strahlender Sonnenschein und dunkelblauer Himmel, seit Wochen. Was könnte man alles unternehmen! Wo könnte man überall hinfahren! Für die Landwirtschaft ist dieser supertrockene April eine Katastrophe, für den ausgangsbeschränkten Bürger ein Segen.

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Die Tage gleichen sich immer mehr. Ich versuche zwar, jeden Tag irgendwas Besonderes zu erleben, es wird aber nicht einfacher. Immerhin bin ich heute mit einer Freundin spazieren gegangen, fast 10 km, das war hoch willkommen. Wir dürfen das anscheinend jetzt, oder doch erst ab Montag? Oder eine Woche später? Keine Ahnung, jedenfalls sehe ich kein Problem mit Ansteckung, wenn zwei Leute, die seit Wochen praktisch keine Außenkontakte hatten, draußen berührungslos durch den Wald gehen. Und ob ich das jetzt heute anfange oder am Montag, ist dann auch egal. In anderen Bundesländern dürfen sie das ja auch schon länger.

Merkt ihr was? So langsam kommt ein wenig Trotz auf. Die Beschränkungen werden nicht mehr ohne jede Einschränkung akzeptiert. Ich denke, es kommt darauf an, wie neue Regeln kommuniziert werden. Ein bisschen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da doch ein paar Profilierungswünsche eine Rolle spielen, die nicht unbedingt nur etwas mit der Volksgesundheit zu tun haben. Das ist gefährlich. Grundsätzlich sind ja noch die meisten dabei, wenn es um die Reduzierung von Kontakten geht. Aber wenn die Regeln unklar sind und vor allem die Begründung ebendieser Regeln nicht nachvollziehbar, dann regt sich doch ein wenig innerer Widerstand, der, wenn er um sich greift, das Gesamtprojekt gefährden könnte. Damit ist aber keinem gedient.

19.4. Sonntag

Um meiner Radlerei ein Ziel zu geben, habe ich heute mit meiner Schwester verabredet, dass wir uns entgegen fahren, dann zusammen ein Eis holen und wieder heimfahren. Meine Schwester wohnt 15 km weit weg von mir, also ist das eine schöne Tour hin und zurück. Vor der Eisdiele stehen 50 m Leute an, alle brav auf Abstand, weshalb es dann auch relativ schnell geht. Wir setzen uns auf einen Zaun, die nahegelegenen Parkbänke sind alle schon voll, und freuen uns, dass wir uns endlich mal wieder sehen.

20.4.

Langsam wird es wieder etwas lebendiger im Büro. Es rufen wieder Leute an. Dafür klappt das mit halbtags schon wieder nicht.

Abends schaue ich bei Matthias vorbei, der heute Geburtstag hat. Die Besucher geben sich die Tür in die Hand, damit nicht mehr als zwei auf einmal da sind. Nebenbei läuft „Houseparty“ mit wechselnder Besetzung. So geht’s dann auch mit dem Abstand und so. Ivy bringt wunderbaren frischen Käsekuchen, Matthias hat noch Spargelsuppe, dazu Rosé, läuft mit der Party.

21.4.

Ich merke, dass meine Sportbegeisterung nachlässt, sobald ich wieder bis abends im Büro sitze. Ich sollte also nicht bis abends im Büro sitzen, das wäre für meine Figur, meine Laune und meinen Schlaf entschieden besser. Eigentlich habe ich keine Lust auf Rückkehr ins Hamsterrad, wenn die Beschränkungen mal aufgehoben werden.

Auf meiner Liege in der Sonne bekomme ich Besuch.

Der Wetterbericht sagt, dass es bisher im April 3% der normalen Niederschläge für diesen Monat hatte. Alles vertrocknet, ich gieße meine Blumen jeden Tag. Für die Vögel und Igel habe ich Schälchen mit Wasser aufgestellt. Im Brunnen baden die Amseln.

22.4.

Ein gegnerischer Rechtsanwalt schreibt mir so böse Briefe, dass ich den Fall nicht bearbeiten mag. Eigentlich ist die Mandantin sehr nett, aber dieser Gegner ist ganz schlimm. Was für ein trauriges Leben muss der haben, wenn er so aggressiv gegenüber einer Kollegin ist, die er gar nicht persönlich kennt. Da schreit der Frust aus jeder Zeile. Zum Glück sind solche Typen selten, sonst hätte ich den Beruf schon aufgegeben. Irgendwie packe ich sowas zur Zeit nicht gut.

23.4.

Caro hat Masken! Ich fahre in ihre Praxis und kaufe ihr ein Päckchen ab. Die brauche ich ab übernächste Woche für die Mandanten, die keine eigenen dabei haben. Eigentlich müssen ja alle welche haben, wg. Maskenpflicht und so. Aber wie ich die Leute kenne, werden wieder einige ohne kommen. Dann möchte ich den Service bieten können, ohne mich und andere unverhältnismäßig zu gefährden, und ihnen eine überlassen.

24.4.

Geburtstage in Zeiten von Corona: Ich gratuliere meiner Schwester mittags und wir feiern mit Paella und Kuchen vom Drive-in.  Da kommt Party-Laune auf!

 

Ich hab keine Lust mehr auf diesen Scheiß.

