Secret of Ongi

Wie gesagt, das Morgenlicht entschädigt mich für einiges und das muss es auch. Zum einen ist das Klo am Ende der Welt. Dann ist es heute auch noch verstopft, was dazu führt, dass es für alle in diesem Camp am Rande der Wüste Gobi nur ein einziges gibt und ein einziges Waschbecken. Außerdem bellt schon wieder ein Hund ausdauernd, was nichts Gutes für die Nacht ahnen lässt. Irgendwer kreischt und singt die ganze Zeit, hoffentlich hört das bald wieder auf.

Ich bin im „Secret of Ongi Tourist Camp“, etwa 280 km weiter südlich als gestern. Was bedeutet, dass wir diese Strecke heute gefahren sind. Ganztagsprogramm.

Es ist deutlich wärmer, die Jurte hat keinen Ofen. Gestern Abend hatte ich noch einen, allerdings hat es ja geregnet und erst nachdem des wieder aufgehört hat, konnte der Kamin befestigt werden und der Ofen eingeheizt. Das hat ein junges Mädchen gemacht, die erst total genervt war, weil ich den Kamin umgedreht haben wollte – das eine Ende passte schlicht nicht auf den Sockel, weil es so verbeult war. Ich mag aber nicht das ganze Zelt voller Rauch und auch keine nächtliche Vergiftung.

In der Nähe des Camps ist ein altes Kloster, das die Kommunisten, wer hätt’s gedacht, dem Erdboden gleich gemacht haben und das nur teilweise wieder aufgebaut werden konnte. Es liegt am Fuß eines kleinen Berges, dahinter erhebt sich schwarz und schroff und zackig ein Gebirge. Der Blick von ganz oben ist spektakulär: Eine endlose Gebirgskette in die eine Richtung, Ausläufer der Wüste in die andere, unten das Kloster und dahinter ein Fluss.

Manche Dinge passieren einem in so einer Gruppenreise, die kann man kaum glauben. Leute, die schon überall waren, fragen, warum man in einem Tempel die Schuhe ausziehen muss und sind völlig überrascht, als sie erfahren, dass das in buddhistischen Tempeln und Moscheen auf der ganzen Welt so ist. Andere gehen gar nicht rein, weil sie ihre Schuhe nicht ausziehen wollen. Wieder andere fragen einen alten Nomaden, mit wieviel Jahren hier das Renteneintrittsalter ist. Wieder andere erkundigen sich beim Laundry-Service mitten in der Pampa, ob sie die Wäsche nach 30 bzw. 60 Grad sortieren. Eine hat ihren eigenen Kaffee und ihre Espressomaschine dabei. Ich fass es nicht.

26.8.

Ein anderer Punkt bei so einer Reise ist, dass man an den strengen Zeitplan des Veranstalters gebunden ist und das heißt, früh aufstehen, zügig fertigmachen und frühstücken und weiter geht’s. Nix mit relaxtem Ausschlafen und so. Heute fahren wir wieder 180 km, langsam kann ich keine Sandpisten mehr sehen.

Mittags kommen wir in der Gobi an. Eine riesige Kamelherde ist das erste, was wir sehen, sicher mehr als 600-800 Tiere. Ich habe noch nie so viele Kamele auf einmal gesehen. Sie kommen immer näher und beobachten uns neugierig. Wir amüsieren uns bestens.

Nachmittags wandern wir zu den Flaming Cliffs, einer Sandformation, die ausschaut wie der Grand Canyon in klein. Wir laufen zwei Kilometer durch die Wüste hin, dann steigen wir in den Canyon ab, durchlaufen ihn und steigen auf der anderen Seite wieder auf. Das Ziel ist, den Sonnenuntergang von dort anzuschauen, damit wir den Effekt genießen können, der der Formation ihren Namen gibt.

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Leider ist der Himmel bewölkt und außerdem ist es viel zu früh, als wir an der Aussichtsplattform ankommen. Wir laufen zurück, setzen uns mit einem Bier vor die Jurten und warten dort auf die Sonne. Wir unterhalten uns über das sehr fleischlastige Essen.

Einer von uns meint, es sei ihm schon aufgefallen, dass wir nirgends Friedhöfe sehen.

