Schweigen vs. Sangria

Tag 5

Nach der Morgenmeditation, immer noch schweigend, rief  der gegenüber liegende Berg. Der Aufstieg wurde belohnt mit einer grandiosen Aussicht über Lluc de Mar und Palma bis ans Meer. Keine Menschen weit und breit, Zeit für Stille und zum Nachdenken, es hat seine Vorteile, in der Vorsaison zu reisen. Allerdings glaube ich nicht, dass hier überhaupt irgendwann viele Leute unterwegs sind, zu unwegsam ist der Pfad.

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Von der Hochebene aus hat man einen wunderbaren Blick auf unsere Einsiedelei.

Die Gedanken kommen und gehen.  Gefühle sortieren sich weiter. Vieles ordnet sich neu und führt zu überraschenden Erkenntnissen. Auch manche Erlebnisse in Australien bekommen einen Sinn, stellen sich in einen Zusammenhang mit den Ereignissen im letzten Jahr. Mehr Klarheit.

Wir schweigen noch bis zum Mittagessen. Größere Schwierigkeiten damit hatte keine, einige sind froh, wieder reden zu dürfen, andere – so auch ich –  hätten gern noch ein, zwei Tage so verbracht. Alles in allem eine eindrückliche Erfahrung für alle.

Nach dem Essen versorgt uns ein Strandspaziergang  mit frischer Brise. Das Wasser ist eisig, die Luft kühl. Zum Laufen am Ufer ideal, allerdings hat keine das Gefühl, sich ausziehen zu wollen.

 

Ausgelüftet beschließen wir den Schweigetag mit einer Sangria in der Beach-Bar. Danach geht’s nochmal nach Palma zum Schuhgeschäft. Die Welt hat uns wieder.

 

Bleib bei Dir

Tag 2

Heute früh war das erste Seminar.

Vor dem Frühstück waren wir bei schönstem Blick über die Ebene draußen, haben Atem- und Dehnungsübungen zum Aufwachen gemacht. Die Ebene im Morgenlicht lädt dazu ein.

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Olgas Thema heute war im Wesentlichen der Zugang zu den eigenen Gefühlen: Bleib bei dir! Akzeptiere deine Gefühle, die guten und die schlechten und lerne daraus. Nimm wahr, dass du allein für deine Gefühle verantwortlich bist und niemand anders. Mach niemanden für dein Leben und deine Emotionen verantwortlich außer dir selbst. Nur du entscheidest, wie du ein Ereignis  bewertest.

Situationen sind an sich erst einmal neutral (z.B. du verlierst deinen Job oder wirst krank oder dein Partner verlässt dich). Nur durch deine emotionale Bewertung – die von deinem Charakter, deiner Erziehung, deiner Persönlichkeit abhängt – bekommen sie eine Auswirkung. Die kann positiv sein im Sinne von Erkenntnis, dass jede Krise eine Chance darstellt (so ein Glück, dass das passiert ist! Ohne dieses Ereignis hätte ich jetzt niemals diesen neuen, viel besseren Job/erkannt, dass Gesundheit wichtiger ist als alltäglicher Scheiß/diesen tollen neuen Partner kennengelernt/dieses tolle Erlebnis gehabt) oder negativ (immer passiert mir sowas! Wieso erkennt mein Arbeitgeber/Ex nicht, dass ich qualifiziert/zuverlässig/liebevoll/klug/einfach toll bin? Wieso muss ich jetzt wieder krank sein?) oder neutral (was? Ist was passiert? Ach das, dann mach ich halt was anderes/nehm‘ ich eine Pille und leg mich ins Bett/such ich mir einen neuen Partner, der mich mehr liebt).

Na ja, klar ist das nicht so einfach. Wenn man mitten in der Krise versinkt, fällt es extrem schwer, das Positive zu sehen, auch wenn man  theoretisch weiß, dass es wieder besser wird. Und in letzter Konsequenz die volle Verantwortung für alle Gefühle zu übernehmen, die in einem hochkommen (vor allem, wenn man sich schlecht behandelt oder nicht respektiert fühlt), ist wahrscheinlich übermenschlich. Sowas kann nur Jesus oder Buddha oder solche Leute. Wenn alle das könnten, wäre die Welt ein friedlicher Ort.

Um zumindest einmal ansatzweise zu versuchen, bei sich zu bleiben und eine Situation nur als Auslöser für den eigenen Lernprozess zu sehen, ist es zunächst einmal notwendig,  Gefühle zu erkennen und zu benennen. Man glaubt ja nicht, wie schwierig schon das sein kann.

Macht mal Folgendes: Hört jetzt sofort auf  zu lesen  und überlegt eine Minute lang, was ihr gerade fühlt. Die meisten werden wohl sagen: Nichts. So war es jedenfalls in unserer Gruppe. Das stimmt aber nicht, wir fühlen immer etwas. Das kann sein: Traurigkeit, Fröhlichkeit, Gelassenheit, Ruhe, Aufgeregtheit, Hunger, Durst, Langeweile… Es gibt unendlich viele Schattierungen, aber eines gibt es nie: Dass wir gar nichts fühlen. Und wenn es nur wohlwollende Gleichgültigkeit ist. Oft ist es ein Konglomerat aus ganz vielen verschiedenen Zuständen, zum Teil natürlich auch widersprüchlichen. So viele Menschen und Situationen, so viele Möglichkeiten.

Unsere Aufgabe für heute war, mehrmals innezuhalten und unsere Gefühle zu benennen. Nichts weiter. Das führt natürlich zu mehr Achtsamkeit, was wiederum dazu beiträgt, dass man sich selber besser kennenlernt (Selbsterkenntnis! ha!) und erfährt (nicht nur weiß), dass Gefühle flüchtig sind und sich laufend ändern. Das ist etwas, worauf man sich verlassen kann und trägt dazu bei, sich in negativen Gefühlen nicht zu verlieren, sondern sie als vorübergehenden Zustand wahrzunehmen. Und schon ändern sie sich.

Nachmittags waren wir – ganz unspirituell – in Palma shoppen, mäßig erfolgreich (natürlich nur hinsichtlich der Einkäufe, nicht der Selbsterkenntnis: Geile Schuhe. Innehalten. Gefühl beobachten. Begeisterung, Fröhlichkeit, Sehnsucht, schlechtes Gewissen ob des Preises, Befriedigung nach dem Kauf 😉 ). Es ist halt ein bisschen zäh, mit 7 Frauen durch die Shops zu ziehen, aber dafür ist’s lustig. Zum Glück sind wir unter uns, ein Mann würde verzweifeln.

Palma ist eine sehr schöne Stadt mit vielen netten Läden, Cafés und Restaurants und schattigen Plätzen, auf denen man wunderbar sitzen und Leute anschauen kann, wenn man total erschöpft vom Besichtigen der Kirchen und (Konsum-)Tempel dringend einen Drink oder Eisbecher braucht.

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