 

 

 

Ausgangsbeschränkte Ostern, Teil 5

Karfreitag, 10.4.2020

Ich hätte ja nicht gedacht, dass meine Kinder so vernünftig sind. Nachdem ich ein bisschen in den Verwaltungsgerichtshofs-Urteilen geschmökert habe und herausgefunden habe, dass es sich bei dem österlichen Familienbrunch-Verbot nur um eine nicht vollstreckbare Empfehlung der Staatsregierung handelt, habe ich sie mal alle eingeladen. Keine wollte kommen. Alle drei haben sofort angefangen, auf mich einzureden, dass das nicht #stayathome – mäßig korrekt sei und sie wollen uns nicht gefährden und ich soll mir vorstellen, was los ist, wenn einer von uns einen anderen ansteckt. Ich meinte, es sei ja anscheinend nicht direkt verboten und musste sofort hinnehmen, dass man mich für einen renitenten Althippie hält. Meine Anwältin-Tochter haut sofort raus, es sei doch völlig egal, ob das Verhalten strafbar ist, wenn dann einer stirbt, wo ist der Unterschied? Meine Antwort „er stirbt unbescholten“ hat sie aber auch nicht überzeugt.

Also Karfreitag. Keine Gottesdienste, was mich jetzt nicht so kratzt, ich wäre eh nicht hingegangen, keine Tanzveranstaltungen, nun, die gibt’s an dem Tag sonst auch nicht, keine Fischrestaurants – schon eher schwierig. Radfahren geht. Ich radle schnell ins Büro und leere den Briefkasten aus, nichts Wichtiges, ok. Dann fahre ich zum Riemer See über ein paar Umwege.

Die Autobahn ist leer. Kein Ausflugsverkehr, kein Berufsverkehr, keine Laster, Motorräder. Mehr oder weniger Stille. Am See ein paar Radler und Spaziergänger, ein Witz bei dem Wetter, anscheinend haben es die Leute jetzt doch kapiert. Ein einsames Blesshuhn zieht seine Bahnen über den Karpfen, mehr ist nicht geboten.

Abends gibt Julia ein Online-Konzert, natürlich hängt die ganze Familie vor dem Computer. Sie spielt ihre Lieder, ein Cover und drei eigene. Nebenbei läuft ein Chat, die Leute sind begeistert.

11.4.

Ich radle zur Landlust, möchte schauen, ob die auch Semmeln haben zum Frühstück und vielleicht Osterfladen für morgen. Ungefähr 20 Leute stehen am Drive In an. Das sind zu viele. Ich radle weiter und kaufe beim Bäcker ein. Der ist neben dem Supermarkt, also nehme ich gleich alles mit, was ich noch brauche. Das tun viele andere Leute auch. Es ist ausgeschlossen, bei diesem Gedränge ausreichend Abstand zu halten. Ich schaue, dass ich wieder weg komme.

Nach dem Frühstück genieße ich die Sonne im Garten. Ich schneide ein bisschen trockene Blätter vom letzten Jahr zurück, dann lege ich mich in die Sonne und  lese.

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Später koche ich Tortellini mit Pesto. Um die wieder loszuwerden, klinke ich mich abends in das Notprogramm des Fitness-Studios ein und mache zwei Stunden Gymnastik.

Ostersonntag, 12.4.

Immer noch Sommerwetter. Wir haben uns mit den Kindern zum Video-Chat verabredet, allerdings war nicht ganz klar, ob Sonntag oder Montag. Nachdem nur Sonja von Montag ausgeht, beschließen wir, dann halt beide Tage zu chatten. Es dauert schon mal eine gute dreiviertel Stunde, bis wir uns auf ein Programm geeinigt haben. Das erste funktioniert nicht wegen Überlastung, das zweite zeigt nur schwarze Flächen an, erst beim dritten kriegen wir ein brauchbares Bild. Sehr gut, das war der Test für morgen.

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Zwischendurch hole ich das Mittagessen, gleiches Bild wie gestern: Massenhaft Leute stehen in gebührendem Abstand auf dem Parkplatz rum und warten auf ihr Essen. Die Küche kommt überhaupt nicht nach mit liefern. Leider ist dann die Suppe total versalzen. Das Lamm mit Thymianjus und die Mousse au Chocolat sind aber sehr lecker.

Als ich zurückkomme, ratschen die immer noch. Introvertiert ist hier keiner. Wir essen zusammen, dann gehen die Akkus langsam zur Neige….

Ostermontag, 13.4.

Der Chat mit der Restfamilie dauert heute 2 ½ Stunden. Insofern können wir uns nicht beschweren, dass sich die Kids keine Zeit für ihre alten Eltern nehmen. Mein Fitnessprogramm  heute besteht aus einer Stunde Workout, dann schaue ich mir „Unorthodox“ auf Netflix an. Geniale Miniserie, die authentische Geschichte einer jungen Frau, die im jüdisch-orthodoxen New York aufwächst und mit 19 Jahren beschließt, auszusteigen. Sehr gute Schauspieler, spannend aufbereitet und die Autorin der zugrunde liegenden Autobiographie hat sich auch sehr lobend geäußert. Lohnt sich auf jeden Fall!