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Stille

Tag 4

„Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“. Reinhold Niebuhr, amerikanischer Theologe, Philosoph und Politikwissenschaftler

Wir beschäftigen uns weiter mit unseren Gefühlen, das Ziel ist, zu lernen, alle anzunehmen, auch die unerwünschten. Es hat keinen Sinn, Gefühle zu unterdrücken oder zu beurteilen und zu bewerten, da der Mensch keinen Einfluss auf seine Gefühle hat, die durch Verdrängung und Verleugnung ja nicht verschwinden, sondern im Unterbewusstsein weiter Schaden anrichten können. Die einzigen Elemente, die wir beeinflussen können, sind unser Denken und unsere Sichtweise, die sich dann auf unsere Gefühle auswirken.

Nach der Seminarstunde haben wir uns im großen Meditationsraum getroffen zu einer ausführlichen Body-Scan-Meditation. Dabei geht man die einzelnen Körperteile durch und konzentriert sich auf die Empfindungen, die man dort spürt (der Fuß liegt mit der Ferse auf dem Boden, die Wade ist platt…) und entspannt dann bewusst. Die meisten sind eingeschlafen oder jedenfalls fast und das ist ja ein gutes Zeichen dafür, dass die Entspannung funktioniert hat.

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Dies sollte der Vorbereitung auf die nächsten 24 Stunden dienen, für die wir uns zum Schweigen verpflichtet haben.

Seit dem Mittagessen schweigen wir. Das bedeutet: nicht sprechen, nicht lesen, nicht schreiben, nicht fernsehen, kein Handy, kein Computer, wir sind allein mit unseren Gedanken und beobachten, was kommt. Die Übung ist, Gefühle wahrzunehmen und sie zu benennen. Das dürfen wir dann auch aufschreiben, aber nur das. Zur Einleitung hat Olga noch eine geführte Meditation gegeben, dann waren wir uns selbst überlassen.

Ich bin noch eine halbe Stunde sitzengeblieben und habe für mich weiter meditiert vor der großartigen Aussicht aus dem Meditationsraum.

Dann war ich einige Stunden spazieren, bergauf zu dem Kloster Cura, von dort über kleine Pfade auf der anderen Seite des Berges hinunter. An einer Stelle mit wunderschöner Aussicht habe ich ein paar Fotos von Blumen und Insekten gemacht und, die Natur genießend, meine Gefühle beobachtet.

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Bisher nichts Dramatisches:  ich versuche, meine widersprüchlichen Gefühle zu sortieren, wie erwartet.  Wie innen, so außen? Außen – tiefer Friede in blühender Natur. Das Schweigen fällt mir leicht, ich genieße es, mich auf niemanden einstellen zu müssen und ganz bei mir sein zu können.

Alle waren abends in der Messe, die Hippolyt auf Mallorquin gelesen hat. Der Kontrast seiner sehr dunklen Haut zu seinem weißen Talar ist schon sehr dekorativ. Um die Messe für uns interessanter zum machen, hat er versucht, seine Predigt simultan vom Mallorquin ins Englische zu übersetzen, was geradezu rührend ist. Dass er die Messe auf Mallorquin hält, finde ich sensationell. Immerhin ist er erst ein Jahr hier.

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Die Tigerkatze hier hat sich in mich verliebt. Sie kommt sofort an, wenn ich auftauche und klettert auf mich rauf. Ich kann sie nicht auf dem Boden liegend fotografieren, weil sie gleich aufsteht und schmusen will. Sie lässt sich nicht abschütteln. Total süß.

Nach dem Essen hat Olga noch vorgelesen, wie jeden Abend kannte sie einige Gute-Nacht-Geschichten. Sie tut alles, damit wir uns wohlfühlen. Wir fühlen uns warm und geborgen.

 

Ziele

Tag 3

Die Atem- und Dehnübungen an der frischen Luft vor dem Frühstück könnten zur Gewohnheit werden. Allerdings nicht im deutschen Dauerregen.

Nach selbstgemachten Marmeladenbroten und Kaffee hat uns eine weitere Lektion im Benennen und Beobachten von Gefühlen zu  einer meditativen Fantasiereise geführt: stell dir vor, du wachst auf und hast dein Ziel erreicht. Was fühlst du?

Zunächst einmal ist also ein Ziel zu definieren. Das allein ist schon schwierig, wenn man eigentlich ganz zufrieden ist mit dem, was man im Leben so erreicht hat.  Nun, irgendwas gibt’s immer, was gerade nicht passt,  nicht wahr? Man muss ja nicht gleich so großartig einsteigen, könnte ja auch mal einen Level runterschrauben und sich ein nettes kleines Zwischenziel auf dem Weg zum großen Glück stecken.  Zu den großen, lebensverändernden, die persönliche Erfüllung bringenden Zielen kann man ja dann später noch kommen, wenn man die Methode erfolgreich getestet hat und einem welche einfallen.

Also nehmen wir an, du hast ein hübsches Ziel gefunden (z.B. ein paar Kilo abzunehmen). Dann schließ die Augen und stell dir vor, du hast es erreicht. Male es dir aus. In allen Einzelheiten. Und dann achte auf deine Gefühle dabei. Wie fühlst du dich? Benenne die Gefühle.  Beobachte, wo in deinem Körper du etwas fühlst und was genau. Das kann positiv oder negativ sein. Schau deine Gefühle an und und beobachte sie eine Zeitlang. Sie verändern sich. Kein Gefühl bleibt länger als eine Minute konstant. Eine sehr interessante Erkenntnis, die du leicht testen kannst. Was also sind Gefühle? Vorübergehende Zustände, hervorgerufen durch Vorstellungen deines Gehirns, diktiert durch dein Unbewusstes und deine Persönlichkeit. Nicht wirklich dramatisch, oder? Klingt kontrollierbar. Die logische Folge ist ewigwährende Gelassenheit. Wir sind Buddha.  O je. Wenn das so einfach wäre! Bis jetzt ist das blanke Theorie. 😛

Um weiterzukommen, gibt es noch eine Lektion über Affirmationen. Das sind autosuggestive Sätze, die man sich möglichst oft vorsagt, um  das Unterbewusstsein auf das Erreichen eines Ziels zu programmieren. Wohin die Energie fließt, das verstärkt sich. Oder, mit den Worten des Feng Shui: Das Chi ist, wo die Aufmerksamkeit ist. Keine Negationen, denn die kommen im Unterbewusstsein nicht an. Das sagt übrigens die psychologische Forschung, nicht irgendein obskurer Hawaiianer. Also nicht: „Ich will nicht mehr dick sein“, sondern „toll, dass ich es schaffe, mühelos mein Idealgewicht zu erreichen“.

Fazit des Vormittags ist, dass du zwar keine direkte Kontrolle über deine Gefühle hast, wohl aber – mit etwas Übung – über deine Gedanken. Und die wiederum steuern deine Gefühle. Und die helfen beim Erreichen von Zielen oder bei der Selbstsabotage, je nachdem.

Nachmittags waren wir in Randa, einem kleinen Dorf am Fuße des Berges. Es ist ein netter Spaziergang dahin,  an dem unteren Kloster vorbei durch den Wald. In Randa  gibt es eine Kneipe, in der wir zwei alte Deutsche kennengelernt haben, die seit 20 Jahren hier wohnen. Hauptgrund offenbar: das Wetter und die Preise im mallorquinischen Outback. Der eine war wohl Kameramann oder so was, jedenfalls hat er brutal angegeben mit seinen oskarverdächtigen Leistungen, hat dann aber lauter verwackelte Fotos von uns gemacht. Aber gut drauf war er nach dem xten Glas Rotwein („die machen das Glas hier wenigstens voll, nicht wie bei uns, wo sie nur den Boden bedecken“ – also ein Weinkenner war er definitiv nicht) und dazugehörigem Schnaps.

Etwas oberhalb unserer Einöde liegt Kloster Cura, ein größeres Anwesen mit Restaurant und einer fantastischen Aussicht über die ganze Insel , wo wir dann gegen Abend noch hingefahren sind. Eigentlich wollten wir ja laufen, aber irgendwie hat die Faulheit dann doch gesiegt….

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Es war eisig kalt dort oben, wie es überhaupt nicht besonders warm ist, vor allem nachts sind die unbeheizten Klosterzellen kein Spaß. Wir haben alle Decken, die wir gefunden haben, verteilt, was zwar für Wärme sorgt, aber so schwer ist, dass man sich kaum umdrehen kann. Wieder zurück hat Olga den Hausmeister Severino angeflirtet und bekniet, dass er uns die Heizung anschaltet. Zum Glück ist sie hübsch und nett, so dass er sich erweichen ließ.